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ückversicherer stellten das erste Mal ernsthaft Modelle zur Simulierung von Katastrophen auf, zumal diese zunehmen Die US-Regierung allerdings habe nichts gelernt, kritisieren Experten. Mit Subventionen verschärfe sie das Risiko sogar
Es war früher Morgen, als Hurrikan Andrew an der amerikanischen Ostküste an Land ging. Mit 240 Sachen fegte er über Florida City und Miami hinweg. Er zerlegte Einkaufspassagen, Altenheime und Neubausiedlungen. Als der Sturm sich wieder gelegt hatte, waren 26 Menschen gestorben, 63.000 Wohnungen weggerissen und 250.000 Menschen obdachlos. Andrew hatte einen Schaden von 26,5 Milliarden Dollar angerichtet – die höchste Schadenssumme, die ein Hurrikan bis dahin jemals verursacht hatte.
Hurrikan Andrew, der genau heute vor 20 Jahren Florida heimsuchte, war eine Zäsur. Für die Versicherungsbranche, wie für die USA. Der Hurrikan offenbarte, wie verwundbar Florida war. Er brachte den Bewohnern an der Ostküste in Erinnerung zurück, welche große Gefahr ihnen durch Naturkatastrophen drohte. Doch die Politik hat nur wenig aus Hurrikan Andrew und weiteren Unglücken wie Hurrikan Katrina 13 Jahre später gelernt – was verheerende Folgen haben könnte. „Die Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen hat aufgrund klimatischer Veränderungen stark zugenommen. Die USA müssen in Zukunft mit mehr Hitzewellen, starken Gewitterereignissen und intensiveren Hurrikanen rechnen“, sagt Peter Höppe, Leiter der Geo-Risiko-Forschung der Rückversicherung Munich Re. Ein neuer Jahrhundertsturm, wie er sich 1926 in Miami zugetragen hat, könnte heute einen dreistelligen versicherten Schaden anrichten, fürchtet der Experte.
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Kein anderer Kontinent ist von Naturkatastrophen so bedroht wie die USA, und nur in Nordamerika treten alle Formen von wetterbedingten Naturkatastrophen auf. Ob Hurrikans, Tornados, Erdbeben, Überschwemmungen, Tropen- oder Schneestürme: Besonders die Amerikaner müssen mit allem rechnen – und das der Munich Re zufolge auch immer häufiger. Allein im ersten Halbjahr gab es in Nordamerika 160 Naturkatastrophen.
Der Trend steige bereits seit Jahren steil an, so der Rückversicherer. „In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Zahl extremer Wetterphänomene wie Wirbelstürme, Überflutungen oder Dürren in den USA fast verfünffacht“, heißt es in der Studie „Wetterrisiken Nordamerika“ der Munich Re, die im September erscheint und der „Welt“ in Teilen vorliegt. So brauten sich in den vergangenen Jahren schwere Gewitter deutlich häufiger am amerikanischen Himmel zusammen. Die Zahl schwerer Stürme etwa stieg von 50 auf 100 bis 150 pro Jahr. 2011 entstand allein durch schwere Gewitter ein Schaden von 26 Milliarden Dollar – doppelt so viel wie im Jahr zuvor, und das war schon ein Rekordjahr gewesen. Und der Trend wird sich laut der Studie der Munich Re fortsetzen. „Nordamerika ist allen Wetterrisiken ausgesetzt, und sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität extremer Wetterphänomene werden weiter zunehmen.“ Grund dafür sei der Klimawandel, durch den die Oberflächentemperatur des Wassers steige, sagt Höppe. Zudem befindet sich der Atlantik seit 1995 in einer sogenannten Warmphase, in der häufiger Hurrikans auftreten.
In diesen Tagen bekommen besonders Tausende Farmer im Mittleren Westen die Folgen einer Naturkatastrophe zu spüren. Sie leiden unter der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten, auf einer Fläche so groß wie Belgien und Luxemburg zusammen verdorren Mais und Weizen. Das US-Landwirtschaftsministerium erwartet in diesem Jahr einen Rückgang der Maisernte um 17 Prozent. Bisher gab es eine solche Dürre alle 50 Jahre. In einigen Jahrzehnten könnte es dagegen alle paar Jahre solch eine Trockenperiode geben, warnt Höppe.
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Allerdings ist die These nicht unumstritten. Es gebe nicht mehr Naturkatastrophen. Sie würden nur teurer, weil es mehr Werte gebe, sagt Andreas Schraft, Leiter des Naturkatastrophen-Teams beim Schweizer Rückversicherer Swiss Re. „Mehr Schäden heißt nicht gleichzeitig, dass zum Beispiel auch die Wahrscheinlichkeit von Stürmen und Hurrikanen gestiegen ist“, so Schraft. Dennoch habe der Klimawandel einen Einfluss, gerade auf das Geschäft der Rückversicherer. „Langfristig ist der Klimawandel ein großes Problem für die Gesellschaft, weil Risiken sich viel schwerer abschätzen lassen.“ Denn der Klimawandel lässt sich in den Modellen der Rückversicherer nicht abbilden.
Der amerikanische Staat reagiert auf die neuen Gefahren bislang nicht. Dabei steht heute viel mehr auf dem Spiel als früher. Lebten in Florida beim schweren Miami-Hurrikan 1926 noch 100.000 Menschen, sind es mittlerweile 19 Millionen. Auch ein Hurrikan von der Stärke Andrews würde heute wohl einen viel höheren Schaden anrichten. „Doch wie viele Regierungen tut auch die amerikanische Regierung nicht genug, um die Küstengebiete vor Katastrophen zu schützen“, sagt Schraft. Experten fordern, Frühwarnsysteme und Überschwemmungswälle zu verbessern, Bauvorschriften zu verschärfen oder den Leuten einzubläuen, nicht unbedingt nach Florida zu ziehen, auch wenn das Klima dort noch so schön sei.
Weil aber viele Menschen eben in jene Risiko-Gebiete gezogen sind, könnte ein Hurrikan wie der von Miami 1926 heute großen Schaden anrichten. „Ein solcher Hurrikan könnte schon an die Marke von 100 Milliarden Dollar an versicherten Schäden herankommen“, sagt Höppe. Träfe ein solcher Wirbelsturm auf New York, könnte er eine ähnliche Schadenshöhe erreichen. Wohlgemerkt, das ist nur der versicherte Schaden. Die wahre Schadenssumme läge noch höher.
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Doch die amerikanische Regierung tut nicht nur nichts, sie verschärft die Probleme sogar, wie die anhaltende Dürre gerade zeigt: Fast alle Farmer haben eine Ernteausfallversicherung abgeschlossen. Der Staat subventioniert die Versicherungsprämie zu mehr als 60 Prozent. Bis zu sechs Milliarden Dollar könnte das den amerikanischen Steuerzahler dieses Jahr kosten.
Die Subvention hat nicht nur zur Folge, dass Farmer dort anbauen, wo Dürren ihre Ernten zunichte machen könnten. Sie führt auch noch auf groteske Weise dazu, dass einige Landwirte aus der Hitzewelle Profit schlagen können: Der Ernteausfall deckt ihre Versicherung zu einem großen Teil ab. Das, was sie an Ernte einfahren, können sie zu einem deutlich höheren Preis als üblich verkaufen. Denn seit Mitte Juni sind die Preise für Mais und Weizen wegen der Hitzewelle explodiert. Der Preis für den Schlüsselrohstoff zur Herstellung von Lebensmitteln und Tierfutter ist seitdem um über 50 Prozent gestiegen. „Der amerikanische Staat setzt Fehlanreize, wenn er Versicherungsprämien für Gebäude in Risikogebieten subventioniert“, sagt Experte Höppe. Ausgerechnet in Florida, wo die Gefahr von Hurrikans am höchsten ist, ist das etwa der Fall.
Immerhin: Die Forschung ist heute viel weiter als 1992. Nach Hurrikan Andrew wurde viel investiert, um das Heraufziehen von Naturkatastrophen besser zu verstehen. Nach dem Unglück stellten Rückversicherer das erste Mal ernsthaft Modelle zur Simulierung von Katastrophen auf. Mittlerweile lassen sich die Zugbahnen von Hurrikans eine Woche im Voraus relativ gut berechnen.
Es war nicht die einzige Veränderung, die der große Wirbelsturm vor 20 Jahren brachte. „Hurrikan Andrew hat die Versicherungsbranche von Grund auf verändert“, sagt Schraft. Etliche Versicherer gingen pleite, neue entstanden. Der Hurrikan war ein maßgeblicher Grund, warum sich die Versicherungsprämien in Florida seit Beginn der 90er-Jahre verdoppelt haben. Im Vergleich zu Deutschland kosten Versicherungen gegen Sturm für Häuser in Florida heute etwa zehnmal so viel.
Rückversicherer sichern sich zudem stärker gegen solche großen Katastrophen ab. Mitte der 90er-Jahre brachten sie sogenannte „Katastrophen-Bonds“ (Cat Bonds) auf den Markt. Damit transferieren sie die Risiken für Naturkatastrophen an die Finanzmärkte. Der Rückversicherer portioniert das Gesamtrisiko und gibt dafür Anleihen heraus. Tritt das Katastrophenereignis in einem vorab festgelegten Zeitraum nicht ein, dann zahlt die Versicherung einen Zins, der über dem Geldmarktsatz liegt. Tritt das Ereignis jedoch ein, hat der Anleger sein Geld verloren. Der Staat wiederum engagierte sich nach Hurrikan Andrew deutlich stärker bei der Versicherung von Gebäuden in Küstenregionen.
„Andrew hat Bürger, Versicherer, Regulierungsbehörden und Staaten wachgerüttelt, sich sowohl physisch als auch finanziell auf unvorhersehbare Naturkatastrophen einzustellen”, sagt Lynne McChristian vom Insurance Information Institute. Zum Teil stimmt das. Doch offenbar braucht es erst eine weitere große Katastrophe, bis die amerikanische Politik wirklich auf die Gefahren reagiert.