Würde die gesamte heutige Getreideernte zu Nahrungsmitteln verarbeitet und gar nichts mehr zu Futtermitteln für Rinder, Schweine oder Geflügel, dann könnten 4 Mrd. Menschen mehr ernährt werden. Oder würden die Verbraucher statt Rindfleisch nur noch Huhn oder Schwein essen, könnten die heutigen Ackerflächen 357 Mio. Menschen zusätzlich ernähren. Käme gar kein Fleisch mehr auf den Tisch, sondern höchstens noch Milchprodukte und Eier würden 815 Mio. Menschen mehr satt. Zu diesen Ergebnissen kommt ein Wissenschaftlerteam der University of Minnesota in Saint Paul.
Wie Spiegel Online berichtet, war die Diskussion um die Welternährung in einigen Jahrzehnten Auslöser der Untersuchung. Denn die Ernährungsgewohnheiten auf der Welt gleichen sich immer mehr an, der Fleisch- und Milchkonsum in vielen Schwellenländern steigt rapide. Nach heutigen Produktionsmaßstäben reicht die Anbaufläche daher zur Welternährung nicht mehr aus, sagten kürzlich erst andere Studien vorher und forderten eine deutliche Produktivitätssteigerung.
Die Forscher aus Saint Paul verfolgten einen anderen Ansatz. Danach müsse man die Ernte nur anders einsetzen, dann reiche die heutige Produktivität aus. Das Team um Emily Cassidy berechnete zunächst, wie viel von den 41 wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit produziert wird und wo diese Erträge landen:
Nur 67 % der geernteten Pflanzen werden zu Nahrungsmitteln verarbeitet. Bezogen auf die Kalorien entspricht dieser Anteil sogar nur 55 % der Gesamtenergie.
24 % der Pflanzen (36 % der Kalorien) werden als Tierfutter genutzt.
9 % (Masse und Kalorien) werden anderweitig verarbeitet, etwa zu Biotreibstoff. Die Produktion von Biotreibstoffen ist in den vergangenen Jahren allerdings stark gestiegen. Während beispielsweise in den USA im Jahr 2000 rund 6 % des Maises als Rohmaterial für Kraftstoff diente, waren es 2010 rund 38 %.
Die Analyse von vier Ländern - Indien, China, Brasilien und den USA - zeigte zudem, welche massiven Unterschiede beim Anbau und der Verwendung von Nahrungspflanzen herrschten.
In China wurden 58 % des Getreides (Kalorien) direkt als Nahrungsmittel verwendet, 33 % als Futtermittel. Pro Hektar Anbaufläche konnte China damit acht Menschen ernähren. Würde sämtliches Getreide als Lebensmittel verwendet, wären es 13. In Brasilien sah es ähnlich aus.
In den USA wurden sogar nur 35 % der Energie aus Getreide direkt als Nahrung verwendet; 67 % dagegen als Tierfutter. Das Ackerland ernährte demnach fünf Menschen - möglich wäre es aber, 16 satt zu bekommen.
In Indien wurden dagegen fast 90 % des angebauten Getreides (Kalorien) direkt als Lebensmittel verwendet. Weil die Erträge allerdings relativ gering waren, konnten damit lediglich sechs Menschen pro Hektar Anbaufläche ernährt werden.
Die größte Stellschraube in diesem System ist die Fleischproduktion. Um eine Kalorie Fleisch auf dem Teller zu haben, sind im Schnitt bereits rund zehn Kalorien Getreide verbraucht worden - zum Teil aber auch bis zu 30. Fisch haben die Forscher in ihrer Studie vernachlässigt, ebenso Schafe und Ziegen, die in der Regel nur weiden und kein Kraftfutter bekommen. "Die gute Nachricht ist, dass wir bereits genug Nahrungsmittel produzieren, um mehrere Milliarden Menschen mehr zu ernähren", sagte Emily Cassidy laut dem Spiegel. (ad)
vgl.:Welternährung: Erträge steigen zu langsam (21.6.2013)Von Witzke: EU vernachlässigt sträflich Produktivitätssteigerungen (21.6.2013)Experten schlagen Alarm: Ernährungssicherung 2050 nicht gegeben! (16.4.2013)