Ein Beutel Hundefutter, ein Creme-Spender, ein Becher Kartoffelsalat, ein Sack Zement und eine Tüte Kartoffelchips haben auf den ersten Blick nicht viel gemein. Auf den zweiten schon: Sie alle bestehen aus Kunststoffen und werden im Oldenburger Münsterland hergestellt. Dahinter stehen Firmen wie Delo Dettmer Verpackungen, Mondi, Nordfolien, Pöppelmann oder RPC Bramlage. An den Standorten Lohne und Steinfeld tüfteln, forschen, entwickeln und produzieren Verpackungsdesigner, Entwicklungsingenieure und Techniker Verpackungen, die wir morgen im Supermarktregal finden.
RPC Bramlage: Kunststoffe, die es kalt mögenVerpackungsinnovationen finden marktübergreifend Verwendung. Man denke an die Zweikomponenten-Verpackung, die viele Verbraucher von Haarfärbemitteln her kennen. Die reaktiven Phasen des Färbemittels mischt man erst kurz vor dem Auftragen. Bis dahin müssen sie getrennt aufbewahrt werden. Für viele war dies früher ein anstrengendes Prozedere mit viel Schmiererei, heute dreht man einfach am unteren Ende der Verpackung. Klack. Die Komponenten vermischen sich und das Färbemittel kann direkt auf das Haar aufgetragen werden – alles in und aus einer Flasche. RPC Bramlage hat dieses Prinzip auf eine Getränkemischung übertragen. „Seit dem letzten Jahr gibt es ein Produkt auf dem amerikanischen Markt, das wir hier in Lohne weiterentwickelt haben. Es handelt sich um eine Flasche mit Wasser, darüber befindet sich in einer Kappe ein Konzentrat. Beim Aufschrauben schießt das Konzentrat in die Flasche. So kann man beispielsweise frische Vitamine direkt vor der Einnahme zusammenmischen“, erklärt Thorsten Fischer, Manager Business Development bei RPC Bramlage. Dieses Prinzip lässt sich wiederum im Pharmabereich anwenden: „Mischen kurz vor Injektion oder Weiterverarbeitung ist hier das Thema“, so Fischer.
RPC Bramlage ist Experte für das Spritzgießen, Blasformen und Tiefziehen von Verpackungen. Für ein großes Pharmaunternehmen entwickelte RPC Bramlage eine Dose für DNA-analytische Prozesse. Die Dose sollte während des Transports Temperaturen von -70° C standhalten – „eine Besonderheit“ sagt Fischer. In der Kunststoffindustrie gebe es keinen einzigen Materiallieferanten, der garantiere, dass seine Materialen bei diesen Temperaturen noch funktionieren. „Wir haben mit unserem Auftraggeber zusammen daher selbst Tests gemacht. Und nun wird die Dose weltweit verschickt“, so Fischer.
Rund 840 Mitarbeiter, davon rund 110 Mitarbeiter im Werkzeugbau, arbeiten derzeit bei RPC Bramlage. Etwa 160 Produktionsmaschinen arbeiten auf Hochtouren für die Märkte Kosmetik, Lebensmittel und Getränke, Pharmazie und Healthcare sowie Non-Food. Bevor die englische RPC Group Plc 1997 die Continental Plastics Europe übernahm, zu der die Bramlage GmbH ab 1993 gehörte, war Bramlage bereits seit über 40 Jahren fest im Kunststoffmarkt etabliert. Mit der Firmengründung 1845 stellte die Firma Fr. Bramlage & Co. jedoch etwas ganz anderes her: Korken.
Die Kunststoffproduktion in Lohne beginnt„Die Kunststoffverarbeitung im Oldenburger Münsterland ist nach dem Zweiten Weltkrieg aus der vorhandenen Wirtschaftsstruktur hervorgegangen“, sagt Rudi Hockmann, Geschäftsführer des Verbunds Oldenburger Münsterland. Noch in den 1960er Jahren kennzeichneten Landwirtschaft, Torfproduktion sowie Kleinbetriebe der Kork-, Textil- und Metallverarbeitung die Wirtschaftsregion. Speziell die Korkenindustrie war vor dem Zweiten Weltkrieg ein treibender Wirtschaftsfaktor. Die Einfuhr des Korkholzes aus Portugal kam während des Krieges jedoch fast vollständig zum Erliegen. „Die ersten Kunststoffverarbeiter entstanden in den 50er Jahren – aus der Nachfrage nach Torfsäcken und Flaschenkorken aus Kunststoff entwickelten sich erste Betriebe der Kunststoffverarbeitung wie Pöppelmann, Bramlage und Nordenia. Mit der Fertigstellung der Bundesautobahn A1 ‚Hansalinie‘ nahm die Entwicklung dann Fahrt auf“, erläutert Hockmann.
Als eines der ersten Unternehmen der Region wandte sich die Firma Bramlage der Kunststoffproduktion zu. Der damalige Juniorchef Hans Joachim Taphorn entschied, Verschlusskorken für Medizinflaschen, die für die Pharmaindustrie eingesetzt werden, herzustellen. Für die sogenannten Griffkorken (Korken mit „griffigen“ Kappen) fertigte man bei Bramlage ab 1947 Kunststoffkappen – zuerst aus Bakelit, später aus praktischen Gründen aus Polystyrol. Der Griffkorken verhalf der Kunststoffindustrie in Lohne Mitte der Fünfzigerjahre somit zum Durchbruch. Nach Ausweitung der Produktion mittels halbautomatischer Maschinen, stellte das Unternehmen Bramlage auch Trink- und Eierbecher, Koffergriffe und Schraubkappen für die Pharmaindustrie her.
Weil Ende 1959 das englische Patent für die sogenannte Pilferproof-Schraubkappe ablief, ging der Absatz an Griffkorken zurück. Weltweit durften Unternehmen Schraubkappen nun aus Aluminium herstellen. Eine neue Idee musste her: Bramlage begann damit, Verpackungsteile aus Kunststoff für die pharmazeutische Industrie herzustellen. Auch andere Unternehmen folgten dem neuen Trend. Kunststoff-Formgeber und Werkzeugmacher sowie weitere qualifizierte Industrieberufe waren gefragt – und die Kunststoffindustrie im Oldenburger Münsterland geboren.
Mondi: Trend zur flexiblen VerpackungBei Mondi in Steinfeld werden Verpackungen aus Kunststoff für ganz feine Nasen produziert: Hunde und Katzen bekommen ihr täglich Futter aus der sogenannten Flexzibox, einer wiederverschließbaren Verpackungslösung, unter anderem mit flacher Bodenform (Flat bottom bag). Das Mondi-Werk in Steinfeld ist einer der Weltmarktführer für dieses Produkt. Rund um den Globus erhalten Haustiere ihre Leckerlis aus den Beuteln, die es mit Klettverschluss, Top-Slider oder Druckverschluss gibt. 14 Anlagen konfektionieren dafür rund um die Uhr. Über 90 Prozent der Mondi-Kunden verwenden die Beutel für Tiernahrung. „Wir bieten unseren Kunden innovative und maßgeschneiderte Lösungen an. Markenartikler wie Mars, Nestlé, Hill‘s oder Royal Canin setzen zur Abfüllung ihrer Produkte unsere Flexzibox ein“, sagt Alfons Kruse, Werksleiter Mondi Steinfeld. Neben Tierfutter lassen sich aber auch verschiedene Trockenwaren wie Reis, Kaffee oder Müsli in den Beuteln verpacken. Reis gibt es in den Beuteln zum Beispiel von Tilda. Als Material verwendet Mondi PET/PE, PET/PETmet/PE oder OPP/PE. Jeder 750. Beutel wird bei Mondi stichprobenartig auf seine Haltbarkeit getestet. In einem Wasserbad, auf das ein Vakuum gezogen wird, muss er im aufgeblähten Zustand mindestens 30 Sekunden standhalten. Dabei darf keine Luft aus dem Beutel entweichen. „Wenn er das Vakuum nicht über 30 Sekunden halten kann, wird die komplette Charge gesperrt und nicht ausgeliefert“, sagt Markus Wielens, Geschäftsführer des Werks in Steinfeld. Rund 150 Mitarbeiter sind derzeit in Steinfeld beschäftigt, Tendenz steigend. Dabei kann das Werk auf nunmehr über zehn Jahre Erfahrung im Bereich flexible Kunststoffverpackungen zurückblicken. Der Standort wurde 2012 mit der Übernahme der Nordenia-Gruppe durch die Mondi-Gruppe in das Segment Consumer Packaging integriert.
Neben der Flexzibox stellt Mondi in Steinfeld den Standbodenbeutel Spout Bag für Flüssigkeiten, Pasten oder trockene Schüttgüter her sowie den Venti Bag, eine flexible Verpackung für Baustoffe. Sie ist mit zwei patentierten Entlüftungssystemen ausgestattet.
Für Großgebinde ab 7,5 kg produziert das Werk Polywoven Bags. Anders als die kleineren Spout Bags sind diese noch nicht mit einem Tragegriff erhältlich – daran arbeitet Mondi zurzeit. „In zwei bis drei Jahren wird sich die Produktion auf Polywoven Bags umstellen“, prognostiziert Kruse. Gibt es zukünftig also keine Beutel und Säcke mehr aus Papier? „Der Trend geht ganz klar Richtung Gewebe, Richtung flexibler Verpackung und weg vom Papier“, sagt Wielens. Der ein oder andere Kunde komme aber auch wieder auf Papier zurück, „um etwas ‚Neues‘ zu machen“, so der Geschäftsführer.