Interessanterweise ist es nun aber so, dass Siegesmund nicht nur Thüringens oberste Umweltschützerin ist. In ihrem Zuständigkeitsbereich liegt auch das Landesbergamt in Gera. Und das muss, wenn die Voraussetzungen stimmen, den Gips-Produzenten eben auch den geplanten Abbau erlauben.
Gips-Manager Schiffer rechnet sich dennoch ganz gute Chancen aus. Grund ist der sogenannte Gips-Kompromiss, auf den sich die Vorläuferfirma von Casea 1997 mit den Thüringer Behörden geeinigt hatte. Kern des Deals ist ein Flächentausch am Winkelberg: Die Firma hatte damals eine Fläche von 23 Hektar für den Naturschutz zur Verfügung gestellt - in der Annahme, dann auf weiteren 18 Hektar einen Steinbruch eröffnen zu dürfen. Ministerin Siegesmund sagt dagegen, der Gipskompromiss sei "ohne Grundlage" und spricht von einem "Kuhhandel". Am Ende werden Gerichte entscheiden müssen.
Wenn man im Südharz über den Gipsabbau spricht, kommt die Rede früher oder später auf den Kohnstein. Dieser Berg am Stadtrand von Nordhausen ist in mehrfacher Hinsicht ein Fanal. Seit 1917 wurde hier Gestein abgebaut, zunächst oberirdisch. Im Inneren des Massivs mussten dann im "Dritten Reich" Häftlinge des Konzentrationslagers Mittelbau Dora Stollen für eine Raketenfabrik graben. Zu DDR-Zeiten wurde Gestein in einem großen Tagebau gefördert.
Der Kohnstein und seine Natur wurden über Jahrzehnte verschandelt, die Spuren sind bis heute zu sehen. Die Bergfront ist auf Hunderten Metern Breite vom terrassenförmigen Abbau zerfressen. Renaturiert ist hier gar nichts. Die Gips-Unternehmen der Region verweisen allerdings - und das wohl zu Recht - darauf, dass sie mit dieser Sauerei nichts zu tun hätten. Sie würden sich in ihren Gebieten sehr wohl um möglichst landschaftsschonenden Abbau und Renaturierung bemühen. "Wir setzen auf kleine Abbauflächen", beschreibt etwa Elmar Zimmer, Werkleiter bei Saint Gobain Formula, den Ansatz seines Unternehmens. "So können wir zeitgleich Teilstücke in den Renaturierungsprozess überführen."
Und bei Knauf zeigt man stolz das Gebiet der Krebsbachwand am Alten Stollberg bei Rottleberode vor. Dort wurde zwischen den Sechziger- und Neunzigerjahren Gips abgebaut - 100 Meter hoch und 700 Meter lang. Es war im Grundsatz eine ähnliche Situation wie am Kohnstein. Nur dass in diesem Fall das Gelände nach Ende der Förderung erst technisch gesichert wurde und dann, im Jahr 1999, mit einer sogenannten Hydrosaat bespritzt. Das ist ein wässriges Gemisch aus Saatgut, Mulch, Dünger und Kleber - und sorgte dafür, dass die Wand wieder ergrünte. Dann wurden Bäume gepflanzt. Heute steht an der Krebsbachwand ein kleiner Wald.
Aber braucht man den Gipsabbau überhaupt? Nein, glauben Elke Blanke und ihre Mitstreiter von der Bürgerinitiative. Es gebe gleich zwei Wege, um den Naturgips zu schonen. Da ist zum einen der sogenannte REA-Gips. Der fällt in großen Mengen in den Rauchgasentschwefelungsanlagen der Kohlekraftwerke an. Und außerdem, sagen Blanke und ihre Mitstreiter, müssten die Unternehmen eben verstärkt auf Gips-Recycling und das Aufarbeiten von Bauabfällen setzen.
Die Gips-Industrie dagegen sagt: REA-Gips wird durch die Energiewende irgendwann knapp. Wenn Kohlekraftwerke vom Netz gehen, muss dort auch kein Rauchgas mehr entschwefelt werden. Heute stammten 50 Prozent der in der Gipsindustrie verarbeiteten Rohstoffe aus REA-Gips, sagt Knauf-Manager Materlik. "Schätzungsweise ab 2050 werden die Mengen nicht mehr zur Verfügung stehen." Schon allein deswegen müsse sich die Branche natürlich auch mit dem Thema Recycling beschäftigen. Aber: "Die Qualität beim Recyclinggips stimmt noch nicht." Man werde weiter Naturgips brauchen.
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Video: Der Gips-Manager erklärt die Herausforderungen beim Recycling.