Kleinbauern werden gewaltsam ihres Landes beraubt, die indigene Bevölkerung misshandelt und vertrieben. Ein von der mächtigen Tier- und Agrarindustrie geführter Kampf um die landwirtschaftlichen Flächen erlebt im südlichen Teil des Amazonasgebiets derzeit wieder einen blutigen Höhepunkt – die Medien haben darüber berichtet. Platz muss her für immer neue Anbaugebiete, um die ständig steigende Nachfrage der Welt nach billigem Soja zu befriedigen.
Die drei größten Produzenten – USA, Brasilien und Argentinien – stellen über 80 Prozent der weltweit geernteten Sojabohnen aus hauptsächlich gentechnisch verändertem Saatgut her, das vorwiegend als Futtermittel verwendet wird. Der ständig wachsende Fleischbedarf ist ohne Unmengen von Sojafutter nicht zu befriedigen. Auch bei uns in Osttirol? Irgendwo müssen die über 500.000 Tonnen Gen-Soja, die Österreich jährlich importiert, ja landen!
Das RGO-Mischfutterwerk in Lienz ist der bedeutendste Futtermittellieferant für Osttirols Bauern. Tonnenweise wird Getreide aus allen Himmelsrichtungen angeliefert, dann zu Flocken, Mehl und Pellets verarbeitet, aus denen wiederum unterschiedliche Futtermischungen hergestellt werden. Auch mit gentechnisch verändertem, also GVO-Soja aus Brasilien?
„Alles gentechnikfrei“, versichert Hans Mitterdorfer, Spartenleiter der RGO-Agrar.
„Nein. Alles was hier im Werk produziert wird, ist gentechnikfrei, und das schon seit über 15 Jahren. Es gibt auch keine antibiotischen Leistungsförderer und kein Tiermehl,“ erklärt Hans Mitterdorfer, Spartenleiter der RGO-Agrar. Das Werk produziert nach seinen Angaben zu 95 Prozent Tierfutter für die Milchproduktion. Und Österreichs Molkereien verlangen nach gentechnikfreier Milch. Der anteilsmäßig geringe Teil an Soja wird in Europa angebaut – ist als „Donausoja“ bekannt – und gentechnikfrei.
Die Sojabohnen kommen aus Kärnten und der Steiermark, Sojaextraktionsschrot – ein Nebenprodukt der Sojaölgewinnung – wird aus Italien, nach der Ukraine der zweitwichtigste Sojaproduzent in Europa, angeliefert. Seit Jahren wird in Europa der Anbau von Soja und anderen Eiweißquellen wie Raps forciert. Die Nachfrage nach GVO-freiem Soja steigt ständig, Treiber ist vor allem der europäische Lebensmittelhandel.
Ganz ähnlich verhält es sich auch beim Südtiroler Unternehmen Beikircher Grünland GmbH – mit einer Filiale in Nußdorf-Debant – dessen Mischfutterwerk in Bruneck schon 2001 auf gentechnikfreie Produktion umgestellt wurde.
Hans Mitterdorfer arbeitet seit 1994 im Mischfutterwerk Lienz: „Es hat sich viel verändert. Die heutige Generation von Bauern ist großteils fachlich sehr kompetent und möchte oft eine Futtermischung gezielt für ihren Betrieb. Allen geht es um das Wohl ihrer Tiere, auch deshalb, weil sich am Ende nur gesunde, zufriedene Tiere auszahlen.“ Hans Mitterdorfer, der wie seine Mitarbeiter zur Beratung direkt zu den Höfen fährt, betont, es gehe in unseren Breiten allen Tieren, auch in konventioneller Landwirtschaft, sehr gut.
Dieses Mischfutter sieht aus wie ein Frühstücksmüsli und enthält verschiedene Getreidesorten, Raps, Zuckerrüben, Sonnenblumenschrot und Kleie.
Im Osttiroler Werk werden hauptsächlich Mais aus Kärnten und der Steiermark, Weizen, Gerste, Zuckerrübenschnitte, Rapsschrot, Sonnenblumenschrot und Kleie verarbeitet. Biotaugliche Futtermischungen werden von Mischfutterwerken aus Klagenfurt und Salzburg zugekauft. Der Anteil von Soja ist im Bezirk traditionell sehr gering. Soja findet hauptsächlich in der Geflügel- und Schweinemast Verwendung, die in Osttirol nur eine sehr kleine Rolle spielt.
Wir haben den größten Schweinebauer im Bezirk besucht und wollten wissen, wie er seine Tiere füttert. „Gassler Bauer“ Michael Fasching in Nikolsdorf hält übers Jahr an die 130 Schweine. Ein Kleinbetrieb im Vergleich mit der Steiermark oder Oberösterreich, wo mehrere Tausend Schweine in einem Stall ihr kurzes Dasein fristen. Die Ferkel am Gasslerhof werden in Osttirol gekauft, statt dem üblichen Spaltenboden gibt es Strohhaltung, statt billigem Gensoja wird eigenes Getreide und etwas teureres Soja von heimischen Anbietern gefüttert. Das Schweinefleisch wird vor allem zu Speck und Wurstwaren verarbeitet und direkt ab Hof verkauft.
Verglichen mit anderen Gegenden geht es in Osttirols Schweineställen sehr familiär zu. Die Tiere genießen die Lebensqualität und gentechnikfreies Futter.
Auf den Gassler Bauer folgen im Größenvergleich die Familie Duregger vom „Untermaierhof“ und Familie Vergeiner vom „Unterwinklerhof“, beide aus Assling, mit je ca. 60 Schweinen. Auch sie geben an, ihr Schweinefutter im Bezirk zu beziehen und garantiert gentechnikfreie Produkte anzubieten, unter anderem auf dem Stadtmarkt in Lienz.
Mit den niedrigen Fleischpreisen des Handels können die Osttiroler Produzenten nicht mithalten. Nur durch die Veredelung des Schweinefleisches sei der Einsatz von teurerem Futter und diese Form der Schweinehaltung überhaupt tragbar, erklären sie unisono. Seit Jahren wird in Europa der Anbau von der Sojabohne und anderen Eiweißquellen wie Raps forciert. Auch in Osttirol versuchen sich einige Landwirte im Sojaanbau.
Ein Blick in die Statistiken der Landwirtschaftskammer – bzw. in Osttirol ein Blick aus dem Fenster – genügt, um zu wissen, dass die Landwirte bei uns mit recht extremen Bedingungen konfrontiert sind. Schon deshalb muss großteils extensiv gewirtschaftet werden: Etwa die Hälfte der Fläche Osttirols liegt über 2000 Meter Seehöhe, nur zehn Prozent sind auf Dauer besiedelbar. Von den 2015 erfassten 1.699 landwirtschaftlichen Betrieben des Bezirkes werden 1.550 als Bergbauernbetriebe eingestuft. In den letzten 40 Jahren gab im Durchschnitt alle 14 Tage ein Betrieb die Rinderhaltung auf.
Die bäuerliche Idylle von früher, der manche gerne nachtrauern, hat es in Wirklichkeit nie gegeben. Tatsächlich geht es den Tieren heute auch in großen Ställen mit hunderten Artgenossen viel besser, als den meisten Osttiroler Tieren früher. Im Jahr 2014 lebten unter anderem 22.532 Rinder, 1.262 Schweine, 11.257 Hühner und 17.061 Schafe im Bezirk. Aktuellere Zahlen sind nicht verfügbar.
Unter den Rindern sind viele Mutter-bzw. Ammenkühe, obwohl die Förderungen dafür inzwischen eingestellt wurden. Die Mutterkuhhaltung mit dem Ziel „Einsteller“ zu produzieren, ist die artgerechteste Haltung und macht Getreidefütterung am gesamten Betrieb überflüssig, vorausgesetzt, es steht genügend gutes Grundfutter, also Gras und Heu, zur Verfügung. Von vielen Mutterkuhbetrieben Osttirols kommen die Einsteller (mehrere Monate alte Kälber), schießlich nach Nikolsdorf zum größten Rinderhalter im Bezirk.
Die Familie Ploner hält über 400 Rinder, hauptsächlich Maststiere. Gefüttert wird mit selbst angebautem Futter, zusätzlich wird nur „Kraftfutter“ in Osttirol zugekauft. Der „Stadtlerhof“ verzichtet seit dem BSE-Skandal generell auf Soja. Hans Gumpitsch füttert seine ca. 150 Milch- und Mastrinder zusätzlich mit anderen Eiweißpflanzen und sieht schon den nächsten Skandal, nämlich einen Gen-Skandal, auf uns zukommen.
Ein anderer Rindermäster geht noch viele Schritte weiter: Bernhard Astner vom „Fohlenhof“ in Nikolsdorf hat sich entschlossen auf Bio umzustellen – nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aus Überzeugung. Auch der „Peischlerwirt“ mit Hofladen bei Huben ist Biobauer geworden. Jetzt gibt es sogar Osttiroler Bioschweinefleisch! Man kann nicht hinter jede Stalltür schauen, aber nach unseren Recherchen kommt kein Gen-Soja aus Brasilien oder anderen Ländern auf Osttirols Futtertische.
Im Bezirk werden damit grundsätzlich hochqualitative Lebensmittel hergestellt. Der Markt verlangt allerdings auch nach viel billigem Fleisch. Inzwischen hat China die EU als weltweit größter Soja-Importeur abgelöst. Menschen werden wohl weiterhin ihres Landes beraubt und müssen zusehen, wie ihre Kinder an Pestiziden schwer erkranken, damit am anderen Ende der Welt der riesige Fleischbedarf befriedigt werden kann. Man muss kein Ökofreak oder Menschenrechtsaktivist sein, um diese Entwicklung als problematisch zu erkennen. Die globale Fleischindustrie bleibt abhängig von billigen Sojaimporten. Osttirols Landwirtschaft ist es nicht.