Die Abteilung wurde nun mit rund 40 zusätzlichen Mitarbeitern zu einem Institut aufgestockt. „Wir hatten vor dem Covid-19-Ausbruch nur sieben Vollzeitkräfte in der Infektionsepidemiologie“, sagte Kickinger: „Das war ausreichend, um die jährlichen Probleme etwa rund um die Grippe und Masern abzuklären, aber viel zu wenig, um mit einer Pandemie durch ein neuartiges Virus adäquat umzugehen“. Das Institut für Infektionsepidemiologie der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit existiert offiziell seit 1. Juli 2021 und wird von der Infektionsepidemiologin Daniela Schmid geleitet. Damit könne man die Aufgaben, die Covid-19 den Behörden und der Bevölkerung stellt, gut bewältigen und wäre bei neuartigen Krankheitserregern gerüstet.
Das neue Institut hat vier Abteilungen. Die Experten der Abteilung für Data Science und Modellierung füttern mit aktuellen Daten Computermodelle, um abzuklären, was auf die Österreicher zukommt, also welche Erreger in nächster Zeit relevant werden können, und wie sich Krankheiten ausbreiten. Die zweite Abteilung ist für die „Ausbruchsabklärung“ zuständig. Sie klärt bei gehäuftem Auftreten von Krankheitsfällen, um welche Erreger es sich jeweils handelt. Dadurch kann sie feststellen, ob es sich um einen potenziell gefährlichen Ausbruch handelt oder zufällig gleichzeitig auftretende Fälle mit unterschiedlichen Ursachen.
Abteilung Nummer drei, „Surveillance“, überwacht den Verlauf der Pandemie. Sie kümmert sich um das Monitoring und ermittelt, wie viele Menschen betroffen sind, wo sie sich angesteckt haben und wie schnell die Krankheitszahlen steigen oder sinken. Nicht weniger wichtig sei die Abteilung für Datenqualitätssicherung, meint Kickinger: „Am Anfang der Pandemie gab es ein regelrechtes Datenwirrwarr.“ Die verschiedenen Behörden hätten an das epidemiologische Meldesystem teils uneinheitliche Daten zu unterschiedlichsten Zeitpunkten geliefert.
Neue Mittel
Das Institut für Infektionsepidemiologie wurde durch Mittel aufgebaut, die wegen der Covid-19-Krise vom Bund zusätzlich bereitgestellt wurden, weil die Notwendigkeit erkannt wurde, so der kaufmännische AGES-Geschäftsführer Anton Reinl: „Jetzt geht es darum, ob wir dieses System längerfristig etablieren können.“ Aktuell wird das Institut zur Bewältigung der immer noch virulenten Pandemie gebraucht und steht deshalb außer Frage. „Spätestens im kommenden Jahr wird man sich dann aber entscheiden müssen, ob Österreich es sich in Zukunft leisten will, es weiterzuführen, um gegen neue Infektionskrankheiten besser gewappnet zu sein“, erklärte er. Er selbst zöge es vor, wenn man auf Prävention setzt und proaktiv auf Gefahren reagieren kann, anstatt jedes Mal nur schnell quasi einen Feuerlöscher hervorzuzaubern. Nachsatz: Ersteres wäre nur mit einer nachhaltigen Finanzierung möglich.
Außerdem sei es wichtig, die Expertise, die nun in Krisenzeiten aufgebaut wurde, im Land zu halten: „Wenn man Experten nicht die Möglichkeiten bietet, ihrer Arbeit bestmöglich nachzugehen, wandern sie ab. Ich bin überzeugt, dass manche Staaten in Europa auch nach der Covid-19-Pandemie viele Ressourcen in diesen Bereich hineinstecken, und ihnen dadurch ein attraktives Arbeitsumfeld bieten“, sagte Kickinger. Wenn dies hierzulande nicht der Fall ist, könnte die Alpenrepublik bei der nächsten Bedrohung nicht auf ausreichend Pandemie-erprobte Fachkräfte zurückgreifen.
Vorteilhafte Organisation
In der Covid-19-Krise sei es ein großer Vorteil gegenüber anderen Ländern gewesen, dass bei der AGES fast alle gesundheitsrelevanten Bereiche wie die Landwirtschaft, Veterinärmedizin, Humanmedizin, Arzneimittelzulassung, Lebensmittelprüfung und der Strahlenschutz unter einem Dach vereint sind, meint Kickinger: „Dadurch sind die Wege kurz, die Reibungsverluste zwischen unterschiedlichen Institutionen fallen weg, und es ist möglichst viel Kompetenz an einem Ort vereint“.
„Am Anfang war zum Beispiel die Analytik für viele Länder und Institutionen eine große Herausforderung“, erklärte er: Die Humanmediziner der AGES etablierten hingegen schon frühzeitig die nötige Methode, nämlich die sogenannten PCR-Tests, noch bevor der erste Fall in Österreich bekannt wurde. Weil sie jedoch nur über ein kleines Labor verfügen, um hochinfektiöse Erreger feststellen zu können, brauchten sie die Hilfe der Veterinärmediziner. Diese müssen allzeit auf die Schweinepest vorbereitet sein, wo ein hoher Probedurchlauf nötig ist, weil in vielen Ställen hunderte Tiere stehen, die dann getestet werden müssten. Deshalb hatten sie in ihren Hochsicherheitslabors an den Standorten in Mödling und Linz die Kapazität, gut 2.000 Proben am Tag auf SARS-CoV-2 zu untersuchen.
red, science.ORF.at/Agenturen