Endokrine Disruptoren greifen in das Hormonsystem von Lebewesen ein – oft mit weitreichenden Folgen über Generationen hinweg. Hier liest du, wo sie vorkommen und wie du sie vermeidest.
Endokrine Disruptoren: Störer für das Hormonsystem
Endokrine Disruptoren sind Stoffe, die das Hormonsystem von Menschen und Tieren beeinflussen können. Viele der Stoffe sind in künstlich hergestellten Substanzen enthalten und somit zunehmend Teil des modernen Lebens:
Chemikalien – Hormonell aktive Substanzen stecken größtenteils in Chemikalien. Sie sind meist ungeplant in den chemischen Verbindungen entstanden. Die WHO schätzt die Anzahl der verdächtigen Substanzen auf rund 800 Verbindungen.
Medikamente – Manche verwenden synthetische Hormone, wie beispielsweise Präparate zur Empfängnisverhütung.
Natur – Einige Pflanzen wie Soja, Rotklee oder Leinsamen bilden hormonähnliche Stoffe, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Ihre Phytoöstrogene wirken ähnlich wie das weibliche Hormon Östrogen. Sie stehen im Ruf, Beschwerden in den Wechseljahren zu lindern oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen – aber auch, die Menstruation zu verlängern.
Hormone agieren in Organismen als Botenstoffe. Sie entstehen in endokrinen Drüsen. Die Drüsen schütten bei Bedarf Hormone aus und schicken sie durch die Blutbahnen zu den jeweiligen Empfängerzellen. Das Medizinportal Netdoktor erklärt, dass Hormone bestimmte Vorgänge regeln, indem sie wie ein Ein- oder Ausschalter arbeiten. Das sind beispielsweise Vorgänge rund um das Wachstum, die Geschlechtsreife oder den weiblichen Zyklus. Hormone steuern außerdem den Wasser- oder Wärmehaushalt im Körper und den Stoffwechsel.
In solche Regelsysteme greifen endokrinen Disruptoren ein. Du kannst sie mit der Nahrung aufnehmen, sie einatmen oder sie gelangen durch die Haut in den Körper. Der Begriff bedeutet übrigens frei übersetzt so viel wie hormonelle Störer.
Bei endokrinen Disruptoren ist die Forschung ein Suchspiel
Soja enthält endokrin aktive Substanzen. (Foto: CC0/pixabay/bigfatcat)
Die Forschung beschäftigt die Frage, ob alle hormonell wirksamen Substanzen bei ihren Aktivitäten auch die Gesundheit gefährden. Einige der Substanzen sind erforscht, bei anderen führen oft widersprüchliche Ergebnisse zu immer wieder neuen Diskussionen in der Fachwelt.
Studien über hormonell aktiven Substanzen gestalten sich oftmals schwierig und sind langwierig. Teilweise ist es wie eine Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Die Schwierigkeiten beginnen schon damit, eine möglicherweise hormonell wirksame Substanz zu erkennen.
Die Deutsche Apothekerzeitung weist darauf hin, dass es sich um keine einheitliche Gruppe handelt, die charakteristische Merkmale besitzt.
Die European Food Safety Authority (EFSA) erklärt, dass bei einer hormonell aktiven Substanz zunächst zu erforschen ist, ob sie die Gesundheit überhaupt gefährdet. Beispielsweise wirken pflanzliche Phytoöstrogene auf das Hormonsystem, aber gefährden den Organismus weitestgehend nicht. Die EFSA erläutert, dass ein Organismus sich an bestimmte hormonelle Einwirkungen anpassen kann. Bei anderen Substanzen dagegen deuten Studien an, dass sie Schäden verursachen – dies sind die endokrinen Disruptoren in der Menge der hormonell aktiven Substanzen.
Die EFSA berichtet, dass gesundheitliche Schäden mitunter erst in nachfolgenden Generationen auftreten können. Auch, wenn der ursprüngliche endokrine Disruptor nicht mehr auszumachen ist. Welche Schäden auftreten können, erfährst du weiter unten.
Laut WHO wurden nur bei einem Buchteil der Substanzen die vermutete hormonelle Wirkungen wissenschaftlich untersucht. Die EFSA weist ebenfalls darauf hin, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu hormonell aktiven Substanzen noch nicht ausreichen, um die tatsächlichen Wirkungen vollständig abzuschätzen.
Diese Erkenntnisse gibt es schon zu endokrinen Disruptoren
Der Bestand des Weißkopfadlers war von endokrinen Disruptoren bedroht. (Foto: CC0/pixabay/rise-a-mui)
Einige endokrinen Disruptoren sind schon ausgemacht und gut erforscht. Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) nennt Beispiele:
Bisphenol A (BPA): Trinkflaschen, Getränke- oder Konservendosen können auf der Innenseite mit dem Kunststoff Epoxidharz beschichtet sein. Bei Thermopapier, zum Beispiel bei Kontoauszügen oder Kassenbons, gilt seit dem 01. Januar 2020 hierfür ein Verbot. Achte bei Spielzeugen oder Babyschnullern auf den Hinweis „BPA-frei“.
Weichmacher (Phthalate): Diese Gruppe von Substanzen kommt unter anderem in Lebensmittelverpackungen, Plastikspielzeug oder Lacken vor. Auch hier gelten schon Einschränkungen, vor allem für Kinderspielzeug.
Parabene sind Konservierungsstoffe in Kosmetika. Ihr Gebrauch ist umstritten. Studien zeigen in eine bedenkliche Richtung – die Parabene können sich im Körper anreichern und möglicherweise das Risiko für Brustkrebs erhöhen. Laut Stiftung Warentest gilt für zwei der Stoffe ein vorsorgliches Verbot in Produkten der Babypflege. Parabene erkennst du am INCI-Namen, die chemische Bezeichnung endet auf -parabene. Du kannst auch mit Apps wie Codecheck prüfen, ob bedenkliche Inhaltsstoffe enthalten sind.
Tenside (Nonylphenole) in Wasch- oder Reinigungsmitteln: Die Umweltorganisation BUND weist darauf hin, dass von einer östrogenen Wirkung auszugehen ist. Seit 1987 verzichtet die Waschmittelindustrie freiwillig auf Nonylphenole.
DDT: Das Insektizid greift in das weibliche Hormonsystem ein. Es führte fast zum Aussterben von einigen Vogelarten wie Kormoranen, Pelikanen oder Weißkopfadlern. Seit 1988 ist es überall in Deutschland sowie in den meisten Ländern der Welt verboten.
Dioxin: Die Stoffe in dieser Gruppe gehören zu den langlebigen organischen Substanzen und werden mit ihrem englischen Namen als POPs abgekürzt (Persistent Organic Pollutants). Das Umweltbundesamt erläutert, dass sie sich sehr langsam abbauen und so in der Umwelt ansammeln. Dadurch gefährden sie über einen langen Zeitraum die Gesundheit und ganze Ökosysteme.
Laut BUND ist bei weiteren Chemikalien von einer Wirkung auf die Hormone auszugehen, zum Beispiel auch bei Polychlorierten Biphenylen (PCB), die heute noch als Altlast in geschlossenen Hydrauliksystemen vorkommen können. Auch Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) können endokrine Disruptoren enthalten; sie sind Stoffe, die durch die Verbrennung von Holz oder Kohle entstehen. Weiter stehen noch verschiedene Verbindungen, die in Pflanzenschutzmitteln Verwendung finden, auf der Liste der verdächtigen Stoffe.
Endokrine Disruptoren: Mögliche Schäden
Endokrine Disruptoren können auch in Medikamenten enthalten sein. (Foto: CC0/pixabay/Pexels)
Endokrine Disruptoren gelangen zum Beispiel mit dem Hausmüll, in Mikroplastik oder dem Abwasser in die Umwelt. Die WHO berichtet, dass sich die bedenklichen Stoffe über die Ozeane, die Luftströmungen oder einfach mit dem globalen Handel weltweit ausbreiten.
Mit Sorge beobachtet die Organisation, dass sich damit auch Erkrankungen ausbreiten, die mit endokrinen Disruptoren in Zusammenhang zu bringen sind. Sie sieht diese Entwicklung indirekt als Beweis für die Gefahr der Substanzen. Zu den Erkrankungen gehören:
Psychosomatische Störungen – die zum Beispiel durch eine fehlgesteuerte Schilddrüse ausgelöst sind
Diabetes
Krankhafte Fettleibigkeit
Endokrine Disruptoren, die auf die Geschlechtshormone wirken, können den Erhalt des Lebens gefährden. Die WHO betont, dass ein ungestörtes Hormonsystem für Mensch und Tiere die Voraussetzung dafür ist, um sich fortzupflanzen und Kinder zu bekommen. Der Mensch könnte somit durch endokrine Disruptoren sich selbst und die Artenvielfalt der Erde gefährden.
Zeugungsfähigkeit – Laut WHO sind in einigen Ländern bis zu 40 Prozent der Männer nur noch bedingt zeugungsfähig. Die Organisation berichtet auch von Missbildungen bei den männlichen Genitalien.
Fehlentwicklungen schon vor der Geburt – Das BfR erläutert, dass die endokrinen Disruptoren schon vor der Geburt im Mutterleib auf das Kind einwirken können. Das führt zu Frühgeburten oder einem Geburtsgewicht unter dem Mittelwert.
Pubertät – Endokrine Disruptoren können die natürliche Entwicklung der Kinder stören. Auch hier kann der Kontakt mit den Substanzen lange zurückliegen, zum Beispiel durch Spielzeug im Kleinkindalter oder vor der Geburt durch die Mutter.
Krebs – Die hormonellen Substanzen stehen im Verdacht, Brust- und Prostatakrebs zu begünstigen.
Endokrine Disruptoren: Östrogene in der Umwelt
Endokrine Disruptoren stören das Hormonsystem von Robben. (Foto: CC0/pixabay/petraboekhoff)
Neben Chemikalien, die zu endokrinen Disruptoren zählen, gelangen auch echte Hormone in die Umwelt. Dabei handelt es sich größtenteils um weibliche oder männliche Geschlechtshormone. Der BUND erläutert, dass sich im Abwasser hormonelle Rückstände messen lassen, zum Beispiel vom weiblichen Hormon Östrogen.
Das kann zum einen das körpereigene Östrogen sein oder Rückstände von künstlichem Östrogen, die sich im Urin finden. Beispielsweise stammt künstliches Östrogen aus Hormonpräparaten wie der Antibabypille oder aus Medikamenten, die Beschwerden während der Menopause lindern.
Über die Toilettenspülung nehmen all diese hormonellen Disruptoren ihren Weg in die Gewässer. Der BUND erklärt, dass Kläranlagen solche Stoffe in der Regel nicht filtern können. Sie gelangen daher in Gewässer wie Seen oder Teiche. Oftmals reichen schon wenig Mikrogramm der endokrinen Disruptoren aus, um die Entwicklung von Fische oder Amphibien zu stören. Durch die Wassertiere gelangen die Stoffe auch in die Nahrungskette. Einige Beispiele:
Weibliche Geschlechtsanlagen bei männlichen Fischen – Eine britische Studie untersuchte die Fische in der Nähe von Kläranlagen. Bei männlichen Forellen fanden sie vermehrt abnormale Ausbildungen, die eigentlich der Eiablage dienen. Ihre Schlussfolgerung: Die im Abwasser der Kläranlage nachgewiesenen Östrogenrückstände führen zu der Verweiblichung der Forellen.
Gestörter Kalkstoffwechsel bei Greifvögeln – Eine Studie belegt, dass erst das Verbot von DDT in den USA den Weißkopfadler vor dem Aussterben rettete. Das Pestizid DDT besitzt eine östrogenartige Wirkung. Durch den Regen gelangte die Chemikalie ins Wasser und zu Kleintieren, die Beute der Greifvögel. Bei den Vögeln bewirkten die hormonellen Substanzen eine unnatürlich dünne Eierschale, sodass die Eier häufig zerbrachen und nicht ausgebrütet werden konnten.
Fortpflanzung bei Robben – PCB war lange Zeit in Kühlflüssigkeiten Gebrauch und greift noch immer in das Östrogensystem ein. Eine Studie sieht in dem endokrinen Disruptor neben anderen Umweltwirkungen den Grund für die verminderte Fortpflanzungsfähigkeit bei Robben.
So kannst du endokrinen Disruptoren aus dem Weg gehen
Putzmittel können endokine Disruptoren enthalten. (Foto: CC0/pixabay/fotoblend)
Indem du mögliche endokrine Disruptoren meidest, schützt du deine Gesundheit und tust auch der Umwelt etwas Gutes. Dazu musst du bei Produkten, die solche Substanzen enthalten könnten, genau auf die Liste der Inhaltsstoffe schauen oder ganz auf natürliche Materialien setzen.
Vermeide Plastik im Haushalt, wenn das möglich ist und besonders, wenn es mit Lebensmitteln in Berührung kommt:
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Achte bei Kinderspielzeug oder Babyartikel auf Umweltsiegel und Biomarken:
Mit diesen Tipps findest du faire und gesunde Spielwaren.
Der BUND rät, sich zum Beispiel an GS-Siegel oder dem Blauen Engel zu orientieren. Kannst du dem Plastik nicht ganz ausweichen, sollte auf jeden Fall „BPA-frei“ oder „phthalatfrei“ auf den Produkten stehen.
Bei Kosmetik bist du mit Marken der Naturkosmetik gut beraten.
Bei zertifizierter Naturkosmetik gelangen nur natürliche Inhaltsstoffe in die Produkte, wie beispielsweise bei den mit BDIH oder Natrue ausgezeichneten Produkten.
Viele Marken der Naturkosmetik sind auch vegan.
Bei Reinigungsmitteln ist weniger oft mehr:
Einen biologisch abbaubaren Allzweckreiniger kannst du schnell selbst herstellen. Damit ersetzt du viele chemische Spezialputzmittel.
Schmierseife eignet sich gut für Böden, Bäder oder bei hartnäckigen Flecken in der Wäsche.
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Schlagwörter: Gesundheit Gewusst wie umwelt
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