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Cork – Irische Forscher haben ältere Mäuse mit den Darmbakterien von jungen Tieren gefüttert. Die Stuhltransplantation hat sich nach ihrem Bericht in Nature Aging (2021; DOI: 10.1038/s43587-021-00093-9) günstig auf das Immunsystem ausgewirkt und den Stoffwechsel im Hippocampus „verjüngt“. Die Tiere fanden sich in einem Labyrinth schneller zurecht, was auf bessere kognitive Leistungen hindeutet.
Die Verbindung zwischen Darm und Gehirn beschäftigt die Forschung, seit der russische Physiologe Ivan Pavlov zeigen konnte, dass der Anblick des Futters bei Hunden die Produktion der Verdauungssäfte aktiviert. Seit einigen Jahren mehren sich die Hinweise, dass auch die Verdauungsaktivität im Darm das Gehirn beeinflussen kann. So machte die kanadische Hirnforscherin Jane Foster 2006 die Beobachtung, dass keimfrei aufgewachsene Mäuse, die deshalb keine Darmbakterien haben, weniger ängstlich sind als ihre Artgenossen. Keine Fachzeitschrift wollte ihre Ergebnisse veröffentlichen.
Inzwischen beschäftigt sich eine ganze Forschungsrichtung mit den Auswirkungen der Darmflora auf das Gehirn. Darmbakterien könnten die multiple Sklerose oder die amyotrophe Lateralsklerose beeinflussen, oder (über den Abbau von L-Dopa) die Behandlung des Morbus Parkinson erschweren oder die Bildung von Kavernen im Gehirn fördern, um nur einige Beispiele zu nennen.
Auch ein Bericht von James Parkinson aus den Jahr 1817, nach dem sich die Schüttellähmung einer seiner Patienten nach einer Behandlung mit Laxanzien gebessert hat, wird inzwischen von der Forschung ernstgenommen (wegen fehlender Evidenz aber noch nicht von den Leitlinien empfohlen).
Fest steht, dass die Darmflora den Stoffwechsel des Menschen beeinflusst. Etwa die Hälfte aller kleinen Moleküle im Blut werden entweder von den Darmbakterien hergestellt oder verändert, ist der Immunologe Eran Elinav vom Weizmann Institute of Science in Rehovot überzeugt.
Tierexperimente und auch erste klinische Studien deuten darauf hin, dass eine Modifikation der Darmflora nicht nur Darmerkrankungen lindern, sondern möglicherweise auch andere systemische Erkrankungen beeinflussen kann. Das Instrument ist häufig eine Stuhltransplantation, bei der Tieren oder Patienten die Darmflora eines anderen Tieres oder eines gesunden Menschen übertragen wird.
Der irische Forscher John Cryan, der an der Universität Cork ein Labor zur Mikrobiomforschung betreibt, hat jetzt an einem Experiment an Mäusen untersucht, ob die Behandlung Alterungsvorgänge im Gehirn beeinflussen kann. Der Forscher nahm Kotproben von 3 bis 4 Monate alten Mäusen – dies entspricht beim Menschen dem frühen Erwachsenenalter – und mischte sie über 8 Wochen dem Futter von Tieren zu, die mit 20 Monaten ein für Mäuse hohes Alter erreicht hatten.
Die Behandlung veränderte ähnlich wie eine Stuhltransplantation die Zusammensetzung der Darmflora. Eine „Verjüngung“ erkannte Cryan vor allem an der Zunahme von Enterococcus, die bei jungen Tieren die Darmflora dominieren.
Nicht nur der Darm veränderte sich. Es gab auch Auswirkungen auf das Immunsystem und das Gehirn. Im Hippocampus, der für die Speicherung von Gedächtnisinhalten zuständig ist, beobachtete Cryan eine Umgestaltung des Stoffwechsels (Metabolom) und eine veränderte Aktivierung von Genen (Transkriptom).
zum Thema
Abstract der Studie in Nature Aging
Pressemitteilung der Universität Cork
Hintergrund in Nature
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Stuhltransplantation
macht Ratten anfällig für Depressionen
Wie Darmbakterien
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Darmbakterien
können Entstehung von Multipler Sklerose beeinflussen
Die Stuhltransplantation scheint hier die Leistungsfähigkeit gesteigert zu haben, was sich auch in Gedächtnistests bemerkbar machte. Die alten Mäuse mit dem jungen Mikrobiom lernten schneller, sich in einem Labyrinth zurechtzufinden, und sie konnten sich am nächsten Tag auch häufiger an den kürzesten Weg erinnern.
Ob eine solche Stuhltransplantation auch beim Menschen wirksam wäre, lässt sich nicht vorhersagen. Mensch und Maus sind möglicherweise zu unterschiedlich. Auch in anderen Bereichen haben die Ideen der Altersforscher den Sprung in die klinische Anwendung nicht geschafft. Weder Bluttransfusionen noch Stammzelltherapien haben bisher beim Menschen Alterungsprozesse aufhalten, geschweige denn umkehren können. Es bleibt abzuwarten, ob es hier bei der Stuhltransplantation zu klinischen Studien kommt.
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