Vegan leben: Vegane Tätowiererin spricht von Diskriminierung in der Szene

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Vegan leben: Vegane Tätowiererin spricht von Diskriminierung in der Szene

Veganes Tätowieren ist gar nicht so schwierig – die meisten Farben sind es ohnehin. (Symbolbild)

Bild: Digital Vision / 10'000 Hours

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Vegane Tätowiererin spricht von Diskriminierung in der Szene: "Ich habe viele Vorurteile gespürt"

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Für Patricia Stumpp, die von allen kurz "Peshy" genannt wird, werden Nachhaltigkeit und Veganismus großgeschrieben – im Privaten wie auch im Geschäftlichen. Deshalb hat sie das erste vegane Tattoostudio in München eröffnet und engagiert sich seit Jahren für Umweltschutz und soziale Themen.

Im Interview mit watson erzählt sie davon, vor welche Herausforderungen die Tattooszene sie als junge Frau gestellt hat und welche Veränderungen sie derzeit in der Branche erkennt: Es geht um vegane Tattoofarben, Nachhaltigkeit, Sexismus und die neue Generation von Tätowiererinnen und Tätowierern.

watson: Du betreibst mit "Hola Papaya Tattoo" das erste nachhaltige Tattoostudio in München. Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich persönlich? Es ist ja ein ziemlich breit gefasster Begriff.

Jenseits von einer offiziellen Definition bedeutet es für mich von Herzen: Der Planet ist wunderschön und es ist traurig, wie wir Menschen ihn kaputt machen. Deswegen möchte ich klimaneutral sein oder im Optimalfall sogar einen positiven Beitrag fürs Klima leisten.

Wie ist das Thema für dich wichtig geworden?

Ich bin sehr viel herumgereist, besonders im Amazonas. Zudem habe ich Anthropologie mit Schwerpunkt Entwicklungshilfe studiert. Die Frage, wie man den Amazonas und die Kulturen vor Ort schützen kann, war für mich immer präsent. Die Zeit damals hat mir auch gezeigt, wie sehr Deutschland eine Wegwerfgesellschaft ist. Wenn eine Hose ein Loch hat, wird sie einfach weggeworfen. Erst wenn man mit ärmeren Menschen zusammenlebt, merkt man, wie wichtig das Wiederverwenden und Wertschätzen von Produkten ist. Das war sehr lehrreich für mich.

Und wie bist du dann Tätowiererin geworden?

Anstatt mich in der Entwicklungszusammenarbeit zu betätigen, wollte ich dann lieber mein eigenes Geschäft eröffnen und damit etwas bewegen. Ich wollte tätowieren und dabei meine Werte vertreten.

"Wenn ich vor ein paar Jahren nach einem veganen Tattoostudio gesucht hätte, dem Nachhaltigkeit wichtig ist, hätte ich in Deutschland vielleicht eine Handvoll gefunden."

In deinem Studio tätowierst du ausschließlich vegan – war das schon immer so?

Ja, seitdem ich mein eigenes Geschäft habe, tätowiere ich vegan. Während meiner Ausbildung war das allerdings überhaupt nicht relevant. Wenn ich vor ein paar Jahren nach einem veganen Tattoostudio gesucht hätte, dem Nachhaltigkeit wichtig ist, hätte ich in Deutschland vielleicht eine Handvoll gefunden.

Also ist es gerade im Trend, das vegane und nachhaltige Tätowieren?

Ja, auf jeden Fall. Aber alteingesessene Tätowiererinnen und Tätowierer haben oft ein sehr großes Ego und kommen nicht weg von ihren herkömmlichen Tattooprodukten à la: "Das haben wir schon immer so gemacht, das ist gut so". Das geht sicher auch einher mit dem Künstlerdasein. Viele denken einfach, sie machen gute Tattoos und der Rest ist ihnen egal. Vonseiten der Tätowiererinnen und Tätowierer verläuft der Wandel ein bisschen langsam.

Das heißt, vegane oder nachhaltige Tattoos werden eher von den Kunden gefordert?

Ja, sie werden immer sensibler, was Nachhaltigkeit und vegane Produkte angeht. Wenn sich die Anfragen häufen, sind natürlich auch herkömmliche Studios gezwungen, umzudenken. Ich hoffe, dass es irgendwann ganz normal ist, dass Tattoostudios auf Nachhaltigkeit achten und vegan tätowieren.

Haben vegane Tattoos die gleiche Qualität wie herkömmliche Tattoos?

Meiner Meinung nach gibt es keinen Qualitätsverlust, denn das Handwerk bleibt ja das gleiche, es geht lediglich um die Farbe. Und die meisten Tattoofarben sind mittlerweile sowieso vegan. Falls es mal einen ganz bestimmten Farbton nicht in einer veganen Variante gibt, kann man ihn durch eine andere vegane Farbe ersetzen – der Unterschied wäre so gering, dass er nur einem Profi auffallen würde.

Was könnte denn an Tattoofarbe nicht vegan sein?

Manche Tattoofarben enthalten Spuren von Tierknochen – zumindest war das früher so. Spannend finde ich, dass der vegane Einkauf mit der Zeit wesentlich leichter geworden ist.

Inwiefern?

Früher habe ich Hersteller öfter per Mail kontaktiert und gefragt, ob sie vegane Tattoofarben haben. Mittlerweile kann ich auf vielen Websites den Filter "vegan" setzen und dann werden mir direkt ausschließlich vegane Farben angezeigt. Allerdings gibt es auch andere Tätowier-Utensilien, die nicht vegan sein können.

Welche wären das?

In der Regel werden bei jeder Tätowierung Einwegrasierer verwendet, weil die entsprechende Körperstelle enthaart werden muss. Einige Einwegrasierer haben allerdings Trägermaterialien, die mitunter aus tierischen Fetten hergestellt werden. Wir wollen die Verwendung der Rasierer vermeiden und bitten daher unsere Kundinnen und Kunden darum, sich vor dem Tattoo-Besuch zu rasieren. Auch das Matritzenpapier, das man zum Erstellen der Tattoo-Vorlage verwendet, ist meistens nicht vegan, denn es enthält Gelatine – solches verwenden wir natürlich nicht. Und bei Reinigungsmitteln und Cremes achten wir auch auf die Inhaltsstoffe.

Gibt es wiederverwendbare Alternativen zu den Einwegprodukten, die beim Tätowieren genutzt werden?

Zum Beispiel die Farbkappen oder die Unterlagen, auf denen wir unsere Utensilien ablegen, müssen steril sein, deswegen werden sie nur einmal verwendet. Es gibt ein paar Leute, die extrem auf Nachhaltigkeit achten und wiederverwendbare Nadeln und Tips benutzen. Das kann man natürlich machen, aber die müssen dann sehr penibel gereinigt und mit einer Maschine sterilisiert werden. Dabei geht mir persönlich das entspannte Gewissen vor. Ich brauche die Gewissheit, dass sich in meinem Studio unter keinen Umständen jemand infizieren kann.

Demnach sind es vor allem die hohen Hygienestandards, die der Nachhaltigkeit "im Weg stehen"?

Es geht um die Übertragung von Krankheiten. Man trägt eine sehr hohe Verantwortung. Ich bewundere es, wenn Studios Produkte wiederverwenden, aber für mich persönlich ist das Risiko zu hoch. Allerdings hat sich auch bei den Nadeln in den vergangenen Jahren etwas verändert.

Und zwar was?

Früher wurde eine lange Nadel verwendet mit einem großen Tube vorne dran und jetzt gibt es Nadeln, die ein Drittel kleiner sind und Tubes, die schätzungsweise nur noch ein Achtel des Plastiks beinhalten. Also da wurde bereits ein Schritt in die richtige Richtung gegangen.

Ihr verwendet im Studio Produkte der Marke Ecotat. Was ist an den Produkten nachhaltiger als an herkömmlichen Tattoo-Utensilien?

Bereits bei der Herstellung werden 60 Prozent der üblicherweise entstehenden Treibhausgase eingespart und die Produkte bestehen aus kompostierbarem und biologisch abbaubarem Bioplastik.

"Wir stehen hundert Prozent hinter der Idee und wollen vegane, nachhaltige Tattoos zu normalen Preisen anbieten."

Sind sie deswegen teurer?

Ja, schon. Aber für die Kundinnen und Kunden macht es im finalen Preis keinen Unterschied und auch für uns im Team bleibt am Ende noch genug übrig. Wir stehen hundert Prozent hinter der Idee und wollen vegane, nachhaltige Tattoos zu normalen Preisen anbieten.

Du hast sicher eigene Tattoos auf deinem Körper, sind die auch vegan?

Nein, tatsächlich nicht. Ich habe nur drei Tätowierungen, anders als die meisten Tätowiererinnen und Tätowierer, die von Kopf bis Fuß tätowiert sind. Ein Tattoo habe ich mir selbst gestochen – das ist vegan. Außerdem habe ich noch zwei von meinen Lehrern, die sind nicht vegan, denn damals gab es oft keine veganen Alternativen.

Ich habe mal gehört, dass Tätowiererinnen und Tätowierer das Stechen auf Schweinehaut üben, stimmt das?

Ja, das wird tatsächlich noch gemacht. Es gibt auch einige, die das ziemlich vehement propagieren. Als ich auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle in München war, wurde mir in mehreren Studios gesagt: "Wenn du ein Problem damit hast, auf Schweinehaut zu tätowieren, dann brauchst du bei uns nicht anzufangen." Ich habe viele Vorurteile gespürt. Die Chefs dachten sich: "Du bist eine Frau, du bist jung, du bist kaum tätowiert." Ich habe da grundsätzlich nicht in das Klischee reingepasst und viele wollten mir Hürden in den Weg setzen.

"Das ist ein generelles Problem der Szene: Sie ist sehr konservativ."

Gibt es denn Alternativen zur Schweinehaut?

Ja, die bestehen aus Kunststoff. Und das erste Mal einen Menschen zu tätowieren ist sowieso eine völlig neuartige Erfahrung – egal ob man vorher auf Kunststoff oder Schweinehaut geübt hat. Das ist ein generelles Problem der Szene: Sie ist sehr konservativ. Umdenken wird dort nicht so gerne gesehen. Man trifft nicht selten auf taube Ohren und manchmal schlichtweg auf Unverständnis.

Hattest du als Frau Schwierigkeiten dabei, das Studio zu eröffnen?

Das nicht so sehr, aber ich hatte große Probleme damit, einen Praktikumsplatz bzw. eine Ausbildungsstelle zu finden. Deswegen bin ich letztlich nach Lateinamerika gegangen, weil es dort entspannter war. Hier in Deutschland war die Resonanz wirklich horrend. Ich habe mich mit meiner Kunstmappe bei etwa zehn Studios beworben. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon einige Freunde tätowiert und konnte sehr gute Zeichnungen vorweisen. Trotzdem wurden mir nur Praktikumsplätze angeboten, bei denen ich den Tätowierern Kaffee kochen oder ans Telefon gehen sollte – das war extrem frauenfeindlich.

"Ein Tätowierer hat mich abgewiesen, weil er die Motive in meiner Mappe zu lebensbejahend fand – ihm fehlte ein Totenkopf darin."

Also ist die Tattoo-Szene nicht so liberal, wie sie nach außen wirkt?

Überhaupt nicht! Ich bin froh, dass ich relativ spät mit dem Tätowieren angefangen habe, denn wäre ich jünger gewesen, hätte ich mich von meinem Traum abbringen lassen, weil die Resonanz so schlimm war. Ein Tätowierer hat mich abgewiesen, weil er die Motive in meiner Mappe zu lebensbejahend fand – ihm fehlte ein Totenkopf darin.

Hat das deine Erwartungen enttäuscht?

Als ich damals losgegangen bin mit meiner Mappe, hielt ich die Tattoo-Szene für eine kunterbunte Branche, in der jeder sein und machen könnte, was er will. Stattdessen habe ich beispielsweise erlebt, wie eine Kundin in einem Münchner Studio hinausgeworfen wurde, weil sie drei kleine Sterne tätowiert bekommen wollte und dem Tätowierer das Motiv nicht passte. Er war ein alteingesessener Münchner Tätowierer, sie ein junges Mädchen ohne Tattoos und sie wurde überhaupt nicht respektiert.

Weshalb ist es für junge Frauen so schwer in der Branche?

Die älteren Tätowierer erkennen, dass eine neue Generation heranwächst mit anderen Ansätzen – viele haben Kunst studiert und sind generell sehr stark an Kunst, aber eben auch an Nachhaltigkeit interessiert. Die junge Generation ist auch viel kommunikativer, hat Lust auf guten Kundenservice und vertritt bestimmte Werte.Vegan leben: Vegane Tätowiererin spricht von Diskriminierung in der Szene

"Ein Tätowierer hat sich darüber lustig gemacht, dass ich ein Motiv im Watercolour-Stil haben wollte. Er fand, das Tattoo sei zu 'girly'."

Wie empfindet das die ältere Generation von Tätowierern?

Die Alteingesessenen fühlen sich überrannt von den neuen Studios, die überall gerade eröffnen. Sie wollen keine Veränderungen – sondern dass alles so bleibt, wie es früher mal war. Das betrifft auch den Stil: beispielsweise hat sich ein Tätowierer darüber lustig gemacht, dass ich ein Motiv im Watercolour-Stil haben wollte. Er fand, das Tattoo sei zu "girly".

Gibt es für dich Tattoos, die du dich weigern würdest, zu stechen?

Alles, was politisch rechts ist, geht natürlich gar nicht. Mein Team ist sehr vorsichtig, wir wollen nur Motive stechen, die mit unseren Werten nicht kollidieren. Glücklicherweise haben die Kunden, die zu uns kommen, immer tolle Ideen und es ist leicht, ihnen etwas Schönes zu stechen.

Mit deinem Tattoostudio förderst du verschiedene Umwelt- und Sozialprojekte, hast beispielsweise Workshops zum Thema Nachhaltigkeit gegeben und Spenden für Greenpeace und Sea Shepherd gesammelt – hast du schon konkrete Pläne für die Zukunft? Organisationen, die du unterstützen oder Projekte, die du realisieren willst?

Wir spenden grundsätzlich einen Euro pro Tätowierung am Ende des Jahres und befragen diesbezüglich immer unsere Social Media Follower, an welche Initiative das Geld gehen soll. Ich habe schon ein paar Projekte, die mir persönlich am Herzen liegen und stelle dann ein paar zur Auswahl. Genauso machen wir es auch mit unserem Aktionstag. Wir tätowieren an diesem Tag komplett gratis und die eingenommenen Spenden gehen zu 100 Prozent an eine bestimmte Organisation, die die Kunden bestimmen. Das sind nicht nur Umweltprojekte, manchmal ist es auch etwas im Bereich Bildung und das Thema Mental Health interessiert mich auch sehr.

Wieso ist es dir so wichtig, mit deinem Studio einen sozialen Beitrag zu leisten?

Ich finde, das sollte jeder mit einem eigenen Unternehmen machen. Denn man kann etwas Gutes aus der eigenen Kunst machen. Noch vor ein paar Jahren steckte ich mitten in einer Quarterlife-Crisis. Ich hatte studiert, wusste aber nicht so recht, was ich machen will. Ich habe dann überlegt, welchen Beruf ich ausüben kann, bei dem ich alle meine Fähigkeiten und Werte leben kann. Dadurch, dass ich beim Tätowieren künstlerisch kreativ werden und auf Nachhaltigkeit achten kann, und darüber hinaus für die Projekte Geld sammele, die mir am Herzen liegen, ist jeder Bereich, der mir wichtig ist, abgedeckt.

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