Von Julia Lauer
Heidelberg. Am Heidelberger "Institute of Global Health" der Medizinischen Fakultät beschäftigt sich Professor Till Bärnighausen mit der globalen Dimension von Gesundheitsproblemen – und mit Maßnahmen, die die Gesundheit schützen. Ein Gespräch im Rahmen der Interviewserie "Medizin am Abend".
Zu Ihren Themen gehören globale Gesundheit und Klimawandel. Hat sich die Erderwärmung denn auch auf die Corona-Pandemie ausgewirkt, Professor Bärnighausen?
Das ist ein spannendes Thema. Wir sehen, dass eine gewisse Abhängigkeit von klimatischen Bedingungen besteht. In Ländern, in denen es heißer ist, die Luftfeuchtigkeit niedriger und Luftgeschwindigkeit und UV-Strahlung höher sind, sind die Corona-Infektionen auf die Zahl der Einwohner bezogen niedriger. Das haben wir an unserem Institut untersucht. Im Sommer könnte bei uns aufgrund klimatischer Faktoren die Corona-Übertragung etwas reduziert werden – diese Effekte sind aber nicht so stark, dass sie alleine weitere pandemische Wellen verhindern.
Potsdamer Wissenschaftler haben argumentiert, der Klimawandel habe dichte Laubwälder und damit den Lebensraum der Fledermäuse, von denen Corona wohl stammt, überhaupt erst hervorgebracht. Halten Sie das für plausibel?
Das ist ein ganz anderer Zusammenhang zum Klimawandel als in unserer Studie, aber ich halte ihn für absolut plausibel. Der Klimawandel hat oft indirekte Auswirkungen auf Gesundheit und Krankheit. Sie sind oft schwer zu ermitteln, können aber trotzdem sehr bedeutend sein. Der Klimawandel bewirkt vielerorts, dass Lebensräume eingeschränkt werden, dass Tiere und Menschen enger zusammenrücken. Zoonosen, also Infektionskrankheiten, die von Tieren auf Menschen und von Menschen auf Tiere übertragen werden, breiten sich dann leichter aus. Und das Überspringen von Tierviren auf den Menschen ist ja die Ursache der Covid-19- wie auch der HIV-Pandemie.
In Spanien und Griechenland hat es vereinzelte Fälle von Malaria gegeben. Und die Asiatische Tigermücke, die Zika oder das Dengue-Fieber überträgt, wurde auch schon in Heidelberg gesichtet. Was steht uns bevor?
Viele Arten von Insekten, die Krankheiten übertragen, vermehren sich bei steigenden Temperaturen besser. Bei diesen Beispielen handelt es sich bisher um Einzelfälle. Fast alle der Malaria-Fälle in der EU wurden auf Reisen in andere Länder erworben. Der Malaria-Erreger, das Plasmodium, kann sich bei den tiefen Temperaturen im Winter in Deutschland nicht in den Moskitos weiterentwickeln. Das ist ein Grund, warum es am Altrhein keine Malaria gibt. Die zunehmende Klimaerwärmung erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass die Malaria auch in Europa wieder endemisch werden könnte.
Bisher treten die meisten Infektionskrankheiten in Afrika auf. Auch die Last anderer Erkrankungen ist in Afrika viel höher als bei uns. Müssen wir uns wegen des Klimawandels auf ähnliche Verhältnisse einstellen?
Sicher nicht im selben Ausmaß. Die hohen Krankheitslasten, denen viele afrikanische Bevölkerungen ausgesetzt sind, haben viele unterschiedliche Ursachen. Was die Änderungen durch den Klimawandel angeht, sind die Hauptleidenden leider auch die Menschen im globalen Süden, während wir im globalen Norden den Klimawandel ja hauptsächlich verursachen. Todesfälle durch extreme Hitze treten besonders dort durch Klimawandel vermehrt auf, wo die Durchschnittstemperaturen schon sehr hoch sind, wie zum Beispiel in der Sahel-Zone. Es ist auch wahrscheinlich, dass der Klimawandel die Kindersterblichkeit in Afrika erhöhen wird, zum Beispiel indem Lungenentzündungen und Durchfall weiter zunehmen.
Sie sind beruflich auch oft in Afrika. Was machen Sie dort?
In Burkina Faso untersuchen wir zum Beispiel, wie sich ein sogenanntes "Cool Roof" auswirkt. Das bedeutet, dass man einen Film auf die Dächer der Hütten und Häuser aufträgt, in denen die Temperaturen oft 40 Grad Celsius übersteigen. Diesen Film, der die Strahlung tagsüber reflektiert und nachts gespeichert Hitze ausstrahlt, gibt es schon. Wir hoffen hier die Temperaturen im Inneren der Hütten um einige Grad kühlen zu können. Was noch fehlt, sind gesicherte Erkenntnisse, dass und wie es wirkt. Wir beobachten zu diesem Zweck in einer kontrollierten randomisierten Studie 600 Häuser und messen viele physiologische Parameter und auch das Verhalten der Menschen, etwa den Schweiß und die Schulleistung bei Kindern. Wir untersuchen auch, wie sich die Mücken verhalten.
Sie beschäftigen sich auch mit Frühwarnsystemen. Wem helfen sie?
Den Menschen weltweit. Das ist der Vorteil der Digitalisierung: dass sie sich überall nutzen lässt. Denn wir wissen, wie sich diese Insekten ausbreiten und welche Klimafaktoren Einfluss auf sie haben. Es gibt auch schon Apps, die vor mehreren Krankheiten warnen. Man sieht dann auf Karten, welche Krankheit wo auftritt, welche Gebiete man zu bestimmten Jahres- und Uhrzeiten vielleicht besser meidet. Wir testen diese Apps im Hinblick auf ihre wissenschaftliche Validität und Zuverlässigkeit und auch darauf, wie gut sie benutzt werden können. Digitale Maßnahmen können auch in vielen der ärmsten Gegenden der Welt Wirkung entfalten. Natürlich bleiben ein paar zurück, die keine Smartphones haben. Aber insgesamt ist die Digitalisierung eine Riesenchance.
Wir haben über Erderwärmung gesprochen. Aber werden auch Wetterextreme zum gesundheitlichen Problem?
Davon ist auszugehen. Ein Beispiel ist die Hitzewelle in Frankreich im Jahr 2003, die mehrere tausend Menschen das Leben gekostet hat. Diese Todesfälle wären zu einem großen Teil vermeidbar gewesen, wenn Menschen sich besser hätten schützen können und wenn das französische Gesundheitssystem in diesen Tagen größere Kapazitäten gehabt hätte, Menschen mit akuten Hitzeerkrankungen zu behandeln.
Info: Hier gibt es einen vertiefenden Podcast mit Till Bärnighausen.