Nadia Meier eröffnet mit diesem Text unsere vierteilige Ernährungsserie. Morgen nennt Ernährungsexpertin Marianne Botta die häufigsten Fehler am Familientisch und gibt Lösungsvorschläge. Danach geht Gabriela Braun der «Generation Körperwahn» auf den Grund. Am Donnerstag teilen unsere Mamabloggerinnen und -blogger schliesslich ihre liebsten Familienrezepte – und hoffen, Sie tun das auch. Beste Grüsse, die Redaktion.
Gefährlich oder gesund? Veganer ernähren sich rein pflanzlich und komplett Minipic-frei. (iStock)
In meinem Umfeld lassen sich die Vegetarier – oder besser gesagt Vegetarierinnen – an einer Hand abzählen. Umso interessierter war ich, als ich im Zug eine vegane Mutter traf. Das war so: Meine Kinder knabberten gerade Minipics, als das Mädchen im Abteil nebenan, ich denke sie war etwa vier Jahre alt, sagte: «Gäll, Mami, Würstli sind aus toten Säuli gemacht.» Meine Tochter sagte: «Genau!», und machte ein Grunzgeräusch. Ich kam mit der Mutter ins Gespräch und erfuhr, dass sie Veganerin sei, die Kinder Vegetarier, der Mann Flexitarier – immer am Sonntag esse er, «eben leider», Fleisch.
Ihr Mann sei dagegen, die Kinder vegan zu ernähren. Sobald sie in der Oberstufe seien, wolle man sie aber frei wählen lassen. Sie hoffe, sagte die Veganerin, dass ihre Kinder dann für immer Nein sagen würden zu «giftigem Zeug» wie Joghurt, Würstli und Caramelbonbons.
Sind Spaghetti Bolognese böse?
Sind Milchprodukte für Kinder giftig? Macht Fleisch krank? Oder ist vielmehr eine rein pflanzliche Ernährung gesundheitsgefährdend für Kinder? Ja, findet die italienische Oppositionspartei Forza Italia. Eltern, die ihre Kinder vegan ernähren, sollen mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden. Dies deshalb, weil Veganismus eine radikale Ernährungsform sei, welche die gesunde körperliche und geistige Entwicklung der Kinder gefährden würde. Ob es jetzt Sinn macht, den armen, mangelernährten Kindern nicht nur die Lasagne, sondern auch gleich die Eltern wegzunehmen, wage ich zu bezweifeln.
Anders als in Italien ist in der Schweiz kein Gesetz geplant, das Eltern von vegan ernährten Kindern bestrafen will. Aber auch bei uns gilt die UNO-Kinderrechtskonvention. Dort ist unter anderem festgehalten, dass jedes Kind ein Recht auf Gesundheit und eine optimale Entwicklung hat. Zudem hat das Kind ein Recht auf Nichtdiskriminierung. Das Kind darf also nicht wegen spezifischer Haltungen der Eltern diskriminiert werden. Und der Einfluss der Eltern geht dann zu weit, wenn die Rechte des Kindes dadurch verletzt werden. Catherine Moser von Kinderschutz Schweiz erklärt: «Eine ganz spezifische Ernährungsweise der Eltern, die für Kinder einen Nachteil zur Folge hat – also zum Beispiel eine gesunde Entwicklung beeinträchtigt – kann als solche Diskriminierung angeschaut werden.» Die Frage stellt sich also, ob eine vegane Ernährung die gesunde Entwicklung eines Kindes beeinträchtigt.
Das sagt die Ernährungsberaterin
Möglicherweise ja, sagt Nathalie Metzger vom Kinderspital Zürich. Die Leiterin der Ernährungsberatung empfiehlt klar: «Wie jede nicht ausgewogene Ernährung ist eine vegane Ernährung, die nicht richtig durchgeführt wird, für Kinder gesundheitsgefährdend. Wenn ein Kind über längere Zeit vegan ernährt wird ohne Fachwissen, kann sich dies ungünstig auf die Gesundheit und das Wachstum auswirken. Ich empfehle grundsätzlich nicht, ein Kind vegan zu ernähren.» Und wenn man ein Kind trotzdem rein pflanzlich ernähren würde? «Man muss das Vitamin B 12 kontrollieren und allenfalls supplementieren.»
Ich bin weder eine Expertin für Kinderrechte noch für Ernährung. Aber als Mutter bin ich der Meinung, dass beim Essen ein gesundes Mittelmass nicht schadet. Denn was hat ein vegan ernährtes Kind gemeinsam mit einem Kind, das quasi nur Pommes frites und Chicken Nuggets isst? Beide werden unausgewogen ernährt. Bei uns kommt deshalb so ziemlich alles auf den Tisch: Hörnli und Linsen, Rosenkohl und Cervelat, Lammragout und Tofu. Beim Essen halte ich es wie mit der Religion: Jede extreme Form ist mir verdächtig. Zudem kann ich mir nicht vorstellen, dass Kinder eine gesunde Einstellung zum Essen entwickeln, wenn sie sich zwar rein pflanzlich und komplett Minipic-frei ernähren, aber täglich Tabletten schlucken müssen.
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