Anzeige
D
eutschland steckt mal wieder in einem Bahnstreik. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer legt einen großen Teil des Bahnverkehrs bis Freitag lahm, weitere Streiks sollen folgen. Bei Maischberges Wochenüberblick ging es nicht nur um gestoppte Züge, sondern auch um weitere wichtige politische Themen der Woche – und welche, die auf uns zukommen.
Im Studio diskutierten die Journalisten Kristina Dunz (Vize-Leiterin aus dem Parlamentsbüro des Redaktionsnetzwerks Deutschland), Cherno Jobatey (TV-Moderator) und Paul Ronzheimer (Vize-Chefredakteur von BILD). Bundestagsabgeordneter Karl Lauterbach (SPD) sprach im Einzelinterview über den Beschluss des Bund-Länder-Treffens zu Corona samt Ausblick auf eine anstehende vierte Corona-Welle. Die Parteivorsitzenden der Linken, Janine Wissler, und der Liberalen, Christian Lindner, stritten im ersten Bundestagswahl-Duell der Sendung über Wohnen und Steuern.
Deutscher Bahnstreik und afghanische Flüchtlinge
Über den Bahnstreik hat sich Kristina Dunz diese Woche am meisten geärgert. Überfallartig und zu kurzfristig sei der Streik gekommen. Sie selbst sei betroffen, musste auf einen Bus umsteigen. Unerfreulich sei der Machtkampf zwischen der kleineren Gewerkschaft GDL, die nun streike, und der großen EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft). Doch auch die Deutsche Bahn (DB) sei zu kritisieren, die Forderung nach einer Corona-Prämie für die Mitarbeiter berechtigt. Vor allem mit dem Umstand, dass die Manager ihre Boni trotz Krise und Umsatzverlust der DB bekommen hätten.
Anzeige
Cherno Jobatey lobt den Arbeitskampf als grundsätzlich richtig und wichtig. Doch die Bilder von den Bahnsteigen und in den Zügen zeigen viele Menschen dicht aneinander. Von der Gewerkschaft hätte er unter Corona mehr Weitsicht gewünscht. Zudem seien die GDL und die DB bei der Verhandlung nicht weit auseinander gewesen. Für GDL-Chef Weselsky hat er aber lobende Worte: „Er ist ein harter Hund. Der geht nach vorne und will was.“
Lesen Sie auch
Bundestag und Pandemie
Epidemische Lage abermals verlängern? Jetzt setzt ein Sinneswandel ein
Thematisch ging es dann vom Blick auf Zugreisende in Deutschland zu unfreiwillig Fliehenden aus Afghanistan, die womöglich bald auf dem Weg nach Europa sein könnten. Nach dem Abzug der Nato aus Afghanistan bringen die militant-islamistischen Taliban immer mehr Gebiete unter ihre Kontrolle. Am vergangenen Wochenende eroberten sie die Stadt Kundus, in deren Nähe die Bundeswehr jahrelang stationiert war. „Für alle war doch klar, dass die Taliban mit ihrem Terror zurückkehren, sobald die Staaten wie die USA und Deutschland abziehen“, sagt Paul Ronzheimer. Er selbst war als BILD-Kriegsreporter in Afghanistan, sprach sogar mit Kämpfern der Taliban. „Das, was die Taliban heute sagen, ist mindestens genauso radikal, wie das, was vor zwanzig Jahren passiert ist“, berichtet er. Homosexuelle töten, eigensinnige Frauen einsperren und an Tiere verfüttern, sind nur einige der Äußerungen, die Ronzheimer hörte. „Sie sagen: ‚Wir wollen das erreichen, was unsere Eltern und Großeltern nicht erreicht haben.‘“ Und an die abziehenden Staaten: ‚Danke, dass ihr abgezogen seid, das war die richtige Entscheidung.‘
Journalist Jobatey sieht den Bundeswehr-Einsatz nicht als sinnlos, kritisiert aber den Abzug. Er nehme es wie der Militärethiker Carl von Clausewitz: Für einen Krieg brauche es Grund und Plan. Den Grund habe es nach 9/11 gegeben. „Den Plan hat es nie gegeben“, meint Jobatey. Kriege führe man militärisch, gewonnen würden sie aber durch „Softpower“, etwa einem kulturellen Aufbau des Landes.
Lesen Sie auch
Corona-Impfungen
Das sollten Schwangere jetzt wissen
Anzeige
Für Ronzheimer passieren aktuell Fehler, die schon 2015 gemacht wurden, als Staaten sich nicht in den Krieg zwischen „Islamischen Staat“ und Krisenregionen, etwa Syrien, einmischten: „Möglicherweise erleben wir in diesem Moment, dass eine neue Flüchtlingswelle beginnt.“
Vierte Corona-Welle nach dem Bund-Länder-Treffen
Die Ergebnisse des Treffens zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Bundesländer wertet Paul Ronzheimer als „Impfpflicht durch die Hintertür“. Er schlägt vor, über die Frage einer Impfpflicht einfach direkt im Bundestag abstimmen zu lassen. „Der mahnende Zeigefinger bringt da nichts.“
Ab dem 11. Oktober sollen die Corona-Tests laut Beschluss der Regierenden von Ungeimpften selbst bezahlt werden. Journalist Jobatey glaubt, dass es nach der Bundestagswahl bei dem Thema noch „zur Sache“ gehen werde. Vorher werde noch versucht, herumzumogeln. „Bei den großen Seuchen der Vergangenheit, wie Polio oder Pocken, gab es auch Impfpflichten.“ 2019 hatte der Bundestag zudem mit dem Masernschutzgesetz eine Impfpflicht gegen die sogenannte Kinderkrankheit verabschiedet. Ronzheimer: „Da fragt man sich, warum nicht auch die Impfpflicht bei Corona?“
Anzeige
Die Inzidenz solle nicht mehr alleinentscheidend bei Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sein, hieß es in den vergangenen Wochen aus allen politischen Kreisen. „Auch die Hospitalisierung und die Impfquote sollen berücksichtigt werden, heißt es im Beschluss“, erklärt Kristina Dunz und kritisiert: „Aber darin steht nicht, dass sie einbezogen werden.“
Lesen Sie auch
Politischer Schlingerkurs
Zurück im Jammertal der Corona-Maßnahmen
Epidemiologe Karl Lauterbach sieht die Inzidenz weiterhin als wichtigsten Wert, „weil man an ihr ablesen kann, wie viele Menschen in Kürze krank sein werden.“ Vom jetzigen Wissensstand aus, werden sich in den kommenden eineinhalb Jahren die Ungeimpften, samt Kinder, alle angesteckt haben, sagt er. Dann werde es nur noch zwei Gruppen geben: „Geimpfte und hoffentlich Genesene, aber auf jeden Fall Infizierte.“ „Die Delta-Variante ist so ansteckend, dass wir realistischerweise gar keine Herdenimmunität mehr erreichen werden”, betonte der Epidemiologe. Gegen eine Impfpflicht spricht er sich derzeit aus: Einen Ungeimpften könne man das Recht auf freie Entscheidung nicht nehmen, solange er bereit sei, sich ständig testen zu lassen.
Die Beschlüsse aus dem Bund-Länder-Treffen bezeichnet Lauterbach als gut. Mit Blick auf Herbst und Winter rechnet er mit deutlichen Anstiegen durch die Delta-Variante des Coronavirus. Doch die vom Robert-Koch-Institut geschätzten dramatisch hohen Zahlen könnten wohl verhindert werden. Sollten die Zahlen doch dramatisch stark steigen, könnte das „2G“ als Notlösung kommen. Bedeutet: Bestimmte Freiheitsrechte gelten dann nur für Geimpfte und Genesene. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte diesen Vorschlag bereits konkret ins Spiel gebracht.
FDP und Linke im ersten Wahlduell bei Maischberger
Für ein Duell sind die beiden Parteivorsitzenden der FDP und der Linken genau richtig, versprechen sie doch starken Tobak und konträre Auffassungen von Politik und deren Umsetzung. Christian Lindner und Janine Wissler starteten die Wahlduell-Serie, die Sandra Maischberger bis zur Bundestagswahl in 45 Tagen durchführen wird.
Und eine Gemeinsamkeit hat die Maischberger-Redaktion tatsächlich gefunden: Steuern. Zumindest bei der Begrifflichkeit: Steuern senken. Im Wahlprogramm der Linken stehe, sie wollen die Steuern senken. „Ich dachte, Sie sind die Steuersenkungspartei“, sagte Maischberger. Steilvorlage für FDP-Mann Lindner: „Ja, ich freue mich über jede Unterstützung.“ Wissler fordert eine Reichen- und Vermögenssteuer, weil Corona gezeigt habe, wie marode Bereiche wie die Schullandschaft seien. Und dennoch seien im Corona-Jahr 2020 mehr als 70.000 neue Millionäre in Deutschland dazugekommen. „Wir wollen alle, die unter 6.500 Euro im Monat als Single verdienen, entlasten, und die darüber belasten“, sagt Wissler. Lindner fordert hingegen weniger Steuern in ganzer Breite, besonders im Mittelstand. Lediglich Großkonzerne wie Amazon oder Apple müssten mehr – respektive überhaupt – an den deutschen Fiskus zahlen.
Beim Thema Wohnen gehen die Meinungen von Linke und FDP auch auseinander. Wissler fordert, Hausbesetzungen nach einem Jahr als legal zu werten und kritisiert Mieterhöhungen durch Immobiliengesellschaften, Lindner setzt auf mehr Wohnungsbau zur Mietpreislösung. Geht es nach der Linken-Chefin sollen Gesetzestexte geschlechtergerechte Sprache beachten, etwa mit dem Genderstern. Lindner hingegen will die Gesetze damit „nicht noch schwerer verständlich“ machen.
Miteinander koalieren wollen die FDP und die Linke übrigens nicht, bestätigten beide Politiker am Ende der Sendung. Oh Wunder!