Einen besonders hohen Anteil bei den Versuchstieren machen sogenannte transgene Tiere aus. Prof. Johannes Beckers ist stellvertretender Leiter des Instituts für Experimentelle Genetik am Helmholtz Zentrum in München und erklärt im Interview, warum Wissenschaftler diese Tiere immer häufiger einsetzen und wie die Forschung an transgenen Mäusen medizinischen Fortschritt erzeugt hat.
Prof. Johannes Beckers erklärt, warum transgene Mäuse bei Tierversuchen besonders häufig verwendet werden.
Was steckt eigentlich hinter dem Begriff transgene Maus?
Johannes Beckers: Diese Tiere werden durch ein gentechnisches Verfahren hergestellt. Dabei werden zusätzliche Erbinformation, beispielsweise ein Gen, in das Erbmaterial (Genom) eingeführt. Diese bezeichnet man als Transgen. Allerdings wird der Begriff „transgene Maus“ im allgemeinen Sprachgebrauch inzwischen auch für alle anderen durch gentechnische Verfahren in Mäusen hergestellte Veränderungen der Erbinformation (Mutationen) verwendet. Entsprechende Mutationen können zum Beispiel eine kleine oder große Auslöschung eines DNA-Abschnitts sein. Möglich ist aber auch ein Austausch einzelner oder großer Abschnitte der Erbinformation, oder es werden umfangreiche chromosomale Veränderungen gentechnisch geschaffen. Damit lassen sich etwa schwere Erbkrankheiten untersuchen.
Warum setzt die Forschung zunehmend auf transgene Tiere?
Beckers: Die steigende Zahl der Versuche mit genetisch veränderten Mäusen spiegelt die hohe Bedeutung dieser Tiere für die biomedizinische Grundlagenforschung und präklinische Forschung wider. Volkskrankheiten wie Diabetes, Krebs, Demenz, Herz-, Immun- und Infektionskrankheiten können bis dato nicht geheilt werden und erzeugen erhebliches menschliches Leiden. Grund ist, dass wir diese Krankheiten noch nicht ausreichend verstehen. Tierversuche ermöglichen uns ein besseres Verständnis. Sie sind eine unverzichtbare Möglichkeit, um zu verstehen, wie Umwelt und Gene zusammen mit verschiedenen Organsystemen zu einer Krankheit führen und zu deren Verlauf beitragen.
Welchen medizinischen Bereich hat die Forschung an diesen Tieren vorangebracht?
Was ist eine genetisch modifizierte Maus?
Beckers: Es gibt heute kaum eine – eigentlich kann man sagen: keine – neu zugelassene pharmakologische Therapie, die ohne präklinische Tierversuche und Grundlagenforschung an Tieren möglich gewesen wäre. Forschung an Mäusen ist es zu verdanken, dass HIV-Infizierte, die Zugang zu modernen antiretroviralen Therapien haben, heutzutage im Vergleich zu den 1980er und 1990er Jahren eine sehr viel bessere Lebenserwartung haben. Auch aktuelle Therapien, wie die Immuntherapie, gegen unterschiedliche Krebsarten fußen auf Erkenntnissen, die mit Versuchstieren gewonnen wurden.
Ebenso auf anderen Gebieten waren sie entscheidend. Betrachten Sie nur einmal das Beispiel Organtransplantationen: Bis heute wurden in Deutschland etwa 125.000 Mal Organe verpflanzt. Erst aus den Ergebnissen der Grundlagen- und präklinischen Forschung bei der Maus konnten Verfahren entwickelt werden, um geeignete Spender-Empfänger-Paare vor einer Transplantation zu bestimmen. In Tierexperimenten mit gentechnischen Veränderungen wurde erwiesen, dass die Immunfaktoren, die eine Verträglichkeit bestimmen, genetisch festgelegt sind.
Welchen Anteil haben die verschiedenen Tiergruppen an Tierversuchen?
Weitere Beispiele neuer medizinischer Verfahren sind Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs und gegen frühkindliches Diabetes. Sie sehen – Tierversuche und insbesondere diejenigen mit Mäusen tragen in allen medizinischen Bereichen zum Fortschritt bei.
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