Mit treuherzigem Blick schaut Pitbulldame Shadow in den leeren Hof des Tierschutzheims Konstanz. Kein Kläffen ist zu hören und in den Ställen, Käfigen und Gehegen ist kein Tier zu sehen. Nach einer langen Odyssee von den Niederlanden über die Schweiz mit zahlreichen Besitzerwechseln landete Shadow eines nachts vor der Tür des Tierschutzheims Konstanz.
Pitbulldame Shadow und die Leiterin des Konstanzer Tierschutzheimes, Heidi Schätzle.| Bild: Ansgar Taschinski
Heute gehört die alternde Hundedame zu den wenigen Tieren, die nach fast einem Jahr Pandemie nach wie vor im Tierschutzheim Konstanz leben. Nur noch zwei weitere Hunde, drei Katzen und vier Kaninchen leben derzeit noch im Tierschutzheim. „Das ist wirklich mau“, erklärt Leiterin Heidi Schätzle.
So hat Corona den Alltag im Tierschutzheim verändert
Corona hat auch das Leben im Tierschutzheim Konstanz verändert. Seit März des vergangenen Jahres ist das Tierschutzheim für Besucher geschlossen. „Desinfektion und Sauberkeit sind im Tierheim immer gegeben“, sagt sie. Darüber hinaus wurden aber auch weitere Maßnahmen getroffen. Die zu vermittelnden Tiere seien allesamt mit den wichtigsten Informationen auf der Homepage zu finden.
„Wir laden die Leute mittlerweile nur dann zum persönlichen Gespräch ein, wenn wir das Gefühl haben, dass wir das Tier auch dorthin geben möchten“, so Schätzle. Natürlich könne man dann auch zu den Tieren. Aber spontan einfach mal die Tiere anzuschauen, gehe nicht mehr. Hausbesuche würden so gut es geht vermieden.
Mischling Rudi ist nicht gerne allein und hofft auf ein Zuhause, in dem man sich Zeit für ihn nimmt.| Bild: Ansgar Taschinski
Zugleich aber sei man im Notfall nach wie vor für die Tiere und ihre Besitzer da. Als vor kurzem jemand aufgrund einer Corona-Erkrankung das Haus nicht habe verlassen dürfen und so seine Katze nicht zum Tierarzt bringen können, habe man mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen weitergeholfen, so Schätzle.
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Übrig blieben die Problemfälle, die aus gesundheitlichen oder aus Altersgründen auch jetzt kein Zuhause gefunden haben. Während die Einnahmen aus der Versorgung von Pensionstieren weggebrochen sind, bleibt die Pflege für die übrigen Tiere kostenintensiv. Tierärzte müssen bezahlt, Spezialfutter und Medikamente müssen eingekauft werden.
Beagle-Mix Benji versteht sich gut mit Artgenossen und hofft, auf ein Herrchen oder Frauchen mit Hunde-Erfahrung.| Bild: Ansgar Taschinski
Hinzu kämen die Kosten für Notfälle, etwa wenn Tiere aus Tierhortung im Tierschutzheim landeten. Im Herbst galt es so zehn Katzen zu pflegen. „Die waren in einem hundsmiserablen Zustand“, so Schätzle. Für Pflege und Tierarztkosten kämen so schnell etwa 8000 Euro zusammen. Immerhin habe man keine Platzprobleme gehabt, um die Tiere aufzunehmen und auch die Vermittlung sei kein Problem gewesen.
Probleme mit abgegebenen Tieren vor den Ferien oder nach Weihnachten habe man mittlerweile glücklicherweise kaum noch. Auch mit Jungtieren im Frühjahr habe man in Konstanz keine Probleme. In ländlicheren Gegenden hingegen werde nach wie vor zu selten kastriert, so Schätzle.
„Kurzarbeit gibt es bei uns nicht“
Gemeinsam mit zwei weiteren Mitarbeitern sowie zwei Azubis kümmert sich Schätzle um die verbliebenen Tiere und Neuankömmlinge. „Kurzarbeit gibt es bei uns nicht und macht auch keinen Sinn, wir müssen ja trotzdem für die wenigen Tiere da sein“, erklärt Schätzle. Auch während Corona gebe es noch Fundtiere, die abgeholt und versorgt werden müssen.
Ellen Bollmann (Praktikantin, links) mit Rudi, Regina Zietz (Mitarbeiterin, Mitte) mit Benji und Heidi Schätzle (Leiterin, rechts) mit Shadow.| Bild: Ansgar Taschinski
Die einzigen Einnahmen kämen durch die Versorgung von Tieren während Urlaubsreisen ihrer Besitzer zustande. Im vergangenen Jahr seien so nicht einmal ein Viertel der sonst üblichen Einnahmen zustande gekommen. Finanziell sei die Situation schlecht, richtig schlecht.
Etwas Abhilfe schaffen Spenden aus der Bevölkerung und von Firmen. So konnten im vergangenen Jahr die Hundehäuser renoviert werden, was aufgrund der geringen Belegung kein Problem gewesen sei, so Schätzle. Auch die Hecke vor dem Gelände konnte dank einer Spende erneuert werden.
„Ein dickes, dickes Lob an alle Konstanzer“
„Die Leute rutschen zusammen“, sagt sie. So erhalte das Tierschutzheim unendlich viele Sachspenden, nicht nur Futter, sondern auch Handtücher und Decken für die Tiere. „Ein dickes, dickes Lob an alle Konstanzer“, so Schätzle. Auch Kinder und Jugendliche hätten mit tollen Ideen Geld für das Tierheim gesammelt.
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Viele hatten auch angeboten, sich ehrenamtlich zu engagieren. „Eigentlich könnten wir momentan Ehrenamtliche haben ohne Ende“, so Schätzle. Aber das Risiko einer Ansteckung der Angestellten sei einfach zu hoch. „Wir können uns es nicht leisten, dass einer krank wird“, sagt sie. Für die Tagesabläufe oder auch die Pflege von manchen Hunden sei man auf das geschulte Personal angewiesen. „Auch unsere Azubis brauchen ein halbes Jahr, bis sie eingelernt sind“, erklärt sie.
Können Haustiere Corona bekommen?
Vereinzelt gibt es Fälle, bei denen auch Hunde und Katzen positiv auf COVID-19 getestet wurden, erklärt der Deutsche Tierschutzbund auf seiner Webseite. Allerdings meist nur mit milden Symptomen. Eine Übertragung des Virus von Hunden und Katzen auf den Menschen hingegen wurde bislang nicht beobachtet. Auch eine Übertragung vom Fell der Tiere auf den Menschen gilt als äußerst unwahrscheinlich. Bei Kaninchen, Goldhamstern, Frettchen, Meerschweinchen und Vögeln wurde bislang ebenfalls keine Übertragung von Infektionen durch oder auf die Haustiere gefunden. Wer selbst an COVID-19 erkrankt ist, sollte zu engen Kontakt mit dem eigenen Haustier meiden und die üblichen Hygieneregeln beachten.
Dabei sei die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen eigentlich ein wichtiger Bestandteil des Tierschutzheims. Manche von Ihnen würden später selbst Tiere aufnehmen und bei Festen und Aktionen gebe es immer viel Unterstützung. „Das ist ja auch eine Gemeinschaft“, sagt sie und fügt hinzu: „Aber das ist einfach tot, das gibt es nicht mehr.“
Die Frage sei, wie man diese Gemeinschaft nach der Pandemie wiederbeleben könne. Das werde sicherlich ein Kraftakt, auch weil viele dann eben nicht mehr so viel Zeit hätten. Vielleicht brauche man hierfür auch andere Formen und neue Ideen.
Die Zeit nach der Pandemie bereitet Sorgen
Mit Ungewissheit blickt das Tierschutzheim so auf die kommenden Wochen und Monate. Die größte Herausforderung bleibe sicherlich die Finanzierung, so Schätzle. Sorgen macht sie sich aber auch über die Situation nach der Pandemie. „Was passiert dann mit den vielen Tieren, die sich die Leute jetzt angeschafft haben?“, fragt sie.
Wenn auf einmal wieder Urlaubsreisen auf dem Programm ständen und man nicht mehr die ganze Zeit über zu Hause im Homeoffice verbringe. In den Tierheimen werde bei der Vermittlung viel Wert auf eine nachhaltige Vermittlung gelegt. Viele Tiere würden jedoch auch über Kleinanzeigen verkauft, als Ware und nicht mit dem Ziel einer möglichst guten Unterbringung.
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So könnten die Tierheime möglicherweise mit abgegebenen Tieren überschwemmt werden und das in einer Zeit, in der die finanziellen Mittel so oder so bereits weitgehend ausgeschöpft seien. Dann stelle sich auch die Frage wie man mit Notfällen, wie Tierhortung, umgehen könne. Schließlich werde es dann voraussichtlich auch schwieriger die Tiere zu vermitteln.
Pitbulldame Shadow wird so wohl noch eine Weile im Tierschutzheim Konstanz bleiben. Allerdings habe einer der Auszubildenden die Hundedame ins Herz geschlossen, so Schätzle. Die beiden verbrächten die Mittagspause gemeinsam und seien ein gutes Team, erklärt sie. Vielleicht findet so auch Shadow bald doch noch nach langer Suche ein neues Zuhause, wie so viele andere Tiere auch, ob vor, während und hoffentlich auch nach Corona.
Bild: Ansgar Taschinski
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