dpa/Mohssen Assanimoghaddam
Halbierte Schweine hängen in einem Schlachthof am Haken.
Mittwoch, 13.11.2019, 15:30
Die Schweinepest hat in China die Bestände drastisch dezimiert. Fast 200 Millionen Tiere sind sind an infolge des Virus gestorben. Die Auswirkungen auf Preise sind enorm - die möglichen Auswege aus der Krise bizarr.
Deutsche Verbraucher können sich glücklich schätzen – 1,2 Prozent Inflation gibt es hierzulande gerade, bei Nahrungsmitteln liegt der Preisauftrieb bei 1,3 Prozent. In der Türkei verteuerten sich Lebensmittel in diesem Jahr zeitweise mit Raten von 30 Prozent und mehr. Doch selbst die dortige Inflation kommt nicht an die Inflation der Schweinefleischpreise in China heran.
Dort verteuerte sich Schweinefleisch im Oktober um heftige 101,3 Prozent zum Vorjahr, oder anders ausgedrückt, der Preis hat sich eben mal verdoppelt. Der Preisauftrieb bei Lebensmitteln insgesamt lag bei „nur“ 15,5 Prozent. Das Plus beim Schweinefleisch wirkte sich auch auf die Gesamtinflation aus: Sie stieg im Oktober auf 3,8 Prozent von drei Prozent im Vormonat. Das ist der höchste Stand seit sieben Jahren.
Genügsam im Unterhalt, bedeutend in der Kultur
Schweinefleisch ist in China so beliebt wie sonst nirgendwo – aus technischen und kulturellen Gründen. Im Vergleich zu anderen Schlachttieren bedürfen Schweine keiner großen Weide und sind auch beim Futter genügsam.
Schweine sind obendrein tief in der chinesischen Kultur verwurzelt. Die Worte Schweinefleisch und Fleisch sind im Chinesischen synonym. Schweine gelten als Symbole für Wohlstand, Lebenskraft und Fruchtbarkeit und sogar das Schriftzeichen für Zuhause setzt sich aus dem Zeichen für Schwein und dem Zeichen für Dach zusammen. Schweinefleisch ist darum aus der chinesischen Küche nicht wegzudenken.
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Zahl der Schweine mehr als halbiert
Der Preissprung ist Folge einer dort grassierenden Seuche unter den Schlachttieren, dem afrikanischen Schweinefieber. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Verweis auf Analysen der Rabobank berichtete, hat sich die Zahl der Schweine in China seit dem ersten Fall von Schweinefieber im August auf weniger als 200 Millionen Tiere mehr als halbiert.
Zum Vergleich: Noch im Vorjahr hielten chinesische Landwirte gut 440 Millionen Schweine, 57 Prozent des weltweiten Bestands. Der Rabobank zufolge wird sich der chinesische Markt für Schweinefleisch aufgrund der Krise erst wieder 2025 stabilisiert haben. Dennoch wird die Population das Niveau von 2018 vermutlich nie wieder erreichen, so die Bank. "Es ist die gefährlichste Krankheit, die die Schweineindustrie je erlebt hat", sagte die Expertin Cui Ernan vom Unternehmensberater GavekalDragonomics in Peking. Schon heute hat die Schweinepest in China mehr als eine Billion Yuan, umgerechnet 127 Milliarden Euro, an direkten wirtschaftlichen Schäden angerichtet, wie Li Defa von Chinas Landwirtschaftsuniversität schätzt.
Schweinepreise in Deutschland steigen
Überall kaufen Importeure aus China jetzt Schweinefleisch - in Brasilien, den USA und auch in Europa. Während sich deutsche Bauern über höhere Schlachtpreise freuen, müssen Verbraucher beim Metzger daher nun mehr zahlen. Die Preise für Schweinefleisch stiegen im September um 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie Thomas Els von der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) in Bonn berichtet. Die Preise für Fleisch- und Wurstwaren insgesamt legten in diesem Zeitraum um 5,4 Prozent zu. So kostet das Kilogramm Schweinehack heute 5,81 Euro - nach 5,38 Euro vor einem Jahr. Ähnlich kletterte der Preis für Schweineschnitzel von 7,10 Euro auf 7,39 Euro. Für Schweinebraten muss heute 6,18 Euro das Kilogramm hingelegt werden. Vor einem Jahr waren es noch 5,60 Euro.
Doch das befürchtete Defizit von 10 Millionen Tonnen Schweinefleisch in diesem Jahr übersteigt Hu zufolge das Angebot am Weltmarkt. Chinas Regierung und Landwirte unternehmen daher alles, um die Folgen der Krise abzufedern. Die Unruhe im Milliardenvolk ist groß, da Schweinefleisch zu zwei Drittel zum Fleischkonsum beiträgt. So war die Schweinepest auch eines der drängenden Themen bei der Tagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei tagt. Vizepremier Hu Chunhua rief jüngst die Regionalregierungen auf, die Zucht so bald wie möglich anzukurbeln.
Landwirte treiben Gewicht nach oben
Ein möglicher Ausweg, den Landwirte austesten: größere Schweine. So berichtete Bloomberg von einem Tier in der Provinz Guangxi, welches auf ein Gewicht von 500 Kilogramm hochgezüchtet wurde – und damit so viel wie ein Eisbär wiegt. Ein solches Tier, so Bloomberg, könnte dem Landwirt mehr als 10.000 chinesische Yuan einbringen, gut 1300 Euro. Das wäre das Dreifache des durchschnittlichen Monatslohns in der Provinz.
Wenngleich das 500-Kilo-Schwein ein statistischer Ausreißer ist, so gehen tatsächlich mehr und mehr Landwirte in China dazu über, ihre Tiere größer zu züchten. In der Provinz Jilin, auf der anderen Seite des Landes, erreichen die Tiere bereits Gewichte von 175 bis 200 Kilogramm – beinahe das doppelte des üblichen Schlachtgewichts von 125 Kilogramm, wie Bloomberg schrieb.
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Lebensmittelindustrie spielt mit
Gerade weil durch die Schweinepest Ferkel oder Zuchtsäue teuer geworden sind, lohnt es sich für die Landwirte enorm, vorerst ihre verbliebenen Tiere einfach größer zu züchten. Nicht nur kleine, private Züchter springen auf den Trend auf. Auch Konzerne folgen dem Motto „Größer ist besser“. Laut Bloomberg verkündeten unter anderem der größte Züchter des Landes, Wens Foodstuffs Group, sowie die Rivalen Cofco Meat Holdings und Beijing Dabeinong Technology Group, dass sie ihre Schweine größer züchten wollen.
Schon jetzt, berichtete Bloomberg unter Verweis auf Analysen der Beratungsfirma Bric Agriculture Group, sei das Schlachtgewicht so bei manchen Farmen im industriellen Maßstab von den üblichen 110 auf 140 Kilo gestiegen. Für die Konzerne lohnt es sich: 30 Prozent mehr Gewinn dürfte der Analyse zufolge ein höheres Schlachtgewicht einbringen. Ob die Krise durch solche Maßnahmen im nächsten Jahr bereits größtenteils überstanden sein wird, wie es sich Peking wünscht, ist im Angesicht der Rabobank-Prognosen aber anzuzweifeln.
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