Die Auswirkungen der Coronakrise auf Mensch, Wirtschaft und Verkehr sind derzeit nicht zu übersehen. An Tiere denkt man allenfalls noch, wenn es sich um Haustiere handelt. Aber wie geht es den Fischen in der Krisenzeit, und was machen Berufsfischer und Angler? Der Fischereifachberater des Bezirks Oberbayern, Dr. Bernhard Gum, gibt darüber Auskunft.
Herr Dr. Gum, wirkt sich Krise auf die Fische in unseren oberbayerischen Gewässern aus?
Dr. Gum: Darauf lässt sich derzeit noch keine abschließende Antwort geben. Zumindest haben wir bis dato keine Meldungen, dass sich wegen der vermeintlich geringen Störungen durch uns Menschen nun plötzlich wieder Fischschwärme ausbreiten oder in Flussgebieten wieder neu auftauchen. Feststellbar war allerdings in der Zeit etwa von Anfang bis Mitte März, dass wir mehr und früher als in den letzten Jahren Berichte über Fischansammlungen bekamen – insbesondere von laichenden Huchen im Inn, in der Tiroler Ache oder im Lech.
Wie erklären Sie sich das?
Dr. Gum: Hauptgrund für diese Beobachtungen Anfang März waren sicherlich nicht die Auswirkungen der Coronakrise, sondern der relativ milde Winter und das vom Temperaturverlauf her „verrückte“ Frühjahr. Als es Ende März wieder spürbar kälter wurde und die Wassertemperaturen deutlich zurückgingen, hat dieses Phänomen schnell wieder nachgelassen. Aber vereinzelt kann es schon sein, dass die Fischarten, die im Frühjahr laichen – wie Äsche oder Nase – ihrem Laichgeschäft in einigen Gewässern mit weniger Störungen nachgehen können, als es sonst der Fall ist.
Also sind die Fische nicht die stillen Gewinner der derzeitigen Lage?
Dr. Gum: Wie gesagt, ob die Fischfauna in den Flüssen und Bächen seit den Ausgangsbeschränkungen insgesamt mehr Ruhe genießt als sonst, wissen wir noch nicht. Denn auf der einen Seite haben wir zwar keine großen Ansammlungen von Menschen an den Flussufern mehr, auf der anderen Seite sind die Wander- und Uferwege durch Spaziergänger nun an den schönen Tagen auch während der Woche und vormittags mehr frequentiert als sonst.
Klar ist dagegen, dass an den großen oberbayerischen Seen die Störungen durch Boots- und Schiffsverkehr und generell der Freizeitbetrieb ein jähes Ende gefunden haben, nachdem diese Aktivitäten in den letzten Jahren immer stärker angestiegen waren.
Ob sich hieraus tatsächlich ein Vorteil für die heimische Fischfauna ergibt – wie beispielsweise ein Plus an erfolgreicher natürlicher Vermehrung – lässt sich derzeit noch nicht beurteilen. Denn auf der anderen Seite finden wichtige Maßnahmen der Hege, wie zum Beispiel das jährliche Fangen laichreifer Elterntiere samt künstlicher Vermehrung vor Ort, nicht in dem Umfang statt wie die Jahre davor.
Hat die Coronakrise Auswirkungen auf die Berufsfischer an den oberbayerischen Seen und auf die Teichwirtschaft?
Dr. Gum: Ja, die Seenfischerei und die Teichwirtschaft sind betroffen. Auf der einen Seite mögen für einige Seenfischer die Arbeit auf den Seen und der Fang ohne Störungen durch Bootsverkehr und Freizeitsuchende jetzt leichter gelingen. Auf der anderen Seite sind viele Berufsfischer darauf angewiesen, ihre hochwertigen Produkte an die regionale Gastronomie zu verkaufen. Da sämtliche Ausflugslokale, Hotels und Restaurants derzeit geschlossen sind, finden sie keine Abnehmer mehr. Es bleiben ihnen nur der Hofverkauf und eventuell der Absatz an den Einzelhandel.
Das ist weiterhin erlaubt?
Dr. Gum: Der Fischverkauf darf trotz der Ausgangsbeschränkungen noch ohne Einschränkung stattfinden. Er versorgt die Bevölkerung in diesen schweren Zeiten mit nachhaltig erwirtschafteten Nahrungsmitteln, deren Verfügbarkeit unabhängig von Quarantänezonen gesichert ist. So wird auch während der Pfingstfeiertage in Oberbayern die Versorgung mit ausreichend frischem Fisch durch unsere Berufsfischer und Teichwirte gesichert sein.
Wir sollten also immer wieder einmal Fisch auf den Menüplan setzen?
Dr. Gum: Unbedingt, und zwar aus mehreren Gründen. Einmal, weil frischer Fisch durch seinen hohen Omega-3-Fettsäuregehalt das Immunsystem unterstützt und gut für die Gesundheit ist. Und vor allem, weil die Familienbetriebe jetzt ganz besonders auf ihre Einkünfte angewiesen sind. Ich hoffe, dass die Berufsfischerei die Krisenzeit und deren betriebswirtschaftliche Folgen gut übersteht.
Welche Fischereibetriebe sind besonders gefährdet?
Dr. Gum: Betriebe, die noch nicht die Möglichkeit der Direktvermarktung haben und – wie die meisten – keinen Online-Versand betreiben, kämpfen derzeit mit hohen Umsatzeinbußen. Je nachdem, wie lange die Gastronomie geschlossen bleiben muss, wird es auch in der Teichwirtschaft zu einem Anstieg an beantragten Soforthilfen kommen.
Kommen wir zu denjenigen, die Angeln als Hobby betreiben. Darf man noch Angeln gehen?
Dr. Gum: Die Angelfischerei darf in Bayern noch wie gewohnt stattfinden, allerdings unter Einhaltung der gängigen Sicherheitsvorkehrungen. Das heißt: zwei Meter Abstand halten und keine Gruppen bilden. Aufgrund der vielen Menschen, die jetzt von zu Hause aus arbeiten, in Kurzarbeit oder freigestellt sind, kann man davon ausgehen, dass die Anglerinnen und Angler unter diesen Umständen vermehrt den Ausgleich am Gewässer suchen. Wenn die Krise länger anhält, könnten das an einigen Gewässern, die schon in normalen Zeiten recht frequentiert sind, auch zu viele werden. Deswegen haben sich die Fischereiverbände bereits mit entsprechenden Infoschreiben an die Vereine gewandt und an die Vernunft ihrer Mitglieder appelliert.
Inwieweit sind die Anglervereine von der Krise betroffen?
Dr. Gum: Die Auswirkungen zeigen sich besonders im Vereinsleben. Die anstehenden Vereinsversammlungen mussten auf unbestimmte Zeit abgesagt werden. Durch die Krise haben auch viele Verkaufsstellen von Angler-Tageskarten und genauso die Bootsverleihe an den Seen geschlossen. Von daher erwarte ich, dass mehr Online-Tageskarten verkauft werden – soweit sie erhältlich sind. Die Ausstellung solcher Tageskarten wurde in Bayern vor kurzem im Rahmen einer Pilotphase durch zertifizierte Anbieter ermöglicht. Wegen der Krise können auch die von den Vereinen organisierten, gemeinschaftlichen Hegefischen, die der Pflege des Bestands dienen, bis zum Ende der Kontaktbeschränkungen nicht stattfinden.
Heißt das, dass alle Hegemaßnahmen wegfallen?
Dr. Gum: Nein. So darf beispielsweise der Fischbesatz, der Arten- oder Bestandsdefizite ausgleichen soll, weiterhin stattfinden. Er stellt bei guter fachlicher Praxis einen artenreichen und gesunden Fischbestand in den Gewässern sicher. Zugleich stellt der Verkauf von Besatzfischen für die Teichwirte derzeit noch ein relativ krisenfestes Standbein dar. Natürlich müssen dabei die vorgegebenen Sicherheits- und Hygienevorkehrungen eingehalten werden. Allerdings häufen sich auch hier die Meldungen, dass geplante Besatzmaßnahmen auf unbestimmte Zeit verschoben werden.
Interview: Kerstin Schwabe – Foto: Andreas Irtel – Huchenpärchen auf Laichgrube am oberbayerischen Inn. Die Fische sind über einen Meter groß.
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