Startseite
Wirtschaft
Lieferdienste in der Kritik: Streit um Arbeitsbedingungen bei Gorillas und Lieferando
Essen und Trinken RND exklusiv Gastronomie
Gorillas und Lieferando in der Kritik: Streit um Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten
Streiks und Blockaden: Beim Lieferdienst Gorillas rumort es gewaltig.
Beschäftigte fordern unter anderem bessere Arbeitsbedingungen.
Das junge Start-up ist nicht der einzige Lieferdienst, der jüngst heftiger Kritik ausgesetzt war.
Johanna Apel
|
13.06.2021, 10:57 Uhr
Ein Lieferando-Fahrer unterwegs durch Leipzig. Immer wieder stehen Lieferdienste wegen ihrer Arbeitsbedingungen in der Kritik.
© Quelle: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Anzeige
Anzeige
Berlin.
Es war wohl nur eine Frage der Zeit: In den vergangenen Tagen ist der Streit um faire Arbeitsbedingungen bei Lebensmittel-Lieferdiensten eskaliert. Fahrerinnen und Fahrer des Berliner Unternehmens Gorillas solidarisierten sich mit einem entlassenen Mitarbeiter und forderten bessere Arbeitsbedingungen. Berichten zufolge kam es zu spontanen Streiks und Blockaden.
Bei der Gewerkschaft Verdi kennt man die Vorwürfe gegen das Unternehmen, das Supermarktlieferungen innerhalb kürzester Zeit anbietet. „Der Druck dort ist enorm“, sagt Verdi-Sprecher Günter Isemeyer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Zum Versprechen der schnellen Lieferung komme, dass Gorillas seine Fürsorgepflicht auf die Fahrerinnen und Fahrer abwälze: So seien sie etwa selbst für die Verkehrstauglichkeit ihrer Räder zuständig. Im Gewand eines schicken Start-ups sichere sich das Unternehmen nun „ohne Rücksicht auf Verluste“ Marktanteile, so Isemeyer. „Die Interessen der Beschäftigten spielen dabei offenbar keine Rolle.“
Der Lieferdienst Gorillas verspricht, Lebensmittel in nur zehn Minuten bis an die Haustür zu liefern.
© Quelle: Gorillas
Anzeige
Gorillas reagiert auf Proteste
Bei dem 2020 gegründeten Unternehmen sieht man das natürlich ganz anders: In einer am Freitag herausgegebenen Erklärung verweist Geschäftsführer Kagan Sümer darauf, dass Gorillas das erste Unternehmen dieser Art in der Branche sei, das ein „stabiles Einkommen“ und ein „soziales Netzwerk“ biete. Außerdem habe es eine „beeindruckende Mitarbeiterzufriedenheit“; die 6000 Fahrerinnen und Fahrer seien vorwiegend durch Empfehlungen anderer „Rider“ zum Unternehmen gestoßen.
Die Proteste der vergangenen Tage, so Sümer, hätten ihn „tief beunruhigt“ – die Entlassung des Fahrers, an der sich der Ärger entzündet hatte, sei jedoch notwendig gewesen. Ende Juni wolle er nun selbst mit dem Fahrrad die Standorte in Deutschland besuchen, um sich mit den Fahrerinnen und Fahrern zu treffen.
Lieferdienste in Corona-Pandemie sehr gefragt
Anzeige
Gorillas, Lieferando, Wolt: Spätestens seit der Corona-Pandemie haben Lebensmittel-Lieferdienste in Deutschland ordentlich Aufwind bekommen. Das Versprechen: Essen und Getränk per Mausklick direkt vor die Haustür geliefert zu bekommen. Und das innerhalb kürzester Zeit. Gorillas wirbt sogar damit, nur zehn Minuten zu brauchen.
Der Tag
Was heute wichtig ist. Lesen Sie den RND-Newsletter "Der Tag".
Aktivierungsmail verschickt
Vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Newsletter. In Kürze erhalten Sie einen Aktivierungslink per E-Mail von uns.
Die Newsletter-Anmeldung hat leider nicht geklappt. Bitte versuchen Sie es noch einmal und laden Sie die Seite im Zweifel neu.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.
Mit RND-Konto abonnieren
Anzeige
Den Preis dafür, kritisieren viele, zahlen die Fahrerinnen und Fahrer. So werden immer wieder Vorwürfe laut, dass die schnelle Lieferung zu großem Druck führe. Auch niedrige Löhne und sachgrundlose Befristungen sorgen für Unmut. Und nicht nur das: Der Essenslieferdienst Lieferando war jüngst in Kritik geraten, nachdem der Bayerische Rundfunk berichtete, die Kurierfahrerinnen und -fahrer würden per Ortungs-App überwacht.
Gewerkschaft fordert Transparenz
„Wir wollen wissen, was da erhoben wird“, sagt Christoph Schink von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Auf Nachfrage habe der Gesamtbetriebsrat allerdings bisher nur „freundliche Absagen“ bekommen. Für die Gewerkschaft ein Unding: „Der Respekt für die Menschen, die dort arbeiten, ist nicht vorhanden“, sagt Schink.
Für sie sei nicht transparent, was die App auf ihrem Handy mache – und um für Lieferando arbeiten zu können, muss sie heruntergeladen werden. „Für dieses Geschäftsmodell ist es notwendig zu wissen, wer wo ist“, so Schink. Besonders pikant: Die Software werde dabei auf das private Handy geladen – und es sei nicht klar, welche Daten sie vielleicht auch noch nach Feierabend sammle.
ZUM THEMA
Lebensmittel
Internet
Unternehmen
Rewe verbündet sich mit Express-Lieferdienst Flink: Angriff auf Gorillas und Picnic?
Social Media
Jan Böhmermann
Darf der Lieferando-Fahrer den Aufzug nehmen? Tweet löst Debatte aus, der Lieferdienst irritiert mit seiner Antwort
Deutsche Bahn
Tarife
Streiks
Streiks bei der Bahn: Lokführergewerkschaft kämpft um mehr Geld und ihre Existenz
Lieferando weist Vorwürfe zurück
Lieferando weist die Vorwürfe jedoch zurück. „Die Fahrer-App entspricht den geltenden Datenschutzbestimmungen“, sagt Lieferando-Sprecher Oliver Klug. Die ermittelten Daten wie Zeit oder Ort seien „unerlässlich“, damit der Lieferservice funktioniere. Gleichzeitig versichert Klug, dass das Unternehmen sie nicht für „unerlaubte Leistungs- oder Verhaltenskontrolle“ verwende.
Sie würden zudem nur dann erfasst, wenn die App aktiviert ist – und somit auch nicht, wenn sich ein Fahrer nach Feierabend oder für Pausen auslogge. Nach Angaben Klugs werden die Beschäftigten zudem darüber informiert, zu welchem Zweck die Daten genutzt werden. Er betont auch: „Die Betriebsräte haben mehrfach Einblicke in die App bekommen. Wir können nicht per Fax mit unseren Fahrern kommunizieren.“
Weitere Aktionen geplant
Lieferando hat mittlerweile immerhin einen Betriebsrat – bei Gorillas ist man davon noch weit entfernt. Verdi-Sprecher Isemeyer rät auch den Beschäftigten bei Gorillas, gemeinsam für ihre Arbeitnehmerrechte zu kämpfen. Um Lohn und Arbeitsbedingungen per Tarifvertrag durchzusetzen, müssten sich die Fahrerinnen und Fahrer möglichst schnell so organisieren, dass sie ihre Ziele auch erreichen könnten – notfalls durch einen langfristigen Streik.
Anzeige
Auch Christoph Schink von der NGG spricht sich für einen Tarifvertrag aus. Und er hat klare Forderungen an die Lieferdienste: „Respekt, Transparenz – und faire Entlohnung“.
RND