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chon der erste Probeflug war eine reine Showveranstaltung. Vor acht Jahren startete DHL eine knallgelbe Drohne mit dem Namen „Paketkopter“, direkt am Posttower in Bonn. Die Manager waren vorsichtig optimistisch: Man stehe noch ganz am Anfang. Doch die Zukunft der Paketzustellung liege in der Luft, nicht mehr auf der Straße.
Die Drohne war zu diesem Zeitpunkt wenig mehr als ein Werbegag. Sie musste von zwei Piloten gesteuert werden und schaffte nur wenige Hundert Gramm Nutzlast. Im Einsatz war ein schnell zugekauftes Modell der Siegener Firma Microdrones, das eigentlich Überwachungskameras tragen sollte.
Immerhin für die gelbe Farbe hatte es gereicht. Mit der günstigen PR-Aktion gelang es der Deutsche-Post-Pakettochter scheinbar, mit Amazon gleichzuziehen. Der US-Konzern hatte zuvor das Video eines Paketfliegers veröffentlicht und die Entwicklung zur Serienreife angekündigt.
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Knapp acht Jahre und diverse Pilotprojekte später fliegen die Paketdrohnen von Amazon und DHL immer noch nicht im regulären Betrieb. Mehr noch: Auf Anfrage erklärt DHL-Sprecher Alexander Edenhofer überraschend: „Das Projekt Paketkopter führen wir nicht weiter.“ DHL hat die Drohnenfliegerei hierzulande komplett eingestellt. Und bei Amazon wird „Prime Air“ ebenfalls zum Tiefflieger. Bei einem Pilotprojekt in Großbritannien werden Mitarbeiter gekündigt oder anderweitig eingesetzt.
Die Zustellung aus der Luft war lange Zeit eine große Hoffnung der Logistiker. Das Paketgeschäft wächst rasant. Immer mehr Menschen bestellen immer mehr Produkte online und erwarten eine Lieferung bis vor die Haustür. Straßen und Zusteller sind zunehmend überlastet.
Der autonome Pakethubschrauber schien die ideale Lösung zu sein. Doch viele technische Probleme sind kaum lösbar. Vor allem aber ist die Sache offenbar einfach zu teuer.
Ein Regelbetrieb ist nicht mehr beabsichtigt
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Auch ein DHL-Pilotprojekt zum Medikamentenversand in Tansania zusammen mit dem deutschen Bundesentwicklungsministerium wird vom Paketdienstleister nicht fortgesetzt. Zwar habe man „wichtige Erkenntnisse“ gewonnen, heißt es bei DHL, doch ein Regelbetrieb sei nicht mehr beabsichtigt.
Noch wirbt das Unternehmen auf seiner Web-Seite mit dem Projekt: „Der DHL Paketkopter kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn ein Transport über etablierte Infrastrukturen schlecht möglich ist“, und biete „einen gesellschaftlichen Mehrwert für die Menschen vor Ort“. Doch in der Realität erwies sich die gelbe Drohne als nicht tauglich für den Masseneinsatz.
Selbst Amazon, das 2013 den Drohnenhype angestoßen hatte, geht einem Bericht des US-Magazin „Wired“ zufolge auf Abstand. Demnach müssen sich 100 Mitarbeiter in einem Prime-Air-Projekt in Großbritannien einen neuen Job suchen – bei Amazon selbst oder woanders. Auf Anfrage erklärt Amazon: „Wir haben vor Kurzem organisatorische Änderungen in unserem Prime-Air-Geschäft vorgenommen.“ Ganz eingestellt sei das Projekt jedoch nicht.
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Zuversicht klingt anders. In sozialen Medien hatte Amazon seit 2013 ein Prime-Air-Video nach dem anderen veröffentlicht. Viele davon sind allerdings inzwischen auf „privat“ gestellt und können nicht mehr angesehen werden. Aus den Videos, die noch online stehen, wird jedoch das Hauptproblem der Drohnenzustellung deutlich: Nie zeigt Amazon, wie seine Kunden mit dem Flieger interagieren sollen. Die Drohnen stellen Pakete einfach in riesige Vorgärten. Wie das bei schlechtem Wetter, in der Stadt oder in Gegenden mit diebischen Nachbarn funktioniert, verrät Amazon nicht.
Dabei hat der Konzern jahrelang viel Energie in das Thema gesteckt: In den USA hat der Konzern knapp 70 Patente angemeldet, darunter Ideen für automatische Packstationen mit Drohnen-Landepad, für das Konzept eines Luftschiffs als Drohnen-Mutterstation oder für besonders leise Rotorblätter.
Das jüngste Patent wurde am 7. Juli veröffentlicht, es zeigt einen Paketlaster, der als rollende Basisstation für die Zustellung per Roboter und Drohne dient. Die Idee kommt direkt aus dem Science-Fiction-Roman „Ready Player One“. Amazon hat das Thema also keineswegs aufgegeben. Doch ein Startdatum nennt der Konzern nicht mehr.
In Australien beschwerten sich Anwohner über den Lärm
Nicht nur Amazon, auch Googles Mutterkonzern Alphabet versucht sich seit Jahren an der Drohnen-Logistik. Die Pilotversuche der Tochterfirma Wing in Australien und den USA zeigen, welche Hürden es geben kann: In Australien beschwerten sich Anwohner eines Vororts in Canberra, in dem Wing seine Flieger testet, über den Lärm der Rotoren. Ein lokaler Hundeclub warnte vor traumatisierten Vierbeinern. Die Behörden maßen daraufhin Schallpegel, die die vorgeschriebenen Grenzen für Wohngebiete deutlich übertrafen.
In Christiansburg im US-Bundesstaat Virginia testet Google ebenfalls die Zustellung per Drohne – das Problem hier: Die Flüge sind relativ teuer, ein echtes Geschäftsmodell ist nicht in Sicht. Im PR-Video verkaufen Pfadfinderinnen ihre selbst gebackenen Plätzchen per Drohne. Wie viel die dann pro Lieferung mehr kosten, verrät Wing nicht.
„Das Problem ist aus unserer Sicht, dass Drohnenlieferungen an Endkonsumenten sich schlicht noch nicht rechnen“, sagt Tom Plümmer, CEO des deutschen Lastendrohnen-Start-ups Wingcopter. Bei Turnschuhen oder Büchern sei die Marge so gering, dass sich ein halbstündiger Drohnenflug nur in Ausnahmefällen lohnt. „Wir setzen deswegen auf Geschäftskunden“, sagt Plümmer.
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Wingcopter will mit schnellen, lebenswichtigen Lieferungen über lange Strecken in dünn besiedelten Gebieten Geld verdienen. Nun konnte Plümmer eine Partnerschaft mit dem Helikopterbetreiber Air Methods aus Denver (Colorado) bekannt geben. Gemeinsam wollen die beiden Firmen Medikamente, Blutproben oder Blutkonserven per Drohne zwischen Krankenhäusern oder zu abgelegenen Arztpraxen im Mittleren Westen der USA fliegen.
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„Hier kann die Drohne ihre Vorteile voll ausspielen: Sie ist schneller und effizienter und umweltfreundlicher als ein Kurier im Auto“, erklärt Plümmer. Zudem ist bei medizinischen Lieferungen die Zahlungsbereitschaft höher, insbesondere wenn die Drohne, etwa bei lebenswichtigen Blutkonserven, teure Helikopter ablöst.
Langfristig will Plümmer die Flüge weiter automatisieren: „Unsere neueste Software ermöglicht es einem Piloten, zehn Wingcopter gleichzeitig zu kontrollieren.“ Dann soll sich auch die Serienproduktion der Flieger lohnen. Wingcopter baut im hessischen Weiterstadt eine Drohnenfabrik auf, investiert mehr als 20 Millionen Dollar. Damit ist das deutsche Start-up weiter als die US-Internetriesen.
Die könnten langfristig ebenfalls Partnerschaften suchen, anstatt selbst weiterzuforschen. Zumindest für Amazon ist der Zukauf der Drohnen laut den jüngsten Berichten eine Alternative. Der Logistikkonzern UPS, Amazons direkter Konkurrent im Logistikgeschäft, arbeitet bereits mit Wingcopter zusammen.
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