Hamsterkäufe für den harten Brexit

Nick Thomas ist 25 Jahre alt und arbeitet bei der Müllentsorgung in Cornwall. Er hat beim Referendum für einen Austritt Großbritanniens aus der EU gestimmt. Die gemeinsame Fischereipolitik der EU habe zu viele negative Auswirkungen auf die Wirtschaft seiner Region gehabt, sagt er. Und obwohl er glaubt, dass am Ende alles glimpflich ausgehen wird, schließt er nicht ganz aus, dass der Brexit doch noch komplett schiefgehen könnte.

Deshalb hat Thomas sich vorsorglich schon einmal einen beachtlichen Vorrat an Nahrungsmitteln angelegt - hauptsächlich Reis und Nudeln, aber auch Bohnen und anderes Gemüse in Dosen. "Die größte Sache ist die Lebensmittelversorgung", sagt er. "Einige meiner Freunde haben es genauso gemacht wie ich und große Mengen Reis und Nudeln gekauft - Lebensmittel, die sich lange halten. Aber wir sind alle der Meinung, dass man sich um nichts Sorgen machen muss."

Nick Thomas ist sich sicher, dass die ganze Geschichte mit dem Brexit gut ausgehen wird. So sicher man sich eben sein kann. "Klar, wenn es zu einem harten Brexit ohne Deal kommen sollte, dann gibt es im schlimmsten Fall auch Unruhen und Plünderungen in den Straßen, dann droht ein nationaler Aufstand. Wenn die Menschen nichts zu essen haben, werden sie aufstehen und kämpfen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich so weit kommt - das wäre wirklich das absolute 'Worst Case'-Szenario", sagt Thomas der DW.

Die Hoffnung im Brexit-Drama schwindet: "Es wird schon gut ausgehen. Wahrscheinlich."

Er fügt hinzu: "Ich hoffe wirklich, dass alles klappt und wir irgendeinen Deal zustande bringen. Aber wenn du dich nicht gewissenhaft auf ein mögliches Scheitern vorbereitest, wirst du selbst scheitern. Es ist besser, die Vorräte zu haben und sie nicht zu brauchen, statt sie zu brauchen und sie nicht zu haben. Sie sind da als Absicherung - und wenn nichts passiert, dann hab ich trotzdem Reis und Bohnen für die nächsten drei Jahre."

Dunkle Aussichten

Nick Thomas ist nicht allein. In Großbritannien gibt es unzählige Menschen, die sich über die Zukunft nach dem Brexit Sorgen machen - und Vorräte anlegen. Die sogenannten "Prepper" tauschen sich zum Beispiel auf Facebook aus. Die Gruppe "48% Preppers" hat mehr als 8000 Mitglieder.

Gerade jetzt, da das Austrittsabkommen mit der EU im britischen Parlament abgelehnt wurde, nehmen die Sorgen über einen ungeordneten Austritt am 29. März zu. Ein plötzliches Ende von bisher bestehenden Handelsabkommen und Zollvereinbarungen könnte zu völligem Stillstand an den Häfen führen, LKW könnten auf den Autobahnen feststecken und Lebensmittel auf Fähren vergammeln. Zusammengefasst: Lebensmittel in britischen Supermärkten und Medizin in den Apotheken könnten knapp werden.

Das Gesundheitsministerium hat bereits damit begonnen, Lagerhallen anzumieten, um im Falle eines ungeordneten Brexits Arzneimittel zu lagern. Supermarktketten wie Tesco oder Marks & Spencer legen selbst Vorräte von Dosengerichten aller Art an. Die Regierung warnt, dass frische Lebensmittel knapp werden könnten.

Abhängig von Europa

Schon lange vor der Brexit-Abstimmung, hat Thomas viel über das Überleben in Krisenzeiten gelesen. "Bisher ging es dabei eher um den Weltuntergang", sagt er. "Aber der Brexit ist nur der Anfang." Auch andere, die sich nie selbst als "Prepper" oder Überlebenskünstler bezeichnet hätten, bereiten sich aufs Schlimmste vor.

Thunfisch, Tomaten, Bohnen: Elizabeth sammelt haltbare Lebensmittel in Konserven gegen das Brexit-Chaos

Elizabeth, eine Londoner PR-Beraterin, möchte nur ihren Vornamen preisgeben. Auch ihre Regale sind voll mit haltbaren Lebensmitteln, hauptsächlich in Konserven: Linsen, Reis, Tomaten, Thunfisch oder Zutaten wie Honig, Senf und Kräuter. "Vorräte anzulegen für den Ernstfall hört sich für viele ziemlich verrückt an", sagt sie. Aber nachdem sie viel über die Lieferketten Großbritanniens gelesen habe, sei ihr bewusst geworden, wie abhängig das Land vom Rest Europas ist. "Da kann man sich wirklich nur Sorgen machen."

Elizabeth rechnet nicht damit, dass Menschen in Großbritannien hungern müssen: "Aber ich kann mir schon vorstellen, dass man im Supermarkt bestimmte Grundnahrungsmittel dann nicht mehr oder nur noch schwer bekommt. Ich möchte nicht, dass meine Familie und ich uns darüber Sorgen machen müssen, was wir dann noch essen können."

Vorbereitungen für Mensch und Tier

Elizabeth, die für einen Verbleib Großbritanniens in der EU gestimmt hat, überlegt derzeit, auch einen Vorrat an Antihistaminen für ihre Tochter anzulegen, die oft unter starkem Heuschnupfen leidet. "Der Arzt hat gesagt, dass er uns keine weiteren Rezepte ausstellen kann. Also werde ich die Medikamente selbst in der Apotheke besorgen, als Absicherung."

Die Londoner "Prepperin" legt sogar Vorräte für ihre Katze an. "Wir haben das Tier dieses Jahr bekommen und ich möchte nicht in die Situation kommen, dass ich nicht das richtige Futter habe und es deshalb gesundheitliche Probleme bekommt", sagt sie. "Pets At Home", eine Handelskette für Haustierbedarf, denkt sogar darüber nach, für den Fall eines harten Brexits acht Millionen Pfund (rund neun Millionen Euro) in die Vorratshaltung von Tierfutter zu investieren.

Futter und Katzenstreu: Großbritannien bereitet sich auf Engpässe vor - auch für die Tierwelt

"Es wird schnell vorbei sein"

Der 29. März rückt immer näher, doch noch sieht es nicht so aus, als könnte im britischen Parlament noch ein Durchbruch gelingen. Die Idee, sich auf den schlimmsten Fall vorzubereiten, erfasst mittlerweile weite Teile der Bevölkerung. Die nicht ganz ernst gemeinte Internetseite "BrexitPrepping.com" informiert die Briten darüber, was sie für den Ernstfall kaufen sollten. Je nachdem, wie besorgt der Nutzer ist, schlägt die Seite verschiedene Einkaufslisten vor. Der Vorrat für eine Woche kostet demnach 111 Pfund, für einen Monat sind es schon 459 Pfund.

In Cornwall hofft Nick Thomas derweil trotz seiner Hamsterkäufe weiterhin auf ein gutes Ende. "Die EU könnte uns mit strengen Grenz- und Zollregelungen dafür bestrafen, dass wir für den Austritt gestimmt haben. Aber ich habe das Gefühl, dass das nicht lange anhalten wird", beruhigt er sich selbst. "Die Preise werden nur kurzfristig ein wenig steigen, aber die ganze Sache wird nach einer Woche wieder vorbei sein."

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