Nachdem IKEA gefühlt 95 % der deutschen Haushalte mit seinem Mobiliar ausgestattet hat, schnüffelt die Konzernspitze in bodennahen Regionen nach neuen Zielgruppen. Jetzt gerieten auch Hunde und Katzen ins Visier des schwedischen Möbelgiganten. Schwedische Möbel für Miez und Mops.
Träumt der Fiffi von einem neuen Hundesofa und rekelt sich die Mieze nach einem trendigen Katzenchaiseloungue, werden Frauchen und Herrchen im Fachhandel fündig. Die – reellen und virtuellen – Regale brechen regelrecht zusammen: Betten, Decken, Liegen und Matratzen; orthopädisch und antibakteriell, ergonomisch und hypoallergen. Billig-will-ich oder Koste-es-was es-wolle. Aus Erdöl-Polyester oder Bio-Hanf. Das Sortiment des tierischen Mobiliars trifft jeden Geschmack – von den mondänen Design-Gourmets über die militanten Öko-Puristen bis zu den Mainstream-Käufern. Die letzteren machen auch das Gros der Kaufkraft aus, besonders gerne, wenn Tatzen-Dessins oder Knochen-Muster irgendwo zu finden sind.
Dass Hunde und Katzen eine äußerst gewinnbringende Zielgruppe sind, haben internationale Lebensmittelkonzerne wie Mars und Nestlé längst erkannt. Nun ziehen auch andere Akteure nach: IKEA, bekannt für sein maßentaugliches Design, niedrige Preise und ebensolche Qualität, gibt sich jetzt auch als Hunde- und Katzen-Experte aus.
IKEA USA wirbt mit Klippan für alle
Haustier-Zubehör: Mehr ist mehr
Rein materialistisch betrachtet, muss es den Hunden und Katzen hierzulande gut gehen: Nach minimalen Einbußen 2015 hat das darauffolgende Jahr den deutschen Händlern wieder einen Umsatzplus beschert: Allein mit Bedarfsartikeln und Zubehör hat der stationäre Zoofachhandel fast eine Milliarde Euro Umsatz erzielt, genauer gesagt 977 Millionen – ein Plus von 2,5 Prozent, hauptsächlich im Bereich der Hunde und Katzen. Die Unternehmen freut es, die Verbände auch: „Diese erfreuliche Entwicklung ist sicherlich auch das Ergebnis der engagierten Arbeit im Zoofachhandel, der ja den weitaus größten Anteil an diesem Marktsegment darstellt“, so Norbert Holthenrich, Präsident des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. (ZZF).
Hundekuchen neu verteilt
Sicher haben sich die Zoofachverkäufer ganz besonders viel Mühe gegeben, schließlich wächst die Online-Konkurrenz von Amazon, Zooplus & Co. tierisch schnell an. Doch schon bald müssen sich die Handelsketten – ob im Web oder in der Filiale – erst recht warm anziehen: Denn auch IKEA ist auf den Hund gekommen und will etwas vom Kuchen abhaben. Angesichts der Popularität, der sich die Einrichtungshäuser erfreuen, ist es durchaus wahrscheinlich, dass demnächst sehr viele Vierbeiner ihre Träume auf IKEA-Betten träumen und ihre Mahlzeiten aus IKEA-Näpfen schlingen. Bei derzeit 53 Filialen bundesweit fahren sicher nicht alle Hunde- und Katzenliebhaber extra wegen ihrer Tiere zu IKEA, doch wenn man schon das BILLY holt, nimmt man gerne auch das LURVIG mit – so heißt die neue Haustierkollektion bei den Schweden.
© IKEA Promo
LURVIG: Haustierliebe bei IKEA
Neben “beschwipst“ und „beduselt“ bedeutet LURVIG im Schwedischen auch „haarig“ oder „zottelig“- und wohl eben diesen Sinngehalt mochten die Schöpfer der Haustierlinie bei der Entwicklung im Sinn gehabt haben. Es sei denn, die Namensgebung ist auf ein feucht-fröhliches Brainstorming unter den Kreativen bei IKEA zurückzuführen. Doch sei’s drum, der Name ist schließlich nicht alles.
Den wenigsten deutschen IKEA-Liebhabern wird es eh klar sein, dass die Möbel und Dekoartikel auf Schwedisch eine Bedeutung haben: Namen von Orten, Flüssen und Seen, Bezeichnungen aus der Musik, Chemie oder Meteorologie, weibliche und männliche Vornamen oder ganz bodenständige Beschreibungen von Funktionen.
So heißt LÄMPLIG bei dem Schneidebrett einfach „zweckmäßig“ oder BURKEN bei der Aufbewahrung nichts anderes als „Dose“. Den Namen LURVIG werden erst einmal über 50 Gegenstände tragen, darunter ein Katzenhaus auf Stelzen oder eine Polyester-Würfel, beide in KALLAX-Regale integrierbar. Auch ein kastig-schlichtes Hunde-Sofa – eine Miniatur des KLIPPAN-Zweisitzers – oder ein weißes Pressspann-Bett, das sich klassisch oder auf dem Kopf gedreht benutzen lässt, gehören zum LURVIG-Sortiment. Darüber hinaus aber auch Näpfe und Wasserspender, Spielzeug und Bürsten, Leinen, Halsbänder und Geschirre, Kissen und Kratzbäume. Alles schön funktional, massenkompatibel und erschwinglich.
LURVIG Hundebett für $49.99 bereits in USA erhältlich © IKEA USA
IKEA für Hunde: Pressspann, Plastik, Palmöl, Polyester
Am teuersten – mit 54,98 Dollar (rund 46 Euro) – ist das weiße Katzenhaus mit einer Kratzwand aus Sisal. Das Regal kommt leichtfüßig auf vier Beinen daher, kann aber auch aufgehängt oder zum Element des KALLAX-Regals werden. Etwa die Hälfte der neuen Haustierartikel bei IKEA kostet weniger als 5 EUR – tierisch billig, keine Frage. Für die preisbewussten Haustierhalter ist das sicher eine erfreuliche Nachricht. Weniger erfreulich ist, dass die Produkte zum größten Teil aus billigen und nicht langlebigen Presspannplatten sowie aus Plastik und Polyester bestehen.
Als nachwachsende Ressource könnte Holz an sich eine gute Idee sein, zumal das Unternehmen bis 2020 erreichen will, dass Holz, Papier und Pappe ausschließlich aus Recycling stammen oder aus FSC-zertifzierten Quellen (Forest Stewardship Council). Auf jeden Fall ist Holz besser als die Plastik-Artikel und Polyester-Stoffe, für die, die endlichen Erdölreserven angezapft werden. Und besser als das Palmöl in den spottbilligen Teelichtern, das den Regenwald vernichtet. Und auch besser als die mangelhaften Tierschutzstandards bei den Masthühnern, die in rauen Mengen auf den Tischen der IKEA-Restaurants landen, welche schließlich zu den größten Gastronomieunternehmen in Deutschland und Europa gehören.
Doch IKEAS Holz-Quellen in Osteuropa, wo weite Waldflächen von dem Unternehmen aufgekauft werden, bleiben zweifelhaft: Auch wenn die Rodung im nordrussischen Karelien jetzt Geschichte sein soll, bleiben noch die Grundstücke in Rumänien, darunter auch Flächen, die wegen Verdacht auf Bestechung und Geldwäsche im Visier der Staatsanwaltschaft des Landes stehen. Neben den ominösen Quellen lässt vor allem aber auch die Ausarbeitung der Möbel zu wünschen übrig: Sie sind nicht robust und langlebig genug, um mehrere Jahre – oder mehrere Hunde und Katzen – zu überdauern. Die wenigsten IKEA-Möbel überleben einen Umzug: Die Gewinde halten ein mehrmaliges Auf- und Zuschrauben nur schlecht aus.
Hunde haben nach wie vor keinen Zutritt
Doch was billig ist, wird gern gekauft – und genauso gern ersetzt. Also fördert der schwedische Möbelgigant die allgegenwärtige Wegwerf-Mentalität und kurbelt den sinn- und grenzenlosen Konsum weiter an. Vorerst gibt es die LURVIG-Produkte nur in den USA, Kanada, Japan, Frankreich und Portugal, doch schon bald – voraussichtlich im März 2018 – darf sich auch das deutsche Frauchen oder Herrchen auf das „haarige“ Zubehör freuen. Die Haustierliebe bleibt bei IKEA allerdings nur dem Umsatz mit den entsprechenden Produkten vorbehalten. Hunde haben zu den Einrichtungshäusern nach wie vor keinen Zutritt. LURVIG? Eine haarige Sache. Braucht keiner. Will jeder.
Über IKEAIKEA, gegründet 1943 von Ingvar Kamprad in Schweden, ist der größte Möbelhändler der Welt und gehört der Stiftung Stichting INGKA Foundation mit Sitz in den Niederlanden. Mit einem Wert von 36 Milliarden US-Dollar ist sie theoretisch die weltgrößte gemeinnützige Organisation, die Geldmittel werden allerdings als Investitionskapital für die IKEA Group eingesetzt. Als gemeinnützig registriert, muss die Stiftung nur wenig Steuern zahlen und hat nach dem niederländischen Gesetz keine Offenlegungspflicht. IKEA ist mit 321 Einrichtungshäusern in 28 Ländern vertreten. Mit 35 Filialen und einem Umsatz von 4,867 Milliarden Euro (Geschäftsjahr 2017) ist Deutschland der größte Absatzmarkt, gefolgt von den USA und Frankreich.