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m Jahr 1998 war Cameron Diaz 26 Jahre alt und sehr dünn. Das Ex-Model konnte essen, was es wollte, also aß es, was es wollte. „Wenn du bist, was du isst, dann war ich ein Bohnen-Burrito mit extra viel Käse und extra viel Soße“, hat sie mal erzählt. Ein Burrito mit schlechter Haut und „ohne Kraft.“ Dann bekam sie die Rolle einer Privatdetektivin in der Actionkomödie „Drei Engel für Charlie“ und wurde vom Kampfsportmeister Cheung-yan Yuen trainiert.
Man muss sich das wohl ein bisschen wie in dem Film „Karate Kid“ vorstellen, in dem mithilfe eines weisen Japaners aus einem Highschool-Schlaffi ein cooler Superninja wird. Jedenfalls dachte Cameron Diaz am Anfang des dreimonatigen Bootcamps, sie müsse sterben. Am Ende hatte sie die Idee für ein Buch: „The Body Book“ erschien dann aber erst 2013.
„Ich war süchtig nach Botox“
Sängerin Anastacia hat zugegeben, es in ihren 30ern ziemlich mit Botox übertrieben zu haben. Alle drei Monate ließ sie sich das Beauty-Gift spritzen.
Quelle: Zoomin.TV
Es handelt davon, wie man im Einklang mit seinem Körper lebt, indem man vernünftig isst und sich viel bewegt. Sowohl „Drei Engel für Charlie“ als auch „The Body Book“ waren große Erfolge.
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Dann wurde Cameron Diaz 39 und ständig gefragt, ob sie Angst vor der 40 habe. Sie hatte – angeblich – keine, aber die Idee für ein neues Buch. Jetzt, drei Jahre später, ist „The Longevity Book“ (etwa: „Das Buch vom langen Leben“) herausgekommen, und es handelt davon, wie man im Einklang mit seinem Alter lebt, indem man im Einklang mit seinem Körper lebt. Man könnte das Langlebigkeitsbuch auch „Cameron Diaz’ Body-Buch, jetzt mit noch mehr Cytoplasma!“ nennen, weil es noch ausführlicher auf die biologischen Prozesse eingeht, die sich im weiblichen Körper abspielen, wenn er altert, bevor Cameron Diaz dann schreibt, was frau dagegen tun kann.
Idole, nah an den Massen wie nie
Denn dass etwas gegen das Altern getan werden muss, darin sind sich Hollywoods Frauen einig. Nur was genau, das scheint sich gerade zu ändern. Früher waren Hollywoodstars geheimnisumwitterte Ikonen – perfekt, unnahbar, einzigartig. Geändert hat sich das längst, aber so nah wie heute waren die Idole den Massen noch nie.
Fisch altert im Zeitraffer - Wissenschaftler sind begeistert
Ein Fisch aus Afrika altert im Zeitraffer. Und seine Gene ähneln denen des Menschen. Die Fachwelt jubelt, denn damit könnten bald neue Erkenntnisse geschöpft werden, wie und warum wir altern.
Quelle: Die Welt
Seit das Selfie auf Instagram mindestens so wichtig ist wie die Fotoserie in der „Vogue“, seit also Authentizität ein Aktivposten ist, eröffnen sich besonders Hollywoods Frauen ganz neue Geschäftsfelder. Jessica Alba putzt biologisch abbaubar (ihre Reinigungsmittel sind ein 1,7-Milliarden-Dollar-Unternehmen), Gwyneth Paltrow kocht Gesundes (ihr viertes Kochbuch, „It’s All Easy“ ist soeben erschienen) – und Cameron Diaz altert mit Selbstbewusstsein, mit Selbst-Bewusstsein im wahrsten Sinne des Wortes.
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Diese Schauspielerinnen haben erfolgreich ein Gute-Freundin-Image etabliert und brauchen für ihren Erfolg im Grunde keinen Hollywood-Glamour mehr – ihr Publikum hört auf sie, gerade weil sie so normal wirken. „The Longevity Book“ stieg kurz nach seinem Erscheinen im April auf Platz 2 der „New York Times“-Bestsellerliste für Ratgeber ein.
Jennifer Aniston ist „zeitlos“
Der Natürlichkeitstrend ist damit auch in Hollywood beim Thema Altern angekommen. Selbstverständlich gibt es weiterhin Frauen wie Sandra Bullock, 51, oder Reneé Zellweger, 46, die sich noch eher an den früheren „Mädchen von nebenan“ wie Goldie Hawn, 70, oder Meg Ryan, 54, orientieren und beim Schönheitserhalt nach wie vor zu Spritze und/oder Skalpell greifen.
Aber Vorbildfunktion haben Frauen wie Jennifer Aniston, die von „People“ gerade zur schönsten Frau der Welt erklärt wurde. Zum zweiten Mal übrigens, 2004 stand sie mit damals 35 Jahren schon einmal an der Spitze. Sie sei „zeitlos, alterslos und schön“, sagt die Zeitschrift, und Aniston sagt, mit den Jahren habe sie gelernt, jede Einzelheit an ihrem Körper zu lieben, „sogar meinen Hintern“, für den sie früher gehänselt worden sei. „Heute zahlen Menschen dafür, lassen sich irgendetwas spritzen, um so einen Hintern zu haben.“ Ihr sei auch klar geworden, dass es neben der Kleidung und dem Gesicht „noch so viel mehr Schönheit in einem menschlichen Wesen gibt“.
Zur schönsten Frau der Welt ernannt: Jennifer Aniston im Januar 2016
Quelle: REUTERS
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Sie sagt allerdings auch, dass sie an sechs Tagen pro Woche trainiere und auf ihre Ernährung achte. Am schönsten fühle sie sich „nach einem großartigen Work-out“.
Und Cameron Diaz mag zwar betonen, ihr Buch sei „kein Anti-Aging-Buch“, sie „werde nicht erklären, wie man die Zeit austrickst oder den Alterungsprozess in 30 Tagen umkehrt“. Aber auch ihre Empfehlungen weisen nicht gerade auf einen Paradigmenwechsel in Hollywood hin, selbst wenn sie von ihrer Oma erzählt, die regelmäßig freiwillig schwere Kilosäcke mit Tierfutter vom eineinhalb Kilometer weit entfernten Laden durch die Sommerhitze zu ihrer Farm geschleppt hat: „Wir müssen so lange wie möglich so hart wie möglich an uns arbeiten, wenn wir unsere Kraft im Alter behalten wollen.“
Die Abkürzung der Faulen
Gesundheit und Schönheit ist dem modernen, fitnessverliebten (und sehr amerikanischen) Körperbewusstsein entsprechend nichts, was man einfach besitzt, nichts, was einem passiert, sondern etwas, das man sich verdient. So wie der Reichtum auf all jene wartet, die sich im Job nur genug ins Zeug legen, so ist Gesundheit die Belohnung für harte Arbeit am eigenen Körper. Weshalb „The Longevity Book“ bei aller Sachlichkeit manchmal klingt wie ein Training bei Kampfsportmeister Yuen. Wie ein Bootcamp gegen den Zellverfall. Wir müssen ausreichend schlafen, uns bewusst ernähren und viel bewegen. Unsere Muskeln stärken, viel Wasser trinken, Sonnencreme und Sonnenbrille nicht vergessen. Etwas gegen den Stress tun. Meditieren, massieren, spazieren gehen.
Im Umkehrschluss aber bedeutet es, dass Krankheit die Strafe für falsches Verhalten ist. Krankheit – und Altern. Auch deshalb sind die Reaktionen auf die plastische Chirurgie so heftig und hämisch: Sie ist die Abkürzung der Faulen, Unwilligen, Uneinsichtigen, und die maskenhaften Gesichtszüge zeugen nicht nur von der frankensteinhaften Unnatürlichkeit des Eingriffs, sondern sind das entlarvende Kainsmal der Verräterinnen.
Sandra Bullock im Sommer 2015
Quelle: dpa
Was „People“ allerdings nicht davon abgehalten hat, 2015 Sandra Bullock zur schönsten Frau der Welt zu erklären. Eine Frau, der man ihre 51 Jahre nicht ansieht, und zwar nicht nur, weil sie sich kohlehydratarm ernährt und auf eine Trainingskombi aus Tanz, Yoga und Pilates schwört, sondern eben auch gern den Chirurgen ihres Vertrauens zurate zieht. Auch Frauen wie Jennifer Aniston und Cameron Diaz hüten sich, kosmetische Eingriffe zu verurteilen. Diplomatisch sagt Jennifer Aniston, für sie käme das „derzeit nicht infrage“, ausschließen könne man allerdings gar nichts.
Das Alter ist und bleibt eine lästige Unannehmlichkeit im Kampf gegen das herrschende Schönheitsideal – und es ist das Alter, das es zu bekämpfen gilt, nicht das Ideal. Dagegen ist im Grunde auch überhaupt nichts einzuwenden. Denn es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass Hollywoodstars so sein sollen wie wir. Das sollen sie auf keinen Fall. Höchstens eine verbesserte Version unserer selbst.
Sie sollen so sein, wie wir gern wären. Gesund und stark und jugendlich – eben „zeitlos, alterslos und schön“ wie Jennifer Aniston. Oder wie Reese Witherspoon, die zwar nur die zweitschönste Frau der Welt wurde, aber mit ihren 40 Jahren aussieht wie 30 und redet, als sei sie 60: „Sexualität und Weiblichkeit sind das Ergebnis von Alter plus Weisheit plus dem Wohlfühlen in der eigenen Haut.“
„Jeder stirbt“
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Auf Platz drei landete übrigens Sofia Vergara, der kolumbianische Star aus der TV-Serie „Modern Family“. Sie ist 43 und hasst das Älterwerden: „Mich selbst auf dem Bildschirm altern zu sehen ist furchtbar. Nichts ist verstörender, als eine Folge ,Modern Family‘ der ersten Staffel anzusehen und dann eine von sieben Jahren später. Da will ich mich einfach nur umbringen – aber was soll man schon machen?“ Sofia Vergara mag vielleicht nicht aussehen wie 43, aber wenigstens spricht sie wie eine 43-Jährige.
Aber Hollywood ist ja auch nie mit dem Ziel angetreten, für die Alten, die Hässlichen oder Entrechteten zu kämpfen. Hollywood will an den Kinokassen Geld machen – und die Kinogänger teilen sich nicht nur ziemlich gleichmäßig auf in Frauen (51 Prozent) und Männer (49 Prozent), sondern bestehen laut der MPAA, der Vereinigung der großen Hollywood-Studios, zu rund einem Drittel aus Zwölf- bis 24-Jährigen. Dass sich das langfristig angesichts der demografischen Entwicklung wandeln wird, ist zwar absehbar.
Der Druck auf Hollywoodstars, so lange wie möglich so jung wie möglich auszusehen, wird dennoch bestehen bleiben. Denn auch wenn der Markt für Stars im fortgeschrittenen Alter wachsen mag, wirklich alt aussehen – so mit Falten und Hängebacken – werden sie wohl auch in Zukunft nicht dürfen. Gut, dass sie dann bei ihrer Kollegin Cameron Diaz nachschlagen können, wie sich das vermeiden lässt.
Alle anderen aber können sich mit den Worten der großen Nora Ephron trösten: „Leute, die täglich vier Meilen rennen und nur Nüsse und Beeren essen, fallen tot um. Leute die täglich einen Liter Whiskey trinken und zwei Packungen Zigaretten rauchen, fallen tot um.“ Die amerikanische Autorin, von der das Drehbuch zu „Harry und Sally“ stammt, kommt daher zu folgendem Ergebnis: „Jeder stirbt. Dagegen kann man nichts tun. Egal, ob man täglich sechs Mandeln isst oder nicht.“