„Präsident sollte nur jemand werden, der auch Schweine versteht!“ (Harry S. Truman)
Bei Berlin gibt es ein Schweinemuseum. Auf ihrer Internetseite schreiben die Betreiber: „
Dieses Museum ist das einzige Museum, welches sich ausschließlich mit dem Nutztier Schwein beschäftigt. Wir verstehen uns als Bewahrer und Informationsquelle über das Schwein auf ehrenamtlicher Basis. Gruppen und wissbegierigen Besuchern können wir fachkundige und thematisch konzentrierte Führungen bieten! Besuchen Sie uns am Rande der Stadt Berlin und Teltow.“
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Die taz erwähnte das Schweinemuseum bisher nur am Rande, u.a. in einem Artikel von Nora Grosse-Harmann:
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Dagmar Schmauks Büroraum hat eigentlich gar nichts Auffälliges an sich. Schreibtisch und Computer auf der einen, ein reichlich bestücktes Bücherregal auf der anderen Seite. Dort reihen sich Wörterbücher, Lexika und voll bepackte Aktenordner aneinander – nicht untypisch für eine Sprachwissenschaftlerin.
Ein Aktenordner fällt sofort ins Auge: „Schwein“ steht in großen Lettern auf dem Ordnerrücken. Die Akte ist prall gefüllt mit Schweinegeschichten, Schweinecomics, Schweinezeichnungen und Schweineschlagzeilen aus Zeitungen, alles fein säuberlich ausgeschnitten und in Klarsichthüllen eingetütet. Denn Dagmar Schmauks, an der Technischen Universität angestellte Professorin für Semiotik, also die Lehre von den Zeichen und Zeichensystemen, erforscht, wie das Tier mit dem Ringelschwanz in der deutschen Sprache dargestellt wird. „Ich sammle viel und schreibe auf, was mir auffällt“, erklärt die Wissenschaftlerin. Oft suche sie sich aber auch Ratschlag von außerhalb, im Deutschen Schweinemuseum in Treptow oder im Museumsdorf Düppel.
Bereits in ihrer Kindheit sei sie auf das Schwein aufmerksam geworden, erzählt die 58-Jährige. Bei einem Ausflug zum Bauernhof hätte sie ein neugeborenes Ferkel auf den Arm nehmen dürfen. „Das war wohl mein Schlüsselerlebnis.“ Von da an gab es für Schmauks kein Halten mehr: „Wenn ich in den Medien irgendetwas entdecke, was irgendwie mit Schweinen zu tun hat, sei es nun Werbung, ein Cartoon oder ein Artikel – ich schneide es aus.“
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Allerdings, so betont die Wissenschaftlerin, sei das Schwein ihr „privates Hobby“ und kein offizielles Forschungsprojekt. „Manchmal beziehe ich das Schwein aber dennoch in meine Vorlesungen ein – etwa wenn es um Redewendungen geht, in denen Tiere vorkommen.“ Genau das scheint die Professorin am meisten zu interessieren. Eifrig zählt sie schweinische Metaphern auf wie „Glücksschwein“, „Drecksau“, „Schwein gehabt“. Sie zitiert aus Zeitungsartikeln, in denen „Kapitalistenschweine“ den Finanzmarkt ruinieren, verweist auf Werbung, in der ein Schweinerüssel als Steckdose günstige Strompreise verspricht. „Es ist doch spannend, dass ausgerechnet das Schwein für so viele Dinge herhalten muss, oder?“
Natürlich hat Schmauks auch eine Antwort auf die Frage parat, warum das Schwein in der deutschen Sprachenwelt so präsent ist: „Schweine sind dem Menschen eben sehr ähnlich“, behauptet sie. Außerdem diene das Schwein dem Menschen als Projektionsfläche seiner Sehnsüchte. Dabei verweist die Professorin auf die Redensart der „faulen Sau“.
„Im Grunde würde der Mensch auch gerne, im übertragenen Sinne, faul wie die Sau draußen in der Sonne liegen und sich im Schlamm suhlen, anstatt beruflichen Pflichten unterworfen zu sein“, sagt sie. Und wer träume wohl nicht davon, „einmal so richtig die Sau rauszulassen“, sprich soziale Konventionen zu vergessen, genauso frei und wild handelnd wie ein Tier, inklusive sexueller Lüsternheit?
„Leider sieht die Realität der Hausschweine heute ganz anders aus“, bedauert Schmauks. Künstliche Besamungsstationen bescherten dem Eber kein wirklich attraktives Sexualleben, viele Säue sähen nicht ein Mal in ihrem Leben das Tageslicht. Und auch das Bild vom lachenden Schwein in der Metzgerei lenke von der Wahrheit ab. Denn für viele Menschen, so die Sprachwissenschaftlerin, habe das Tier nur einen Nutzen – geschlachtet und gegessen zu werden. Trotz Schweineliebe verweigert sich die Professorin dem Genuss eines Schnitzels aber nicht: „Doch ich kaufe das Fleisch immer im Hofladen“, sagt sie. „Discounterfleisch kommt bei mir nicht auf den Tisch.“
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„Unsere Tiere“: Die Ausstellung in dem quasi zu Tierstudien verpflichteten „Tieranatomischen Theater“ der Humboldt-Universität wirkte minimalistisch, aber die meist kleinen Exponate hatten es in sich: Sie sind historisch wertvoll. Viele stammen aus einer riesigen Sammlung in Halle, deren Name allein schon schwer geschichtsträchtig klingt: „Museum für Haustierkunde ‚Julius Kühn‘ des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.“
Julius Kühn war ein bedeutender Agrarwissenschaftler, der u.a. der Frage nachging, ob die Zucht von
Hausschweinen
diese – unbeabsichtigt – verformt. Antwort: Ja. Die Beweise liegen auf dem Tisch, der in der Ausstellung im Themenbereich „Das Domestizierte Tier“ steht – mit 8 Schweineschädeln. Ihre Déformation professionelle läßt sich an einer stetigen Verkürzung der ursprünglich langrüsseligen Schnauze ablesen, was „bis zur Mopsköpfigkeit gehen kann“ und mit „Frühreife“ einhergeht.
Man mußte in dieser Ausstellung viel „lesen“, ich meine nicht das Gedruckte, die Hinweisschilder, den kostenlosen Ausstellungsführer...
In einer Vitrine im selben Raum wurde noch einmal Geschichte im Seriellen „lesbar“ gemacht. Das diachrone Experiment von Julius Kühn wiederholte die Mendelschen Erbsenexperimente mit Schweinen, indem verschiedene Schweinerassen mit der „Wildform“ gekreuzt wurden. Um möglichst viele „Daten“ zu generieren, tötete man die Ergebnisse bereits im zarten Kindesalter. In der Ausstellung hießen sie nun „7 Dermoplastiken von Ferkeln auf Holz.“ Bei einem weiteren Schweineexperiment ging es – „ab 1910“ – darum, herauszufinden, wie sich das Skelett bei Unter- und bei Überfütterung verändert. Die „Hunger/Mastversuche“ vorgenommen an „Vollgeschwistern“, lagen nun ebenfalls auf einem „Tisch“, nebst einer „dazugehörigen Originalholzkiste mit historischem Etikett und zwei Abzügen historischer Fotoglasplatten.“
Unter der Decke hingen 23 weitere Schweineschädel: Die Tiere wurden alle im 10. Lebensmonat „gebolzt“ und sehen – aus der Besucherperpektive – alle gleich aus. „Lange Serien von Tierarten sind das Handwerkszeug der Forschung vieler Naturkunde-Sammlungen,“ erklärt uns dazu der Katalog. Für die Museen können also gar nicht genug Tiere getötet werden. Einer der Kuratoren, Michael Fehr, Leiter des „Instituts für Kunst im Kontext“ an der UDK sagte es im Vorwort so: „Naturhistorische Museen haben – ausgesprochen oder unausgesprochen – immer den Tod zum Thema.“ Die Lehrsammlung, die das „am Beispiel Schwein“ zeigte, war nur eine von 16 „unterschiedlichen Positionen“ in der Ausstellung.
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Der Spiegel berichtete: „
Gern haben Dichter und Denker den Säuen ihre Perlen dargeboten. Schweine trippeln durch die homerische Odyssee und die nordische Edda. Für Gottfried Benn sind sie, mit dem Menschen, „die Krone der Schöpfung“, Edgar Allan Poe bewunderte ihre „gewiefte Intelligenz“; auch die deutsche Essayistin Cora Stephan ist vernarrt in die „zartbesaiteten, trickreichen Kolosse“, die so „ausdauernd in der Liebe“ sind.
Karl August Groskreutz heißt der schelmische Schweineforscher, ein studierter Landwirt und Schwarten-Spezialist. Die bäuerliche Fachwelt verdankt ihm Bestseller wie „Die 20-Ferkel-Sau“ und „Schweinepraxis heute“.
Als Pensionär, nunmehr 67, hat er sich vom Koben zur Kultur gewendet, seinen Rüssel in diverse Bibliotheken gesteckt und das Schweine-Aufkommen in der Dichtung aufgelistet. Das possierliche Resultat liegt in einem Buch vor, das im Wunderlich-Verlag erschien: „Die Sau des Salomo“ ist eine liebevoll komponierte Anthologie, ein Zitaten-Schatz mit köstlichen Trouvaillen.“
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In der Reihe „Naturkunden“ veröffentlichte der
in Berlin lehrende
Kulturwissenschaftler Thomas Macho 2015 ein Buch über Schweine.
Gleich zu Anfang heißt es: „Schweine sind bewundernswerte und beunruhigende Tiere. Sie ziehen an und stoßen ab: Die angemessene Nähe und Distanz zu finden fällt schwer, die Grenzen zwischen Schweinen und Menschen bleiben unscharf...“
Und werden immer unschärfer – zum Einen, weil immer mehr Körperteile von Schweinen in Menschen verpflanzt werden (Herzklappen z.B.), und zum Anderen, weil wir durch den Umgang mit lebenden Schweinen
innen und außen
von den gleichen Mikroorganismen besiedelt werden wie sie und weil wir durch den Verzehr toter Schweine die selben Tiermedikamente, die sie von der Geburt bis zur Schlachtung benötigen (Antibiotika z.B.), in uns aufnehmen.
Thomas
Machos Buch endet mit einem knappen Dutzend Portraits
von Haustier-Schweinerassen, die vom Aussterben bedroht sind. Er hat zuvor
bereits
etliche
Aufsätze über Schweine veröffentlicht
und
eine Ausstellung
(samt Katalog)
über dieses Tier kuratiert: „
Arme Schweine“ betitelt
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Der westdeutsche Ökologe und Tierfilmer Horst Stern erinnerte sich in einem Interview 1997: „Ich hatte in einem meiner Filme mal gesagt: So sind sie, die Ethologen. Die Südsee ist ihnen nicht tief genug, kein Urwald ist ihnen dicht genug und gefährlich genug. Aber in einen Saustall, da bringt sie niemand hinein.“ Trotz einer Schwemme von „Tierstudien“ und „Human-Animal-Studies“ gilt dies auch heute noch – für Schweine. Immerhin ersetzen gelegentlich engagierte Tierschützer die verbeamteten Tierforscher – in den Schweineställen, indem sie nächtens dort einbrechen und die traurigen Lebensbedingungen für die Tiere dokumentieren. Hier und da wird auch schon mal gegen eine im Bau befindliche Riesenmastanlage demonstriert oder diese sogar in Brand gesteckt.
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In „unserer“ mit 8.000 Schweinen noch relativ kleinen Anlage der LPG „Florian Geyer“, Saarmund, wo
Sabine Vogel und
ich zuletzt in der Rindervormast arbeitete
n
, war es laut, heiß und stank, regelmäßig mußte der Tierarzt irgendeinem Tier Antibiotika spritzen und ebenso regelmäßig rückte der Desinfektor an, jeden Morgen musste man ein oder zwei tote Tiere rauskarren und eigentlich waren alle froh, als eine winzige Dorfinitiative, angeführt von der Gemeindeschwester, eine Demonstration mit etwa 20 Leuten vor dem Tor organisierte – woraufhin die Kreisverwaltung in Potsdam die sofortige Schließung der Schweinemast anordnete: und 15 Leute ihren Arbeitsplatz verloren. Damals, im Februar 1990 konnte sich noch niemand vorstellen, dass sie vielleicht nie wieder eine neue Anstellung finden würden.
Über die Ausstellung „Arme Schweine“ von Thomas Machos berichtete ich in der taz: 2006 fand im Schloß Neuhardenberg eine Ausstellung über Schweine statt, in der es u.a. auch um eine ebenfalls nach der Wende abgewickelte Mastanlage ging, in der 800 Beschäftigte 146.000 Tiere jährlich „fett machten“. Dort – im uckermärkischen Haßleben – plante seit 2004 ein holländischer Investor,
Harry van Gennip
eine neue Anlage – für 67.000 Schweine. Es formierte sich Widerstand dagegen. Die Bild-Zeitung sprach von einem „Schweinekrieg“.
Auch im Altmark-Dorf Cobbel gibt es eine Bürgerinitiative gegen eine dort von Harry van Gennip geplante Schweinemastanlage (auf einem ehemaligen sowjetischen Flugplatz). Er „hat vor, hier etwa 97.000 Ferkel zu züchten,“ erfuhr der Freitag-Reporter bei der Bürgermeisterin von Cobbel, „also werden wir dann täglich Dutzende von Transportern mit Tierfutter, Ferkeln und Schweinen durch unser Dorf fahren sehen. Wer bezahlt den Schaden? Eine solche Mast belastet die Umwelt, das heißt, in einem wertvollen Naturschutzgebiet wird Wald mit Ammoniak verseucht, der Grundwasserspiegel sinken und der Boden sauer.“
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Ähnlich argumentieren auch die Tierschützer in Haßleben. In einer Stellungnahme des für die Genehmigung der dortigen Schweinemastanlage zuständige Ministeriums in Potsdam hieß es zuletzt – am 18.4.2012: „Der Investor will dem Antrag zufolge die Anzahl der Schweinemastplätze von 35.200 auf 4.400 reduzieren. Ursprünglich handelte es sich um 67.000 Tierstellplätze. Das für das Genehmigungsverfahren zuständige Landesamt muss nunmehr die geänderten Antragsunterlagen erneut prüfen. Dabei wird es insbesondere um die Auswirkungen auf Natur und Umwelt gehen.“
Im Mai 2012 hatte das Bundeskabinet eine Novellierung des Tierschutzgesetzes beschlossen, das nun neben dem Wildtier-Verbot für Zirkusunternehmen, weil diese sie nicht „artgerecht“ halten können, auch einige Restriktionen bei der Massentierhaltung beinhaltet: z.B. den „Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration zum 1. Januar 2017“, wie „agrarheute“ schreibt. Außerdem muß der Tierhalter seine Schweine fürderhin „angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen“ , dazu gehört eine „Förderung des Erkundungsverhaltens der Schweine, die jederzeit Zugang zu veränderbarem Beschäftigungsmaterial haben müssen, das von ihnen untersucht und bewegt werden kann,“ wie das niedersächsische Amt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die neue Verpflichtung für die Züchter und Mäster erklärt, ihre Schweine nicht nur „verhaltensgerecht“ aufzuziehen, sondern auch noch für ihre „Unterhaltung“ zu sorgen. Nicht nur emsländische Schweinebauern klagen, dass es noch kein brauchbares „Spielzeug für Schweine“ auf dem Markt gibt. Einige behelfen sich einstweilen mit Holzscheite, die sie an Ketten in die Ställe hängen – als eine Art Kauknochen.
Ein Ökounternehmen empfiehlt die praktischen Hanfseile zum spielerischen Abkauen (in einer Vorrratsbox).
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Nirgendwo fand ich bisher einen Versuch, die Schweine (im Singular) selbst zu Wort kommen zu lassen – in dem Sinne, wie es Primaten- und Rabenforscher schon seit langem versuchen – quasi.
Am nächsten kommt dem ein Bericht von Wang Xiaobo (siehe: weiter unten)
Der Kurator der Ausstellung „Arme Schweine“, Thomas Macho, siedelte die Problematik erst einmal im Grundsätzlichen an: „Jene Tiere, die seit Jahrtausenden mit den Menschen lebten und arbeiteten – nämlich die Haustiere – wurden aus allen konkreten Lebens- und Arbeitskontexten der Moderne verdrängt. Die Rinder wurden durch Traktoren ersetzt, durch Mähdrescher und andere landwirtschaftliche Maschinen, die Ziegen und Schafe durch die Produktion synthetischer Bekleidung. Die Kavallerie wurde gegen Panzerdivisionen ausgetauscht; und zunehmend wurden die ehemals militärisch idealisierten Pferde zu Zugtieren degradiert, die allenfalls jene Gulaschkanonen schleppen durften, in denen sie bei Bedarf gekocht und an die Soldaten verfüttert werden konnten. Die Kutschen wichen den Eisenbahnen und Automobilen, die Lasttiere den Kränen und Baggern, die Brieftauben den Computern und Telefonen. Wollten wir die Grundtendenz des Modernisierungsprozesses in gebotener Knappheit erfassen, so müßten wir sie als progressive Eliminierung der Haustiere durch Maschinen beschreiben. Diese gesellschaftliche Verdrängung der Haustiere reduzierte die Tiere schlagartig auf eine einzige Funktion, die noch kein Wild- oder Haustier jemals zuvor in vergleichbarer Größenordnung erfüllen mußte: auf die Funktion des Massenschlachtviehs.“
Die Schweine, die zu den am frühesten domestizierten Tieren zählen, waren schon immer Schlachtvieh. Sie lebten jedoch länger und es wurde alles – einschließlich der Innereien – verwendet. Heute sind Schweine in einem Alter von etwa einem halben Jahr und einem Gewicht von rund 110 Kilo schlachtreif. Und es wird sowohl in der Schweine- als auch in der Tierfutter-Forschung ununterbrochen versucht, die Fleischproduktion noch effektiver zu machen. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2008 genau 26.380.900 Schweine in Deutschland gehalten, die meisten davon, etwas über 8 Millionen, in Niedersachsen. 66.400 Betriebe züchteten Schweine. Derzeit gibt es wieder mal eine preisdrückende Überproduktion, die bisher jedoch stets eine vorübergehende war: „Schweinezyklus“ genannt.
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An der Mosel bat ich einmal einen Bauern, mir seine neue Mastanlage zu zeigen, er willigte nach langem Zögern ein, öffnete die Tür, machte das Licht an, 4000 Tiere sprangen nach und nach auf und schrien, wir gingen den Gang entlang und traten am Ende durch eine andere Tür wieder ins Freie. Nachdem der Bauer das Licht ausgemacht hatte, beruhigten sich die Tiere langsam wieder. „So, sagte er, das kurze Vergnügen hat mich jetzt rund 120 DM gekostet – diese Verzögerung ihrer Gewichtszunahme, dadurch dass wir die Schweine aufgestört haben.“
In der Schweiz, wo man vor einigen Jahren das weitestgehende Tierschutzgesetz verabschiedete und gerade eine Kommission an einem analogen – d.h. auf Individuen zielendes – Pflanzenschutzgesetz arbeitet, macht sich u.a. der „Zürcher Tierschutz“ dafür stark, deutsches Schweinefleisch zu boykottieren: „Die Schweiz importiert jährlich 10 Millionen kg Schweinefleisch aus Deutschland und Italien. Dort werden Mastschweine und Muttersauen eingepfercht gehalten und Ferkel ohne Betäubung kastriert, was äusserst schmerzhaft ist. All dies ist zu Recht in der Schweiz verboten. Die Tatsache, dass Grossverteiler, Gastromärkte, Caterer und Fleischverarbeiter nach wie vor Schweinefleisch aus tierquälerischer Haltung importieren und verkaufen, widerspiegelt unserer Ansicht nach einen bedenklich tiefen ethischen Standard.“
Diesen haben die deutschen Tierschützer unterdes auch in den hiesigen Schlachthöfen ausgemacht. 2011 wurden in 5100 zugelassenen Betrieben fast 60 Millionen Schweine geschlachtet. 750 Schweine pro Stunde und Betrieb: In Schlachthöfen wird im Sekundentakt gearbeitet. „Darunter leidet der Tierschutz“, wie das Handelsblatt am 21.6.2012 schrieb: „Die Tiere werden automatisch betäubt, zum fachgerechten Töten per ‚Entblutestich‘ sind dann etwa fünf Sekunden Zeit. 12,5 Prozent der Tiere seien jedoch nicht richtig betäubt. Die Grünen fordern härtere Regeln, die Branche wehrt sich.“
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Die letzten Aporien des Schweinesystems kommen von österreichischen und taiwanesischen Wissenschaftlern sowie von US-Waffenentwicklern:
1. In Ötztal hat ein zweiwöchiger Tierversuch begonnen, bei dem 29 Schweine lebendig unter einer Lawine begraben werden. Diese Lawine wird simuliert, um durch die toten Schweine mehr Aufschlüsse über die Todesumstände von Lawinenopfern gewinnen zu können.
2. Taiwanesische Forscher haben drei fluoreszierende Schweine gezüchtet, die im Dunkeln grün leuchten. Dafür sei in den Zellkern eines Schweineembryos ein fluoreszierendes Protein injiziert worden, das aus Quallen gewonnen worden sei, erklärte Wu Shinn Chih von der Nationalen Universität Taiwans. Damit sei ein „wichtiger Fortschritt“ bei der Stammzellforschung gelungen, weil Schweine Tiere seien, die dem Menschen besonders nahe sind.
3. Focus berichtete:
Die Firma South Fork Industries aus dem US-Bundesstaat Idaho stellt mit „Schweinefarbe“ bemalte Munition her. Die “Jihawg Ammo”-Patronen sollen islamische Terroristen angeblich in die Hölle schicken.
Im Islam ist der Verzehr von Schweinefleisch verboten. Grund genug für eine US-Firma anzunehmen, dass Muslime in die Hölle kommen, wenn sie mit Bestandteilen von Schwein in Kontakt kommen.
Deshalb stellt South Fork Industries aus Idaho die „Jihawg Ammo“ her, eine Munition, die mit „Schweinefarbe“ beschichtet ist. Laut der Firma sollen die Patronen einen doppelten Effekt haben: „Mit Jihawg Ammo bringst du nicht nur einen islamischen Terroristen um, du schickst ihn auch in die Hölle“. Das sollte den Märtyrern etwas zu denken geben, schreibt die Firma laut einem Online-Bericht der „Washington Post“.
Fragwürdig sind auch die Werbeslogans für die Munition: „Friede durch Schweinefleisch“ (“Peace Through Pork”) oder „Stecke etwas Schinken (engl.: „ham“) in Mohammed“ (“Put Some Ham in MoHAMed”). Anschließend gibt die Firma ihren Kunden noch einen Hinweis zur Benutzung mit auf den Weg: Sie sollen die Patronen ausschließlich im Fall der Selbstverteidigung verwenden. Mehr als 5800 Menschen gefällt die Facebook-Präsenz der Firma, Verkaufszahlen sind nicht bekannt.
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Die BI
gegen Schweinemastanlagen – die
„Uns stinkts schon lange“ in Reichenow (Amt Barnim-Oderbruch), wo einer der größten Agrarunternehmer Deutschlands eine solche Mastanlage plant, veranstaltet
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einen Aktionstag. Er begann mit einer „Podiumsdiskussion mit fachkundigen und einflussreichen Gästen“ zum Thema „Um wessen Wurst geht es eigentlich?“ , später gaben Devil & Bride ein Konzert: „Free the Pigs!“
Einige Zeit später fand ein Aktionstag gegen den Bau der industriellen Schweinemastanlage in Haßleben statt, der mit einem Ökomarkt und einer Protestdemonstration verbunden war.
Kommt man nach Haßleben stehen in der Mitte des Dorfes zwei große Schilder: „36.000 Schweine machen den Touristen Beine“, und: „Gemeinsam in die Zukunft/ Aktion pro Schwein“. Es geht um die Wiederbelebung einer großen Mastanstalt für 140.000 Schweine, die nach der Wende aus Umwelt- und Tierschutzgründen abgewickelt wurde. U.a. hatte die Schweinegülle zwei Seen in tote Gewässer verwandelt. Jetzt ist es jedoch kein sozialistischer Fleischversorgungsplan mehr, sondern ein holländischer Unternehmer, Harry van Gennip, der dort ganz groß „investieren“ will. Er besitzt bereits seit 1994 eine für 65.000 Schweine ausgelegte Anlage im altmärkischen Sandbeiendorf. In Haßleben plante er 1994 eine für 85.000 Schweine. Die Nachdenklichen dort und in Umgebung gründeten daraufhin eine Bürgerinitiative gegen diesen „Wahnsinn“. Unterstützung bekamen sie vom Bündnis für eine ökologische Agrarwende „Wir haben es satt!“, vom Naturschutzbund, von Tierschutz-Organisationen, vom Arbeitskreis bäuerliche Landwirtschaft, von Agrar-Instituten, Vegetarierverbänden und den brandenburgischen Grünen. Sie setzten sukzessive eine Verkleinerung der Anlage durch.
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Auf der anderen Seite war man aber auch nicht untätig: Der holländische Investor holte sich u.a. Helmut Rehhahn als Berater, einst SPD-Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt und davor Leiter einer Bullenprüfstation in der DDR. „10 000 Mastschweine. Alles andere ist Spielerei,“ erklärte er 2007 dem Spiegel. „‚Haßleben wird noch moderner. Haßleben,‘ sagte er, ‚das kommt. Das kriegen wir hin‘.“ Ein anderer Schweinemäster verriet dem „Freitag“, warum es ihn und andere „Holländer“ nach Osten zieht: „In Holland wirst du als Schweinezüchter ständig wie ein Krimineller behandelt. Das ist in Ostdeutschland anders. Hier kannst du noch Unternehmer sein. Umweltkosten spielen keine Rolle.“ Dazu muß man wissen, dass der holländische Staat dies strategisch plant: Unter Beteiligung von Banken werden an Landwirtschaftsprojekten interessierte Holländer in Arbeitsgruppen geschult und dabei ausgesiebt – getrennt nach Ost und West, je nach dem, wo sie sich in der EU niederlassen wollen. Vor Ort helfen ihnen dann holländische Berater und spezielle Botschaftsangehörige. Van Gennip fand in Haßleben Unterstützung im langzeitarbeitslosen Teil der Bevölkerung, der sich von seinem gigantischen Schweineprojekt ganz viele „Arbeitsplätze“ versprach und deswegen eine Bürgerinitiative für ihn gründete. So weit so demokratisch neoliberalistisch.
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Im übrigen sind viele reiche Länder bzw. ihre Agenten oder Unternehmer auf „Landgrabbing“ im Ausland unterwegs – sei es wegen des sogenannten Bevölkerungsdrucks und der damit zusammenhängend prognostizierten Ernährungsnot, sei es aus zukünftiger „Raumnot“ wegen des prognostizierten Anstiegs der Meere infolge der Klimaerwärmung.
Am Sonntag fuhren wir, aufgerufen vom Bündnis „Kontra Industrieschwein“ und der Kampagne „Meine Landwirtschaft“ mit Bussen und Zügen nach Haßleben. Die geplante Schweinemastanlage hatte die Polizei weitläufig abgesperrt, so dass die Kundgebung davor an zwei leerstehenden Viergeschossern stattfand. Es gab Info- und Kaffestände, Erbsensuppe, eine Gesangs- und eine Trommelgruppe. Unter den 1000 Teilnehmern trugen viele Transparente. Ein Redner nach dem anderen prangerte noch einmal das Verbrecherische an der „industriellen Landwirtschaft“ an: „Das Leid und die Entwürdigung der Tiere hat ein ungeheuerliches Ausmaß erreicht“. „Es geht hier nicht nur um Haßleben, sondern darum, dass die großen Investoren sich nicht der ganzen Landwirtschaft bemächtigen; die tiernahe bäuerliche Wirtschaftsweise geht dabei zugrunde“.
Ein holländischer Ökolandwirt aus der Umgebung ergänzte: „Dazu müssen wir die Spaltung zwischen konventionellen Bauern und Biobauern überwinden – d.h. gemeinsam kämpfen.“ Der Präsident der gehanaesischen Kleinbauernvereinigung ging noch weiter: „Nur durch eine internationale Solidarität kann sich unsere Situation verbessern. Auf unseren Märkten , in Accra z.B., sieht man überall Import-Produkte – Fleisch und Gemüse aus der EU und USA. Wir Bauern wollen diese Importe nicht, wir wollen das Land mit unseren eigenen Produkten versorgen.“ Eine andere Rednerin war optimistisch, dass sich auch dies, das Verschieben der Überproduktion in die Dritte Welt, ändern werde: „Die hiesigen Verbraucher legen immer mehr Wert auf tiergerechte Haltung.“ Auch der Sprecher der BI verbreitete Optimismus: „Die Anlage wird nicht so schnell in Betrieb gehen. Wir klagen durch alle Instanzen – das hat eine mindestens aufschiebende Wirkung für den Baubeginn.“
Dann setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung – auf der zwei Kilometer langen menschenleeren Allee in den Nachbarort Kuhz, wo wieder jede Menge Info- und Essensstände auf die Massen warteten, die dann auch kamen. Einschließlich der die Route sichernden Polizisten, die solidarisch waren, weil sie, wie sie sagten, selber aus der Landwirtschaft – in Mrecklenburg-Vorpommern – kamen. Die Tierärztin in Kuhz, die einst für kurze Zeit in der Schweinemastanlage von Haßleben eingesetzt war, erzählte, dass es fürchterlich gewesen sei: „Gegen den hohen Infektionsdruck müssen die Tiere ständig medikamentiert werden, so dass sie u.a. Antibiotika-Resistenzen entwickeln.“
Ein Linker, der dort ein Sommerhaus hat, gab gegenüber dieser ganzen Bewegung „Zurück zum Einzelbauerntum“ zu bedenken: „Schon Karl Marx sah diesen Prozeß der ‚Expropriation der Ackerbauern‘ als ‚historische Unvermeidlichkeit‘ und 1882 bereits als vollzogen an. Dem auf die Zerstörung der Allmende in Westeuropa folgenden ‚bäuerlichen Parzelleneigentum‘ gab er keine Chance: Es werde unweigerlich der ‚von Kapitalisten betriebenen Landwirtschaft‘ weichen müssen. Friedrich Engels ergänzte: ‚Es ist unsere Pflicht, ‚den Bauern die absolute Rettungslosigkeit ihrer Lage, solange der Kapitalismus herrscht, klarzumachen, die absolute Unmöglichkeit, ihnen ihr Parzelleneigentum als solches zu erhalten, die absolute Gewißheit, daß die kapitalistische Großproduktion über ihren machtlosen veralteten Kleinbetrieb hinweggehn wird wie ein Eisenbahnzug über eine Schubkarre.“
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Ich sehe das nicht (mehr) so fortschrittsoptimistisch. Erst recht nicht das breite Bündnis der Tier- und Naturschützer „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“, das u.a. lokale Bürgerinitiativen unterstützt, die gegen den Bau von industriellen Schweinemastanlagen in ihrer Region vorgehen. Zu nennen wären hierbei: die BI „Keine Schweinemast in Sassenburg – BISS“ (Niedersachsen), die BI der Gastronomen gegen eine Schweinemast in Klausdorf (Brandenburg), die BI „Klasse statt Masse – Keine weiteren Schweinereien in Dibbersen“ (Niedersachsen), die „BI Mahlwinkel“ (Altmark) gegen eine weitere Schweinemastanlage von Harrie van Gennipp, die BI „Keine Schweinemast in Köthel“ (Schleswig-Holstein), die „BI gegen Schweinemast in Oldisleben“ (Thüringen), die „BI gegen Schweinemastanlage in Gerbisbach“ (Sachsen-Anhalt), und etwa zwei Dutzend weitere Initiativen gegen den Bau industrieller Mastkomplexe. Einige haben sich bereits wieder aufgelöst, weil ihr Protest erfolgreich war.
2016 meldete die Märkische Allgemeine Zeitung: „Der Widerstand der Bürger gegen Großmastanlagen für Geflügel und Schweine in Brandenburg wächst deutlich: Mehr als 100 000 Bürger haben das Volksbegehren gegen Massentierhaltung unterschrieben. Das Bürgervotum setzt die rot-rote Landesregierung unter Druck. Denn Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) will keine neue Landwirtschaftspolitik.“
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Der Spiegel berichtete über einen „Schweineflüsterer“:
Fünf Millionen Schweine hat Kees Scheepens schon gesehen, versteht ihre Grunzlaute und erkennt an der Körpersprache, wie’s ihnen so geht. Der niederländische Tierarzt berät Bauern überall in Europa. Manchmal bläst er Schweinen auch Disco-Nebel um den Rüssel – oder kostet aus dem Futtertrog.
„Rupp, rupp“ grunzt die riesige Sau. Sie wirft den Kopf herum und schaut zornig. Denn Kees Scheepens, 53, hat sich am Trog bedient und etwas vom Tierfutter in den Mund genommen. „Rupp, rupp“ ist ein Alarmgeräusch. Das bedeutet: „Ich sag es dir einmal. Ich sag es dir zweimal. Aber ich sag es dir kein drittes Mal.“
Scheepens ist Tierarzt. Und Schweineflüsterer. In den vergangenen 26 Jahren hat er in jedem Land Europas Ställe besucht und am Verhalten abgelesen, ob Tiere gesund sind. „Ich habe fünf Millionen Schweine gesehen. Aber an diesen Geruch werde ich mich nie gewöhnen.“
Der freundliche Niederländer lässt sich das Futter auf der Zunge zergehen. „Eine Art Suppe mit Getreide und Säuerungsmittel. Es ist gut.“ Schweine seien wählerisch wie Menschen – „wenn das Futter nicht okay ist, lassen sie es im Trog stehen.“
Eher aus Zufall sei er im Studium auf das Schwein gekommen, sagt der Mann aus der Nähe von Eindhoven. Rund 15.000 Landwirte hat er seitdem beraten. Es geht darum, wie man Tiere artgerechter hält. „Mit frohen Schweinen kann man mehr Geld verdienen.“
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"Wer Countrymusic spielen will, muss eine Menge Mist gerochen haben!" (Hank Williams).
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Ein Schwein, das seine eigenen Wege ging
Von Wang Xiaobo, aus: Meine geistige Heimat, Beijing 1998. Wang Xiaobo, 1952 in Beijing geboren, ab 1978 Studium an der Volksuniversität Beijing, 1984 bis 1988 Studium an der Universität Pittsburg, USA, danach Dozent an der Universität Beijing und der Volksuniversität, gestorben 1997 in Beijing. Hauptwerke: Trilogie der Zeit (Roman), Östlicher und Westlicher Palast (Filmdrehbuch). Der Text wurde in Berlin von Jia Zhiping ins Deutsche übersetzt.
„
Als aufs Land geschickter jugendlicher Intellektueller hatte ich Schweine gezüchtet und Büffel auf Weidegründe getrieben. Ohne menschliche Aufsicht hätten diese Tiere durchaus gewußt, wie sie zu leben hätten. Sie hätten sich frei und sorgenlos herumgetrieben, bei Hunger und Durst gegessen und getrunken und im Frühling Liebe miteinander gemacht. Auf diese Art hätten sie ein niveauloses Leben geführt, von dem nichts Gutes zu nennen wäre. Doch der Mensch kam dazu und hatte ihr Leben durchorganisiert, dadurch bekam jeder Büffel und jedes Schwein einen Lebensinhalt. Nur, für die meisten von ihnen war dieser Lebensinhalt tragisch zu nennen: Der Lebensinhalt des Büffels war Arbeit und der des Schweins war, sich Fleisch zuzulegen. Ich sah darin nichts Beklagenswertes, denn mein damaliges Leben war nicht viel inhaltsreicher. Außer den acht sogenannten Muster-Opern gab es keine andere Unterhaltung. Nur ganz wenige Schweine und Büffel hatten einen anderen Lebensinhalt. Von den Schweinen zum Beispiel hatten die Zuchteber und Säue neben dem Fressen noch eine andere Aufgabe. Nach meiner Beobachtung mochten sie diese andere Aufgabe jedoch nicht besonders. Die Aufgabe der Zuchteber war ja, sich zu paaren. Anders gesagt, unsere Politik erlaubte ihnen, Playboys zu sein. Doch die ermüdeten Zuchteber benahmen sich häufig so anständig und edel wie die Fleischschweine (diese waren kastriert), und wollten auf keinen Fall auf den Rücken der Sau springen. Die Aufgabe der Säue war Ferkel zu werfen, doch manche Säue fraßen ihre eigenen Kinder auf. Insgesamt mußte man sagen, die von Menschen aufgezwungenen Aufgaben ließen die Schweine unendlich leiden. Aber sie nahmen diese Aufgaben an: Schweine waren schließlich nur Schweine. Es ist eine menschliche Eigenschaft, das Leben mit verschiedenen Zielen und Aufgaben zu versehen, nicht nur das Leben von Tieren, sondern auch das Leben von sich selbst. Wir wissen, in der griechischen Antike gab es ein Land Sparta. Das Leben dort wurde so organisiert, daß es gar nicht mehr lustig war. Die Männer hatten Kämpfer zu sein, die ihr Leben zu opfern bereit waren und die Frauen hatten Gebärmaschinen zu sein. Die ersteren waren damit wie Kampfhähne und die letzteren wie Säue. Beide, Kampfhähne und Säue, sind besondere Tiere. Aber ich denke, sie mögen ihr Leben bestimmt nicht. Doch was können sie, wenn sie ihr Leben nicht mögen? Keiner kann sein Schicksal verändern, weder der Mensch noch das Tier.
Das Schwein, von dem ich jetzt erzählen möchte, war ganz anders als alle anderen. Als ich mich um die Schweine kümmerte, war dieses Schwein schon vier oder fünf Jahre alt. Es war als Fleischschwein vorgesehen, war aber trocken und dürr gewachsen, hatte dazu glänzende Augen. Es war so geschickt wie ein Steinbock, sprang mit einem Satz über den Zaun des Schweinestalls hinweg, der höher als ein Meter war. Es konnte sogar auf das Dach des Stalls springen, in dieser Hinsicht war es wieder wie eine Katze. Deshalb trieb es sich überall herum und blieb nie im Stall. Es war das Lieblingstier von allen in die Landarbeit geschickten jugendlichen Intellektuellen, die sich um die Schweine gekümmert hatten, auch mein Lieblingstier. Denn es war nur zu uns jugendlichen Intellektuellen gut und duldete es, daß wir uns ihm bis auf drei Meter näherten. Wenn andere Leute sich ihm zu nähern versuchten, rannte es schon von weitem weg. Es war männlich, hätte kastriert werden sollen. Doch wehe dem, wer sich mit derlei Absicht an ihn heran wagte. Selbst wenn man das Kastriermesser hinter dem Rücken hielt, konnte es das Messer riechen. Dann riß es die Augen groß auf und fing laut an zu schreien.
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Den Brei aus fein gemahlten Hirseschalen gab ich immer zuerst ihm zu fressen. Erst wenn es genug gegessen hatte, mischte ich den Brei mit wilden Kräutern und gab ihn den anderen Schweinen. Alle Schweine waren eifersüchtig und schrieen. Während es fraß, war der ganze Stall immer erfüllt vom wütenden Geheul und Geschrei der anderen Schweine. Das machte aber weder mir noch ihm etwas aus. Wenn es satt gegessen hatte, sprang es auf das Dach, um sich zu sonnen oder verschiedene Geräusche machen zu lernen. Es hatte gelernt, Geräusche von Lastwagen und Traktoren zu machen und machte sie sehr echt. Manchmal war den ganzen Tag von ihm keine Spur zu sehen. Dann machte es bestimmt, so vermutete ich, in den umliegenden Dörfern Besuche bei seinen Schweinedamen. In unserem Stall gab es natürlich auch Säue. Doch diese waren ständig im Stall eingesperrt und von zu häufigen Geburten verunstaltet, so daß sie häßlich, dreckig und stinkig waren. Das Schwein hatte kein Interesse an diesen Säuen. Die Säue in den herumliegenden Dörfern sahen besser aus. Das Schwin verübte viele lustige Heldentaten. Aber ich hatte mich nur für kurze Zeit um die Schweine gekümmert und deswegen nur ganz wenige von diesen Heldentaten mitbekommen – deshalb lasse ich hier seine Heldentaten ganz weg.
Kurz gesagt, alle jugendlichen Intellektuellen, die sich um die Schweine gekümmert hatten, mochten dieses Schwein, weil es sich nichts vorschreiben ließ und solch ein freies und unbändiges Leben führte. Die Dörfler hatten aber keinen Sinn für eine solche Romantik. Sie sagten, dieses Schwein sei unanständig. Unsere Leiter haßten es geradezu – davon werde ich noch erzählen. Das Schwein mochte ich nicht nur, ich hatte sogar großen Respekt vor ihm. Ungeachtet der Tatsache, daß ich viel älter war als es, nannte ich es „meinen Schweinbruder“. Wie gesagt, der Schweinbruder lernte verschiedene Geräusche machen. Ich war sicher, er hatte auch versucht, wie Menschen zu sprechen, aber keinen Erfolg gehabt. Wenn ihm das gelungen wäre, hätten wir uns wunderbar unterhalten können. Aber das war keine Schuld von ihm. Die Stimme eines Menschen war doch zu sehr anders als die eines Schweins. Irgendwann hatte der Schweinbruder das Sirenengeheul gelernt und dieses Kunststück brachte ihn richtig in Schwierigkeit. In unserer Nähe war eine Zuckerfabrik. Jeden Mittag heulte die Sirene, das war das Signal für den Schichtwechsel. Wenn wir auf dem Feld arbeiteten, machten wir ebenfalls beim Sirenenheulen Schluß und gingen heim. Mein Schweinbruder sprang aber immer um zehn Uhr aufs Dach und machte sein Sirenengeheul. Die Leute auf dem Feld hörten dieses Geheul und gingen heim, anderthalb Stunden früher als die Sirene der Zuckerfabrik. Offen gesagt war der Schweinbruder nicht allein schuld daran. Schließlich war der Schweinbruder kein Dampfkessel und sein Geheul war doch anders als die mit Dampf betriebene Sirene. Die Bauern behaupteten aber felsenfest, sie könnten beide nicht unterscheiden.
Unsere Leiter veranstalteten speziell deswegen eine Sondersitzung und erklärten den Schweinbruder zum bösen Element, das die Frühlingsarbeit sabotiere. Sie beschlossen, Mittel der proletarischen Diktatur gegen ihn einzusetzen. Von dem Beschluß dieser Sitzung bekam ich Wind, machte mir aber keine Sorgen. Wenn die Mittel der proletarischen Diktatur in diesem Fall Fessel und Schlachtmesser bedeuten sollten, würden sie nichts bewirken. Die Vorgänger der Leiter hatten es mit diesen Mitteln schon mehrmals versucht. Der Einsatz von einhundert Leuten hatte nichts gebracht. Auch Hunde konnten ihm nichts anhaben. Wenn Schweinbruder losrannte, war er einfach ein Torpedo und konnte einen Hund fünf Meter weit wegrammen. Diesmal meinten die Leiter es aber ernst. Der Kommissar führte mit einer Armeepistole etwa zwanzig Leute an, sein Stellvertreter führte ein Dutzend Leute mit Flinten, beide Gruppen veranstalteten auf dem leeren Gelände vor dem Schweinstall eine Treibjagd. Das brachte mich in große Verlegenheit. Da ich mit Schweinbruder befreundet war, hätte ich Schlachtmesser schwingend hinausstürzen und an seiner Seite kämpfen müssen. Da wäre ich jedoch außer Rand und Band geraten, immerhin war der Schweinbruder nur ein Schwein. Ein anderer Grund war, ich hatte keinen Mut, meinen Vorgesetzten Widerstand zu leisten – ich denke, das war der eigentliche Grund, warum ich es nicht gemacht hatte.
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Wie auch immer, ich stand nur abseits und beobachtete die ganze Szene. Die Gelassenheit des Schweinbruders versetzte mich in größte Bewunderung: Er lief ganz ruhig auf einer Linie zwischen Pistolen und Flinten hin und her und verließ diese Linie nicht, einerlei, ob die Menschen schrieen oder die Hunde bellten. So hätten die Pistolen, wenn sie abgefeuert wären, die Flintenträger anschießen können, und umgekehrt die Flinten die Pistolenhelden. Wenn beide gleichzeitig gefeuert hätten, wären beide Parteien angeschossen oder getötet worden. Das Schwein selbst bot so ein kleines Ziel, daß die Schießerei ihm wahrscheinlich nicht einmal ernsthafte Verletzungen zugefügt hätte. Nachdem es ein paar Male auf der Linie hin und her gelaufen war, fand es eine Lücke und stürmte aus der Einkesselung raus. Wie elegant es da doch rannte! Später stieß ich noch einmal im Zuckerrohrfeld auf Schweinbruder. Ihm waren Hauer gewachsen, aber er kannte mich noch, nur erlaubte er mir nicht mehr, nahe an ihn heran zu treten. Dieses Mißtrauen machte mich traurig, doch ich gab ihm recht, daß er zu den unberechenbaren Menschen eine gehörige Distanz bewahren sollte.
Nun habe ich vierzig Jahre gelebt. Außer Schweinbruder habe ich in meinem Leben noch kein anderes Wesen getroffen, das wie er gewagt hätte, dem vorgesehenen Leben die Stirn zu bieten. Ganz im Gegenteil, ich habe viele Menschen getroffen, die das Leben anderer mit Inhalten zu versehen versuchen und Menschen, die ein von anderen vorgegebenes Leben führen und damit glücklich sind. Aus diesem Grund kann ich dieses Schwein, das seine eigenen Wege ging, nicht vergessen.“
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Aktualitäten:
1. Schweizer Zeitungen berichteten, dass der chinesische Chemie-Konzern „Chem-China“ den Basler Konkurrenten von Monsanto, Syngenta, gekauft habe, nach der Übernahme des französischen Futtermittelherstellers Adisse und der Agrochemie-Firma Adama aus Tel Aviv.
Denn, so der Schweizer „Blick“: „Die Verbesserung der Nahrungsmittelsicherheit und die Steigerung der Agrarproduktion sind eines der wichtigsten Anliegen im Regierungsprogramm. ChemChina hat sich Syngenta nicht zuletzt deshalb unter den Nagel gerissen, um vom grossen Wissen der Basler im Bereich Pestizide und gentechnischer veränderter Pflanzen zu profitieren. Und auf einen Schlag den Weltmarktführer in seinen Reihen zu haben.“
Dazu gehört für die Chinesen aber auch, sich weltweit Ackerland unter den Nagel zu reißen – u.a. in Australien und in Afrika. „Der spektakulärste Fall: In der Ukraine will China Ackerland von einer Fläche kaufen, die fast so gross ist wie die Schweiz. Damit erhält China Zugriff auf 100.000 Hektar Land, am Ende sollen es drei Millionen Hektar werden. Darauf sollen in den nächsten 50 Jahren u.a. für den chinesischen Markt Schweine gezüchtet werden...“
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2. Sanktionen haben chinesische Schweine geheilt: Russland hebt demnächst das zehnjährige Einfuhrverbot für chinesische Schweine wegen Maul- und Klauenseuche auf. Und auch den brasilianischen Schweinen geht es bestens, kein Fieber, keine Lähmung, kein Problem mehr, dass ihr Futterzusatz für den Aufbau von Muskelmasse in 160 Ländern verboten ist.
http://www.fontanka.ru/2014/08/15/170/
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3. Das Handelsblatt schreibt: „Schwein gehört zur dänischen Esskultur. Deshalb müssen Kitas es servieren – auch wenn die meisten Kinder Muslime sind, meint eine Stadt in Dänemark. Dort herrscht nun Schweinefleisch-Pflicht auf dem Speiseplan.“
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4. Der Deutschlandfunk berichtete: „
Der Geruch von Schweinemist ist fast schon typisch für Dänemark. Und so verwundert es nicht, dass sich die dänische Hauptstadt zu einem Zentrum der Schweineforschung entwickelt hat. Seit 12 Jahren arbeitet man hier an der Tierärzlichen Universität Kopenhagen an der Erstellung einer Genkarte des Schweins. Sie gibt Auskunft, wo im Schweine-Erbgut einzelne Erbanlagen zu finden sind. Für die Züchter sind solche Genkarten schon heute eine wertvolle Hilfe. Den Forschern aber reicht die Karte nicht aus. Um das Schweineerbgut besser zu verstehen, würden sie gerne alle Buchstaben des genetischen Schweine-Bauplans kennen: die Genom-Sequenz, wie sie bei Mensch und Maus inzwischen weitgehend bekannt ist. Merete Fredholm von der Tierärztlichen Universität Kopenhagen: „
Wenn wir mit der vollständigen Genom-Sequenz des Schweines arbeiten können, dann wird die Zeitspanne verkürzt, die wir brauchen, um die Bedeutung eines Gens zu bestimmen.“
Da eigene dänische Sequenzier-Zentren fehlen, suchte Merete Fredholm einen Kooperationspartner im Ausland und fand ihn in China: im Bejing-Genom-Zentrum.“
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5. Derzeit macht die „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“ sich gerade für die Schweine stark – u.a. wieder auf einer „Grunz-Mobil-Tour. Dazu heißt es:
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Schweine sind ausgesprochen neugierige, lernfähige und intelligente Tiere, die sogar über ein gewisses Ich-Bewusstsein verfügen. Ihr natürlicher Lebensraum sind Wälder mit Büschen und sumpfigen Plätzen, wo sich die Tiere in festen Revieren bewegen. Die Weibchen bilden Gruppen mit einer klaren Sozialstruktur, die aus mehreren weiblichen Tieren und ihren Jungen (insgesamt bis zu 30) bestehen und von einem der ältesten und erfahrensten Weibchen angeführt werden. Die meisten ihrer Aktivitäten führen weibliche Schweine in der Gruppe aus ‒ zeitweise betreiben sie sogar gegenseitige Körperpflege, wobei sie die Körperoberfläche ihres Gegenübers mit der Schnauze abtasten und massieren. Die meiste Zeit des Tages verbringen sie mit der gemeinsamen Nahrungssuche, z. B. indem sie großflächig den Boden mit dem Rüssel nach Pilzen, Knollen, Wurzeln, Larven und Käfern durchwühlen. In der konventionellen Haltung können Schweine diesen Drang nach Erkundung kaum ausleben. In Deutschland werden zur Zeit 28 Millionen Schweine zum Zwecke der Fleischproduktion gehalten.“ (2015 wurden in den deutschen Schlachthöfen fast 60 Millionen Tiere getötet. „So viele wie noch nie,“ berichtete der Spiegel.)
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6. Der nordbayrische Kurier schreibt: „
Schweinefleisch ist billig – ein Kilo lebendiges Schwein kostet rund einen Euro. Schweinebauern geraten unter Druck, manche überleben nur mit Hilfe ihrer Bank. Die Verbraucher könnten den Landwirten helfen.“
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7. Der NDR meldet:
„
Rudolf Aalderink aus Bad Bentheim ist Landwirt und hält viele Schweine. Er sagt, dass Russlandembargo und verschärfter Tierschutz ihn in die roten Zahlen rutschen lassen.
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8. Der „stern“ schreibt: „
In Deutschland wird immer
mehr Fleisch
von immer weniger Betrieben produziert. Die Fleischindustrie sei durch einen „tiefgreifenden Strukturwandel zu Lasten kleinbäuerlicher und mittelständischer Betriebe“ geprägt, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten „Fleischatlas 2016“ der Heinrich-Böll-Stiftung und des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die Entwicklung gefährde die Trinkwasserversorgung und gehe oftmals mit einer Missachtung des Tierwohls einher.
„In den letzten 15 Jahren mussten bis zu 80 Prozent der Betriebe bzw. Bauernhöfe die Tierhaltung aufgeben, während gleichzeitig bundesweit bis zu 50 Prozent mehr Fleisch produziert wird“, erklärte Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Massiv von der „zunehmenden Industrialisierung“ betroffen ist demnach vor allem die Rinder- und Schweinezucht in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. „Der Trend zu Megamastanlagen geht weiter“, ergänzte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.
2014 verzehrte jeder Deutsche pro Kopf demnach 38,2 Kilogramm Schweinefleisch, 11,5 Kilo Geflügel und 8,9 Kilo Rind. 2013 lagen die Werte noch bei 38,5 Kilo (Schwein), 11,5 Kilo (Geflügel) und neun Kilo (Rind). Positiv werteten BUND und Heinrich-Böll-Stiftung, dass über 80 Prozent der Deutschen bereit seien, höhere Preise für Fleisch und Wurst zu bezahlen, wenn sie dadurch zu besseren Haltungsbedingungen der Tiere beitragen könnten.“
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9. Ein Dozent der Kochklasse am Frankfurter „Städel“ erklärte: „Bis ins 19. Jahrhundert hinein galt generell die Küche als eine hochentwickelte, die von einem Tier, das sie zubereitete, so wenig wie möglich wegwarf. Heute ist es umgekehrt. Zu den Teilen, die heute als Abfall deklariert werden, gehören einmal die Innereien, die man bei uns in Deutschland nur noch selten ißt, in Amerika überhaupt nicht mehr, dann aber auch noch andere Teile, wie Füße, Kniegelenke, Sehnen usw.
Bei den Innereien gibt es praktisch zwei Kategorien: reinigende Organe – wie Nieren, Leber, Milz usw., und pumpende Organe, sowie Drüsen. Die Thymus- Drüse beispielsweise (Bries in der österreichischen Küche genannt, das Kenner sogar dem Kaviar vorziehen), aber auch Hoden, die in Portugal als Imbiß am Strand verkauft werden. Außerdem ist noch das Hirn – Bregen – eine Delikatesse, das bei sardischen Bauern immer dem Gast vorbehalten ist. Das Wertvollste am Tier ist die Thymus-Drüse. Sie sind nur bei jungen Tieren, bis zur Pubertät, vorhanden, dann bilden sie sich zurück; es sind Drüsen zur Wachstumssteuerung. Womit schon angedeutet ist, dass der Genuß von Bries ähnlich determiniert ist wie der von Hoden, wenn auch auf unterschiedliche Weise.“
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10. Die ARD
berichtete über eine Schweineforschung: „
Die Sonne scheint rotgold auf die Backsteinmauern, im Hintergrund schimmern saftige grüne Weiden und aus dem Stall erschallt zufriedenes Grunzen. In dem kleinen Dörfchen Mecklenhorst in Niedersachsen betreiben Wissenschaftler vom Friedrich-Loeffler-Institut landwirtschaftliche Studien. Es geht Ihnen darum, die Intelligenz von Schweinen zu nutzen, um deren Haltung zu verbessern...“Brun-hil-de“ ertönt es aus dem Lautsprecher im großen Stall. 38 Sauen dösen oder kauen vor sich hin. Doch ein Schwein ist schon bei der zweiten Silbe aufgesprungen. Es galoppiert quer durch den Stall, umkurvt zwei Artgenossinnen und ist drei Sekunden später an der Tür der grünen Box. Brunhilde weiß eben, dass es beim Klang ihres Namens Futter gibt. Nach wenigen Sekunden öffnet sich die Klappe und sie kann fressen. Zur Bestätigung säuselt die Tonbandstimme erneut „Brun-hil-de“. Die Erfolgsquote der Aufruf-Taktik liegt bei über 90 Prozent.“
Es geht beim Namen beibringen darum, dass es oft zu Rangeleien kommt, wenn die Schweine alle zur gleichen Zeit an den Futtertrog gehen. Dazu bedienen sie Forscher sich einer
High-Tech-Futterbox. Sie öffnet sich nur, wenn der Computer am Ohrchip erkennt, dass ein Schwein mit „Kraftfutter-Restguthaben“ vor der Tür steht. Während des Fressens wird dem Tier über einen Lautsprecher bei jedem Futterschub der eigene Name vorgespielt. Und zwar alle zehn Sekunden. So lernt das Tier, dass es Futter gibt, wenn sein Name erklingt. Besonders gut funktionieren scheinbar weibliche, deutsche Vornamen mit drei Silben.“
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11. Die Redaktion Grosstiere des Forums „animal-health-online“ veröffentlichte einen „Zwischenruf“ des Agraringenieurs Georg Keckl aus Hannover: „Die Landwerkstätten beherbergen die 35 am meisten fotografierten und gefilmten Sauen Deutschlands. Der Hof ist Kulisse für die Einzelhandelsgeschäfte der Werkstätten. Die Produkte kommen in der Mehrzahl von 80 Zulieferbetrieben, die nicht genannt werden. Als Bio-Bilderbuchrasse werden die „Mohrenköpfle“, die Schwäbisch-Hall’schen Schweine, gehalten, die allerding von zwei Hochzucht Pietrain-Ebern gedeckt werden, was meist nicht gesagt wird.
Auf Fotos und in Filmen, die es in alle Sender und Zeitschriften schafften, wühlen die Sauen draußen auf der Blumenwiese umher oder springen durch den Schnee. Das ist alles eine unglaubwürdige Show nach dem Motto, so leben hier die Schweine! Das Problem mit dem angeblichen Wiesen-Auslauf bei Schweinen in allen Filmen über Biobetriebe ist, dass es den zu 99% nicht geben kann. Da werden Schweine in frisch gewühlten Kuhlen gezeigt. Wenn die länger draußen wären, gäbe es nur Kuhlen und kein Gras mehr.
Aber den Schwindel merkt leider kein BR- und sonstiges Filmteam, selbst wenn die Reporterin selbst die Schweine in einen jungfräulichen Schnee auf die Weide läßt. Es wundert kein Filmteam, dass da nie Spuren von den Vortagen sind! Das Problem bei Freilandhaltung ist der Platzbedarf der Schweine. In der Natur kommt ein Schwein evtl. dreimal im Jahr an eine Stelle und das macht schon riesige Schäden. Begrenzte „Standweiden“ mit hohen Auslaufzeiten am Stall wären ein absolut krankheitsverseuchter Nitrat-Sumpf, was sollten die denn anderes sein bei dem Wühltrieb der Schweine? Scheiße, Pisse, Ratten, Mäuse, Vögel, Parasiten! Alle Bilder mit Blumenwiesen als Schweineauslauf am Stall, zumal mit unberingten Schweinen (Nasenring oder Klammer gegen das Wühlen geht ja bei Bioschweinen nicht), die einen Dauerzustand zeigen sollen, sind Fakes. Dauer-Weideschwein geht nur bei extrem viel Auslauf und einem Weidemanagement weit ab vom Stall, nie am Stall. Es ist den Hermannsdorfern vorzuwerfen, dass sie bei solchen Inszenierungen mitmachen und die Bilder dann immer gesendet werden, schön viel Stroh und schon viel Grün auf der Weide, wenn das Filmteam vom Fernsehen kommt. So was macht man nicht!“
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12. Die „nwz-online“ meldete jüngst: „Auf der Autobahn 27 bei Debstedt, nahe Bremerhaven, hat die Polizei am Freitag ein Hängebauchschwein erschossen.
Das Tier hatte immer wieder versucht, quer über die Autobahn zu rennen. Daher, so die Polizei, habe es keine andere Wahl gegeben. Bereits am Donnerstag mussten die Beamten an gleicher Stelle ein Schwein einfangen. Es kam verletzt ins Tierheim. Beide Schweine hatte deren Besitzerin am Mittwoch einem Bauern aus Westerstede geschenkt. Dem sprangen die Tiere vom Transportanhänger.“
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13. Die Augsburger Allgemeine berichtet: „
Unfall bei Affing: 21 Schweine sterben in verunglücktem Transporter.
Etwa 80 Schweine hatte der Viehtransporter geladen, der am Sonntagmorgen zwischen dem Affinger Ortsteil Haunswies und Igenhausen von der Straße abkam.“
.14.
Bild-Berlin meldete: „Viehlastwagen umgekippt auf der A24 nach Berlin, 150 Schweine tot! Die Autobahn 11 Stunden blockiert.“ Bei den Toten handelte es sich um Mastferkel.
.15.
Der WDR berichtete: „Ein Viehtransporter ist in der Nacht auf Mittwoch in einer scharfen Kurve zwischen A59 und A560 umgekippt. 60 der 180 transportierten Schweine mussten noch vor Ort eingeschläfert werden.“
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16. Die „polizeipresse.de“ berichtet: Am gestrigen Donnerstagnachmittag brach ein bislang Unbekannter in einen Schweinemastbetrieb in Markt Taschendorf (Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) ein und unterbrach die Kühlung für ca. 100 Schweine. Alle Tiere starben.
Im Zeitraum von 12:30 Uhr bis 17:30 Uhr drangen der oder die Gesuchten in eine Kammer des landwirtschaftlichen Betriebs in der Ringstraße ein und schalteten die dortige Klimaanlage ab. Anschließend stieg die Temperatur in diesem Bereich des Stalls drastisch an. Alle ca. 100 Schweine starben daraufhin an den Folgen von Überhitzung bzw. der mangelnden Frischluftzufuhr.
.17. „
berlinonline“ titelte: „
Bei einem Feuer in einer Schweinemastanlage in Groß Pankow (Prignitz) sind am Mittwoch 120 Zuchtsauen mit Ferkeln und weitere 600 Mastsauen verendet. 600.000 Euro Schaden.“
.18. „
kostenlose-urteile-de“ meldet: „Die Haltung eines Schweins in einer Mietwohnung ist zulässig, wenn von dem Schwein keine Belästigungen und Beeinträchtigungen ausgehen. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Berlin-Köpenick hervor.“
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.19.
Der
Bauernverbandspräsident Rainer Tietböhl hat am Dienstag in einem Schweriner Einkaufszentrum die Ausstellung «Schweine – Masse und Klasse?!» eröffnet.
Sie
soll die Fotoschau als Forum dienen, um mit Bürgern über die Tierhaltung ins Gespräch zu kommen.
Die 18 Fotografien zeigen die Schweineproduktion vom Anbau der Futtermittel über die Geburt der Ferkel, die Mast bis zum Transport zum Schlachthof und die Herstellung von Wurst. Kritiker monierten, die Fotos aus den Ställen – etwa von Schweinen im Stroh – zeigten nicht die Realität. Die Wanderausstellung war bereits in Rostock und Neubrandenburg zu sehen, dort allerdings nur in Hochschulgebäuden. Die Bilder hat der Kölner Fotograf Ralf Baumgarten im Auftrag der Lebensmittelwirtschaft gemacht.
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20. Eine Meldung aus der Ostsee-Zeitung: „Der Landesbauernverband von Mecklenburg-Vorpommern sprach sich gegen eine Verbesserung der Schweinehaltung aus. Ein Vorstoß zur Verbesserung der Schweinehaltung wird in MV abgelehnt. Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) hatte zuvor mehr Platz für die Tiere und mehr Säugezeit für Ferkel gefordert. In der größten Schweinezuchtanlage Europas – in Alt Tellin (Vorpommern-Greifswald) – bleiben Ferkel nur 25 Tage bei der Mutter.“
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In der DDR wurde die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln zu einem weitaus größeren Teil aus den privaten Kleinlandwirtschaften und Schrebergärten abgedeckt als in der BRD. D.h. die industriell betriebene DDR-Landwirtschaft, die Versorgungsengpässe beheben sollte, kam – nicht zuletzt wegen des sich ständig steigernden Fleischkonsums – dem Bedarf nicht nach. Obwohl es Anlagen gab, in denen bis zu 200.000 Schweine gemästet wurden, andere mit 40.000 Rindern und einen Milchviebetrieb mit 2000 Kühen (er gehört heute einem Westler, der sie auf 2600 Kühe erweiterte!).
Für diese Großanlagen standen mitunter nicht genug Futtermittel zur Verfügung. Es mußte Getreide aus dem Westen importiert werden. Dort verhängte man zwei Mal ein Getreide-Embargo. Um unabhängig von Importen zu werden, wurde mit der Umwandlung von Abfallprodukten (um z.B. aus dem Stickstoff in Fäkalien Proteine herzustellen) experimentiert und die Neulandgewinnung (u.a. durch Flußumleitungen und Entwässerungen) forciert. Während der „Fortschritt“ (so hieß auch das Kombinat Landmaschinenbau) bei der Industrialisierung der Landwirtschaft in der DDR politisch durchgesetzt wurde, geschah Analoges in der BRD über den Markt („Wachsen oder Weichen“ genannt).
Hier wie dort hatte dies eine zunehmende Arbeitsteilung in den Agrarbetrieben und eine Verdinglichung der Nutztiere zur Folge. Mit dem Unterschied, dass in der Arbeiter-und-Bauern-Republik diese Entwicklung begrüßt und propagandistisch aufbereitet wurde – bis in die Kinderbücher hinein, wohingegen die Landwirtschaft in der BRD seit eh und je mit idyllischen Bauernhöfen wirbt. Es stimmt natürlich, kaum eine umgewandelte LPG – bestehend aus schlichten Funktionsgebäuden, würde „Ferien auf dem Bauernhof“ anbieten können – und die vielen kleinen privaten Landwirtschaften in der DDR, deren Produkte hoch subventioniert waren, gibt es nicht mehr, da es sich heute nicht mehr lohnt, so zu wirtschaften.
In „Nachrichten aus dem Garten Eden“ erzählt die Schriftstellerin Beate Morgenstern, wie ein Bauer in einem sachsen-anhaltinischen Dorf agitiert wurde, damit er in die LPG eintrat: „Mache diche nischt vor, sagte der Schulze. Du profetierst von der Landwertschaft bai uns. Im Gabidalismus wärste blaite! Das waßte janz jenau...Die Klanen arweiten niche wertschaftlich, is mal so.“ Der Bauer blieb stur. Als die UDSSR für Öl und Gas ab 1979 Weltmarktpreise verlangte – und auch für die Landwirtschaft der Diesel rationiert wurde, war sein Hof noch besser gestellt: „Wir ja fein raus mits unse Pfäre, die Hafer und Stroh fraßen, was man heute erneuerbare Energie heißt. Es war das erste Mal, daß der Vater triumphierte.“ Nach der Wende rettete sein kleiner „Biohof“, der zuletzt als „Agrarmuseum“ durchging, sogar noch die LPG – durch Fusion; diesmal triumphierte er jedoch nicht, denn nun galt es, sich gemeinsam marktwirtschaftlich zu orientieren.
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Ein LPG-Vorsitzender in der Priegnitz, der kürzlich nach erfolgreicher Umwandlung seiner „Kolchose“ in einen kapitalistischen Großbetrieb als dessen Geschäftsführer in Rente ging, erzählte mir: „Im landwirtschaftlichen Buchführungsverband Kiel habe ich erfahren, dass 80% der Höfe in Deutschland den Banken gehören. In Mecklenburg sind 38% der Landwirtschaftsfläche schon im Besitz von Industriellen und ausländischen Agrarkonzernen. Der Boden wird als Investition gekauft. In der Landwirtschaft geht die Verbindung zum Boden verloren.“ Ebenso zum Vieh. Am Ende sind die Bauern entweder Agrarunternehmer oder Heimarbeiter der Agrarindustrie. „So haben wir uns das nicht vorgestellt, als wir Landwirtschaft studierten,“ meint ein Ehepaar, das im Emsland Schweine züchtet. Eine süddeutsche Bäuerin, Ulrike Röhr, sieht die Entwicklung der Landwirtschaft dagegen eher rosig: „Schon Monate vor der Ernte werden die Kontrakte auf der Getreidebörse ausgehandelt. Dabei müssen wir entscheiden, wann der beste Zeitpunkt für den Verkauf der Erträge ist. Wir beobachten die Getreidebörse genau, doch wenn der Preis nach unserem Verkauf noch steigt, darf man sich nicht darüber ärgern. Dann ist das eben so. Es ist ein Geschäft, bei dem Erfahrung, Gespür, aber auch Glück eine Rolle spielen...“ Haben sie sich bei der Ertragsmenge verschätzt und mehr verkauft als sie dann tatsächlich ernten, muß das finanziell ausgeglichen werden. ‚Ein Landwirt muß heute das marktstrategische Wissen eines Börsenhändlers haben,“ sagt Ulrike Röhr.
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Zwischen 1,06 Euro und 1,66 Euro kostet das Schlachten und portionsweise Zerlegen eines Schweins in Deutschland. Weil das bei europäischen Nachbarn dreimal so teuer ist, kommen die Schweine aus Belgien und den Niederlanden nach Deutschland, sozusagen im Sterbetourismus. Und treffen auf Schlachter aus Rumänien und Bulgarien, die im Arbeitstourismus nach Deutschland kommen.
Focus schreibt: Die menschlichen armen Schweine töten die tierischen armen Schweine: Natürlich entrüsten sich alle. Ist ja auch ein schönes emotionales Thema, diese Sauerei. Prälat Peter Kossen spricht von „Demütigung“ und „Sklaverei“. Der Möchtegern-Arbeitsminister Klaus Wiesehügel, zur Zeit noch Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt und Mitglied in Peer Steinbrücks Schattenkabinett, spricht von „großen Versäumnissen, wo die jetzige Bundesregierung nichts gegen gemacht hat“.
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animal-health-online.de berichtete: Bei einer technischen Überprüfung der Betäubungsanlage für Schweine am bio-zertifizierten Schlachthof Eschweiler durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (LANUV) wurden erhebliche tierschutzrechtliche Mängel festgestellt. Auch im Rahmen der Rinderschlachtung kam es zu nicht zulässigen Vorgehensweisen. Die StädteRegion Aachen hat nach einem Gespräch mit dem (LANUV) dem Betreiber des Eschweiler Schlachthofes am 06. Juni die Schlachtung von Tieren aller Art bis auf weiteres untersagt. Da über die aktuellen Feststellungen hinaus bereits seit Ende des Jahres 2012 wiederholt Verstöße gegen das Tierschutzgesetz, Hygienebestimmungen und Umweltrichtlinien festgestellt wurden und die Zuverlässigkeit seitens des Betreibers nicht sichergestellt ist, prüft das LANUV, dem Schlachthof Eschweiler die EU-Zulassung zu entziehen.
Im Zuge der Schweine- und Schafschlachtung war die Wirkung der elektrischen Betäubung sowohl bei Schweinen als auch bei Schafen unzureichend. Auch eine vorgeschriebene Nachbetäubung erfolgte am Tag der Überprüfung nicht. Zudem wurden durch den Schlachthofbetreiber, der FVE Fleischversorgung Eschweiler, nicht die vorgeschriebenen routinemäßigen und stichprobenartigen Verfahren zur Überwachung des Betäubungserfolges durchgeführt. Da die Anlage nicht ausreichend betäubt und Kontrolleinrichtungen zur Sicherstellung der einwandfreien Funktion nicht vorhanden waren bzw. nicht beachtet wurden, erfolgte zur Verhinderung weiterer potenzieller Verstöße gegen den Tierschutz eine Untersagung der Anlagennutzung.
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Der italienische Fleischproduzent Bresaole Pini plant eine Investition von 25 Millionen Euro in Sachsen-Anhalt, d.h. den Bau eines neuen Großschlachthofs. Im Gewerbegebiet an der A14 könnten dann auf einem 130 Hektar großen Gelände bis zu 1.000 Schweine stündlich geschlachtet werden. Laut Wirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt liegt der Investitionsbank seit Oktober 2013 dazu ein Förderantrag vor. Der werde zurzeit geprüft. Diesem zufolge beabsichtigt das italienische Unternehmen am Standort Bernburg eine größere Investition. Genauere Summen werden nicht genannt und auch der Investor hat bislang nicht auf MDR-Anfragen reagiert. Fest steht aber: Bernburgs Wirtschaftsdezernent Holger Dittrich möchte den Investoren auf jeden Fall in seiner Stadt sehen, das sagte er MDR Info in einem Interview: „Wir haben uns als Standort Bernburg Anfang der 1990er-Jahre entschieden, dass Steuern sprudeln sollen. Wenn wir ein großes Industriegebiet an der Autobahn vorhalten, möchten wir natürlich größere Ansiedlungen hier haben. Das ist Ziel der ganzen Übung.“
Die Bernburger Stadtratsfraktionen hatten bereits vor einigen Monaten einen vergleichbaren Schlachthof im polnischen Kutno besichtigt. Dort entstanden über 2.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze durch den Betrieb. Diese Zahlen lassen sich laut Wirtschaftsministerium aber nicht für Bernburg bestätigen. Im Fördermittelantrag an die Investitionsbank heißt es, das Unternehmen plane „wohl die Schaffung von rund 140 Arbeitsplätzen“.
In Sachsen-Anhalt gibt es bisher zwei große Schlachthöfe. Beim mittelständischen Unternehmen Halberstädter Wurstwaren werden täglich 800 Schweine geschlachtet. Beim Großbetrieb Tönnies in Weißenfels sind es täglich 15.000 Schweine. Durch den italienischen Konzern würde also eine weitere Großschlachterei entstehen, die aber direkt nach in Betriebnahme die größte in Sachsen-Anhalt wäre.
Der Protest gegen den geplanten Megaschlachthof in Bernburg geht weiter. Heute wollen Schlachthofgegner an der Weltzeituhr am Karlsplatz Unterschriften sammeln. Auf Postkarten können die Bernburger ihre persönlichen Gründe schreiben, weshalb sie keinen Schlachthof vor den Toren der Stadt haben wollen. Die Karten gehen direkt an den Oberbürgermeister. In 20 Geschäften der Stadt haben bereits 600 Menschen auf Protestlisten gegen den Schlachthof unterschrieben.
Nach den Protesten gegen einen geplanten Schlachthof in Bernburg rudert der Stadtrat zurück. Wie MDR SACHSEN-ANHALT erfuhr, haben die Stadträte einen Beschluss von Dezember zurückgenommen. Darin war über den Verkauf einer Gewerbefläche an ein italienisches Schlachtunternehmen entschieden worden. Der Stadtrat begründete die Rücknahme damit, dass zunächst alle Fragen geklärt werden müssten, beispielsweise zu den Auswirkungen auf die Umwelt.
Die Pläne für den Groß-Schlachthof auf einem Gewerbegebiet an der Autobahn 14 bei Bernburg sorgen seit Tagen für eine heftige Debatte. Dort sollen bis zu 15.000 Tiere täglich geschlachtet werden.
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Westberlin wird von Wildschweinen aus dem Osten heimgesucht: 5000 leben inzwischen in der Stadt, 1000 wurden zum Jahreswechsel erschossen, darüberhinaus von einem der Jäger auch der Schwiegersohn. In den Kinderbauernhöfen leben außerdem noch etwa 20 Hausschweine, wovon zwei hochqualifizierte Zirkussauen sind. Das sich von Menschen entleerende Umland wird dagegen von West-Schweinen besetzt. Im nahen Eberswalde gab es zu DDR-Zeiten den größten Fleischverarbeitungsbetrieb Europas, er beschäftigte 3000 Leute. In der dazugehörigen Mast- und Zuchtanlage wurden 200.000 Schweine jährlich aufgezogen. Lange regte man sich im Westen über diese Gigantomanie auf, nach der Wende mußte der Betrieb aus ökologischen Gründen verkleinert werden. 2000 wurde die abgespeckte Anlage mit 300 Mitarbeitern an den Megakulaken Eckhard Krone verscherbelt. Heute ist sein Schweinekonzern wieder der "größte Hersteller von Fleisch- und Wurstwaren in Brandenburg".
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Dass die biologische Landwirtschaft umweltschonender ist, den Boden schützt, die Artenvielfalt vermehrt und dem Tierschutz nützt, weiß man inzwischen, umstritten war jedoch noch, ob die Bio-Produkte auch gesünder sind. Mitte Juli erschien nun eine Metastudie, in der die Autoren aus England, Polen und Frankreich nachwiesen, dass sie eindeutig weniger Pestizide, Nitrit, Nitrat und Schwermetalle enthalten. Ob sie auch besser schmecken, soll eine weitere Studie klären.
Beim Schweinefleisch wird der Unterschied zwischen Bio- und Massen-Mast schon lange geschmacklich getestet. So ließ der gelernte Metzger Karl Ludwig Schweisfurth z.B. das Fleisch seiner ganzjährig auf der Weide gehaltenen Schweine von dem renommierten Koch Vincent Klink testen, anschließend nahm er dessen Urteil mit in sein Buch „Tierisch gut – vom Essen und Gegessenwerden“ auf: Im Restaurant auf dem Gut Hermannsdorf hätten seine Frau und er „das beste Kotelett des Lebens gegessen. Ich staunte nicht schlecht,“ schrieb Klink, und fügte hinzu: Die Reporter des Bayrischen Rundfunks fanden die Koteletts zu teuer, „das ist kompletter Schwachsinn, eigentlich ist das Hermannsdorfer Fleisch viel zu billig.“ Schweisfurth erbte eine der größten europäischen Fleischfabriken: „Herta“. Während seiner Metzgerausbildung in den USA hatte er sich für die fließbandmäßig organisierten Schlachthöfe dort begeistert – und dann als Firmenchef kopiert. Aber irgendwann sagte er sich, eigentlich dürfe man diese Produkte gar nicht essen, und für seine Schlachter sei die Tätigkeit in dieser hochmodernen Fleischfabrik ein richtiger Scheiß-Job. Nun greift er in der kleinen Warmschlachterei seiner „symbiotischen Landwirtschaft“ gelegentlich wieder selbst zum Messer. Er weiß: „Schweine sind mehr als Kotelett und Schinken,“ daraus folgt für ihn: „Senken des Tierleids auf ein unvermeidliches Minimum.“
Neulich testeten die „Beef Buddies“ für eine „Food-Adventure“-Reihe des ZDF bei Maarten Jansen, einem Schweinebauer nahe der holländischen Grenze, einige Stücke von einem Wollschwein, die sie an Ort und Stelle zubereiteten. Auch sie waren voll des Lobes über den Geschmack. Eine Fleisch-Probierbox kostet bei Jansen 69 Euro 95, den geringverdienenden Massen bietet Aldi-Nord 600 Gramm Schweineschnitzel für 2 Euro 99 an.
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Im vergangenen Jahr sorgte der französische Forscher Gilles-Eric Seralini mit einer Studie für Aufsehen, die zeigte, dass mit Genmais gefütterte Ratten häufiger Tumoren entwickeln. Viele Fachkollegen kritisierten die Arbeit wegen methodischer Mängel. Jetzt fand eine Forschergruppe aus den USA und Australien bei Fütterungsstudien mit Schweinen erneut Hinweise darauf, dass gentechnisch verändertes Futter gesundheitsschädlich sein könnte.
Wenn Schweine mit einem Futter aus gentechnisch verändertem Mais- und Soja ernährt werden, entwickeln sie häufiger gesundheitliche Probleme als Schweine, die vergleichbares, aber gentechnikfreies Futter erhalten. Das wollen Forscher aus den USA und Australien bei Fütterungsversuchen herausgefunden haben.
„Wir haben eine statistisch signifikante Zunahme des Gewichts der Gebärmutter festgestellt, und zwar um 25 Prozent. Zudem fanden wir eine statistisch signifikante Zunahme beim Anteil der Schweine, die eine schwere Magenentzündung entwickelten – jeweils bei den Tieren, die das gentechnisch veränderte Futter erhielten.“
Judy Carman ist die Hauptautorin der Studie. Die Epidemiologin leitet das private Institute for Health and Environment Research (IHER) im australischen Adelaide. IHER erforscht nach eigener Darstellung die Sicherheit gentechnisch veränderter Organismen in der Nahrungskette. Carman:
„Einer der Gründe, warum wir diese Studie mit Schweinen gemacht haben, ist der, dass Schweine ein ganz ähnliches Verdauungssystem haben wie wir Menschen. Und ich befürchte, dass das, was wir bei den Schweinen gesehen haben, auch bei Menschen auftreten könnte, wenn sie Genfood essen.“
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Verhalten verallgemeinern
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„Das Problem bei Pflanzen war immer: Du willst Verhaltensforschung betreiben, aber wie soll das gehen, wenn es kein Verhalten zu beobachten gibt?“ (Anthony Trewavas, Zellbiologe)
Anfänglich galt das auch für Tiere, insofern Artregungen erforscht wurden: Kennst du ein Tier, kennst du alle. Jedes Tier repräsentierte seine Art, und nichts sonst, woraus sich die „artgerechte Haltung“ ergab, die man mit einem „Tierschutzgesetz“ einklagen kann. Der Biologe Josef Reichholf fordert dagegen: „Tiere, auch solche in freier Wildbahn, müssen zu Individuen mit besonderen Eigenheiten werden. Zu lange wurden sie lediglich als Vertreter ihrer Art betrachtet, sogar von Verhaltensforschern. Das machte sie austauschbar und normierte sie zum arttypischen Verhalten‘. Und das ist falsch.“
Einer der genau beobachtete (u.a. Gänse) – und dafür den Nobelpreis bekam, war der Mitbegründer der Verhaltensforschung Konrad Lorenz. Er muß sich heute sagen lassen – vom Bayrischen Rundfunk: „Seine Beobachtungen sind zwar akribisch, aber häufig nur an einzelnen Tieren gewonnen. Dergleichen gilt heute als nahezu wertlos, weil sich solche Beobachtungen statistischen Berechnungsverfahren entziehen.“ Das heißt: Sie sind nicht arttypisch, die heutigen „Wissenschaften vom Leben“ billigen ihnen nur den Status von „Anekdoten“ zu. Die Zahl der Biologen, die diese aufwerten will und sich nicht scheut, sogar selbst welche zu publizieren, wächst zwar, aber auch sie tut sich schwer, mit der bloß Anekdoten liefernden Laienforschung z.B. zu kooperieren. Die Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing beobachtete jahrzehntelang ihre Katzen und veröffentlichte Bücher über sie. Sie schreibt: „Tatsache ist, dass jeder aufmerksame, sorgsame Katzenbesitzer mehr über Katzen weiß als die Leute, die sie beruflich studieren. Ernsthafte Informationen über das Verhalten von Katzen und anderen Tieren findet man oft in Zeitschriften, die ‚Katzen-Echo“ oder ‚Geliebte Katze‘ heißen, und kein Wissenschaftler würde im Traum daran denken, sie zu lesen.“
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Freundlicher ausgedrückt: „Die Wissenschaft ist grobschlächtig, das Leben subtil, deswegen brauchen wir die Literatur,“ wie der Semiologe Roland Barthes meinte. Zur letzteren gehören auch die Katzen-Magazine und -bücher, dazu die Internetforen – wie z.B. „Das große Katzenforum“. Es gibt bald für jede Tier- und Pflanzen-Art mindestens ein Internetforum. Besonders ängstigt die Mediziner die Patientenforen, in denen sich Laienforscher über ihre Krankheiten und Ärzte austauschen – wobei sie meistens homöopathischen Ärzten mehr Einfühlungsvermögen attestieren, während die „Schulmediziner“ eher statistisch an die Sache rangehen: mittels Hightech-Gerät, das aufs genaueste Abweichungen von Mittelwerten registriert. Sie haben jetzt ein Gegenforum gegründet, dass die verlorenen Schafe wieder an ihre Geräte zurücktreiben soll.
Der „Pseudomedizin“-Kritiker Norbert Aust wurde jüngst von der SZ interviewt, es ging um die Gründung eines „Netzwerks Homöopathie“ von Homöopathie-Gegnern, zu der Norbert Aust eingeladen hatte. Als die SZ ihn nach den Gründen für eine solche Initiative gegen Alternativen zur Schulmedizin fragte, meinte er: „Die Befürworter argumentieren ja immer mit Anekdoten von vermeintlichen Erfolgsgeschichten. Da wollten wir ein Gegengewicht schaffen.“
„Anekdoten von vermeintlichen Erfolgsgeschichten,“ schlicht gesagt: Norbert Aust und seine wackeren Mitkämpfer für die Schulmedizin wollen die Lüge bekämpfen, indem sie die Wahrheit verbreiten. Ein hehres Ziel, da werden sich die Pharma- und Medizingeräte-Konzerne bestimmt gerne dran beteiligen.
In einer Sendung des Bayrischen Rundfunks wurde unlängst die bloß „Anekdoten“ liefernde Tierforschung (Ethologie) von Konrad Lorenz kritisiert – die ebenfalls nur eine „vermeintliche Erfolgsgeschichte“ sei: „Seine Beobachtungen sind zwar akribisch, aber häufig nur an einzelnen Tieren gewonnen. Dergleichen gilt heute als nahezu wertlos, weil sich solche Beobachtungen statistischen Berechnungsverfahren entziehen.“
Konrad Lorenz hat man nun auch noch den Ehrendoktor an der Universität Salzburg aberkannt. Nicht, weil er die Nazi-Herrschaft laut eigener Aussage (bei seiner Nobelpreisannahme) gut fand, sondern weil er sich die Ehrung erschlich. Die FAZ war empört: „Die Vorstellung, der neunfache Ehrendoktor“ wollte partout „vor seinem Tod auch noch den Salzburger Doktorhut erwerben, notfalls durch Täuschung, verrät eine groteske Selbstüberschätzung der Universität.“
Lorenz hat nie eine seiner Veröffentlichungen verheimlicht. Sein Beitrag zur Rassentheorie: „Durch Domestikation verursachte Störungen arteigenen Verhaltens“ (1940) war lange zuvor schon, auch unter linken Verhaltensforschern und Literaten, u.a. Theodor Lessing, verbreitet: Jegliche „Höherzüchtung“ entfremdet vom Wesen – führt zur Degeneration. Das dringt heute noch beim Darwinisten Josef Reichholf durch, wenn er die schöne Männlichkeit der Massaikrieger in Kenia mit Münchner Büromenschen vergleicht. Der auf biologischer Grundlage operierende Nazistaat war für die Naturwissenschaftler ein Geschenk des Himmels. Es ließ sich mit einem Wort von Jakob von Uexkülls als „Staatsbiologie“ (1920) bezeichnen. Manchmal beschleicht mich der Verdacht, dass die Biologen noch heute alle Nazis sind – qua Profession; schon allein, weil sie sich mit ihrer Tierart, die sie erforschen, so identifizieren, dass sie um ihr Weiterleben kämpfen, und dafür die Natur zerstörenden Menschen hassen, die sich zudem wie die Karnickel vermehren. Die finnische Ethologin Ulla-Lena Lundberg sagt es so: „Von Vogelbeobachtern heißt es, sie seien Menschen, die von anderen Menschen enttäuscht wurden. Darin liegt etwas Wahres, und ich will nicht leugnen, dass ein Teil des Entzückens, mit anderen Vogelguckern gemeinsam draußen unterwegs zu sein, in der unausgesprochenen Überzeugung liegt, die Vögel verdienten das größere Interesse.“Aber gilt das auch für Schweine?
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Aus der heutigen taz von Jost Maurin:
Deutschlands größter Ökobauernverband Bioland verstößt mitunter gegen seine eigenen Regeln, mit denen er hohe Preise rechtfertigt. „2014 wurden 35 Ausnahmegenehmigungen zur Einzeltierbehandlung für alle Tierarten auf den Einsatz eines nicht zugelassenen Medikaments erteilt“, schreibt Bioland-Sprecher Gerald Wehde auf Anfrage der taz.
Bauern des Verbands durften ihren Tieren also zum Beispiel bestimmte Antibiotika geben, obwohl Bioland diese in seinen Richtlinien ausdrücklich und ohne die Möglichkeit von Ausnahmen verboten hat.
Wehde begründet die entgegen den Regeln erteilten Ausnahmeerlaubnisse damit, dass „der Tierarzt keine Alternativbehandlung aus Sicht des Tierschutzes“ habe vornehmen können. Kritiker wenden jedoch ein, kranke Tiere könnten zwar behandelt werden – sie dürften dann allerdings nur mit dem gesetzlichen EU-Biosiegel und nicht mit dem teureren Bioland-Siegel verkauft werden.
Sogar wenn Bauern die verbotenen Medikamente verwenden, ohne sich eine Ausnahmegenehmigung zu besorgen, wird das Tier meist weiter mit dem Siegel des Verbands verkauft. Denn Wehde ergänzt: „Ein einmaliger Einsatz eines Medikaments aus unserer Verbotsliste führt nicht zu einer Zeichenaberkennung.“
Damit widerlegt er Angaben des Chefberaters für Schweineerzeuger von Bioland in der taz vom 2. Februar. Solche Fälle werden Wehde zufolge aber „über Auflagen und Abmahnungen und im Wiederholungsfall durch eine Vertragsstrafe“ sanktioniert. Auf die Frage nach der Rechtsgrundlage für Ausnahmegenehmigungen verwies der Pressesprecher lediglich auf „interne Anweisung der Qualitätssicherung“ – also nicht auf die maßgeblichen Richtlinien von Bioland.
„Ich bin erschüttert“, sagt ein langjähriger Brancheninsider der taz, der aus Angst vor „Rache“ von Bioland nicht namentlich genannt werden möchte. Zwar toleriert auch der viertgrößte deutsche Ökoverband Biokreis Verstöße gegen seine Medikamentenverbote, wie die taz vergangene Woche aufdeckte. Aber Bioland ist der bedeutendste Verband für ökologischen Landbau in Deutschland.
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Mehr als 6.200 Landwirte, Gärtner, Imker und Winzer haben sich verpflichtet, nach den Richtlinien des Vereins zu wirtschaften. Hinzu kommen über 1.000 Händler und Verarbeiter wie Bäckereien, Molkereien und Metzgereien. Die Richtlinien „gehen weit über den gesetzlichen Mindeststandard für Biolebensmittel hinaus“, wirbt Bioland und erklärt sich zu „einer Wertgemeinschaft zum Wohl von Mensch und Umwelt“.
Zu diesem Selbstverständnis passt, dass Bioland als erster Ökoverband den Einsatz von Antibiotika der Gruppe Fluorchinolone verboten hat. Die Weltgesundheitsorganisation hatte diese Medikamente als „von entscheidender Bedeutung für die Humanmedizin“ eingestuft, die oft als „Reserveantibiotika“ bezeichnet werden. Denn sie gehören zu den sehr wenigen Präparaten, mit denen sich etwa Infektionen mit dem Keim Campylobacter bekämpfen lassen.
Die Grünen etwa fordern, Reserveantibiotika in der Landwirtschaft gesetzlich zu verbieten. Denn auch der häufige Einsatz in der Tierhaltung trägt dazu bei, dass Krankheitskeime gegen diese Wirkstoffe resistent werden – und irgendwann auch nicht mehr bei Menschen wirken. Schätzungen zufolge sterben in der EU jährlich rund 25.000 Menschen an Infektionen mit resistenten Bakterien.
Für Gegner der Branche wie den Agrarstatistiker Georg Keckl sind Eingeständnisse wie die von Bioland und Biokreis eine Steilvorlage. „Alles was zu Anwendungsverboten oder Anwendungsbeschränkungen in den Richtlinien steht, ist Show für die Öffentlichkeit. Was ist sonst noch Show?“, fragt er. Bio – nur ein Etikettenschwindel?
Und selbst Experten, die Biolebensmittel empfehlen, sind entsetzt. „Es ist schon schwer zu vermitteln, dass überhaupt Antibiotika in der Bio-Tierhaltung eingesetzt werden“, sagt Armin Valet, Ernährungsfachmann der Verbraucherzentrale Hamburg. Umso inakzeptabler sei es, wenn Bioland seine eigenen Medikamentenverbote unterläuft. Dann würde es keinen Sinn machen, solche Vorschriften festzulegen. Die Branche müsse in diesem Punkt offener kommunizieren.
„Wer sich solche Regeln gibt, ist den VerbraucherInnen gegenüber verpflichtet, sie konsequent durchzusetzen. Alles andere ist Verbrauchertäuschung“, sagt auch der Vizegeschäftsführer von Foodwatch, Matthias Wolfschmidt.
Eckehard Niemann, Agrarindustrieexperte der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, warnt gar: „Der Ruf von Bioland geht vor die Hunde.“ Zu fragen sei, warum die Tiere überhaupt diese Antibiotika benötigten. „Die werden ja im Wesentlichen krank durch die Haltungsbedingungen.“ Hier müsse Bioland ansetzen, statt seine Prinzipien zu verraten.
Demeter, wichtiger Bioland-Konkurrent, antwortet ausweichend auf die Frage, ob die inkonsequente Anwendung von Medikamentenverboten bei Biokreis und Bioland die Glaubwürdigkeit von Bio insgesamt und speziell der Bioverbände untergraben könnte. Demeter teilt aber mit: Ausnahmen von Medikamentenverboten „sind bei uns kein Thema“. Allerdings hat Demeter im Gegensatz zu Bioland Reserveantibiotika gar nicht verboten.
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Dazu ein Interview von Anja Krüger mit dem Chef des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft:
Felix Löwenstein: Tiere, die krank sind, sollen nicht leiden und müssen behandelt werden. Die Behauptung, dass keine Antibiotika eingesetzt werden, stellen wir deshalb auch nicht auf. Dass Antibiotika eingesetzt werden können, steht in allen Richtlinien, die einsehbar sind, auch die gesetzlichen Grundlagen sind entsprechend.
In den USA darf Fleisch nicht als Bio verkauft werden, wenn das Tier mit Antibiotika behandelt wurde. Warum ist das hier anders?
In den USA sind Gemischtbetriebe mit Bio- und mit konventioneller Tierhaltung üblich. Wird dort ein Tier mit Antibiotika behandelt, kommt es in den konventionellen Teil. Wir verlangen die Umstellung des Gesamtbetriebs, und deshalb haben die Landwirte nicht die Möglichkeit, ein Tier auf ihrem Hof in einen anderen Stall zu stellen.
Kann man dann nicht gleich konventionelles Fleisch kaufen?
Antibiotika werden in der ökologischen Tierhaltung sehr viel restriktiver gehandhabt. Aber darüber hinaus geht es um die gesamte Haltungsfrage: Was bekommen Tiere für ein Futter, und wie wird das angebaut? Können sie Regen und Sonne erleben und hat das Schwein die Möglichkeit, im Stroh zu wühlen?
Die Erzeugerverbände Bioland und Biokreis verbieten in eigenen Richtlinien Antibiotika wie Fluorchinolone, weil diese Menschen vorbehalten sein sollen. Jetzt ist herausgekommen, dass diese Medikamente doch für Tiere eingesetzt werden.
Diese Verbände haben ihre Regeln bis auf die Handelspräparate detailliert entwickelt. Aber das letzte Wort muss der Tierarzt haben, der die Verantwortung für die Gesundheit der Tiere hat. Wenn er in der Einzeltierbehandlung von den Vorgaben abweicht, braucht es aber eine Ausnahmegenehmigung.
In den Richtlinien steht aber nicht, dass der Tierarzt entscheidet, sondern der Einsatz dieser Antibiotika verboten ist.
Nein. Dort steht, dass die Verordnung – und damit die Entscheidung – in der Verantwortung des Tierarztes liegt.
Kurz darunter verlangen die Regeln, dass die Liste der verbotenen Medikamente zu beachten ist. Ausnahmegenehmigungen sind nicht vorgesehen.
Weil sie beachtet werden muss, müssen Abweichungen mitgeteilt und Ausnahmegenehmigungen beantragt werden. Unser Ziel in der ökologischen Tierhaltung muss sein, so stabile Systeme zu bekommen, dass Medikamenteneinsatz nicht erforderlich ist. Davon sind wir in der Praxis noch entfernt. Das hängt auch mit Fragen der Tierzucht zusammen. Den wünschenswerten Zustand können wir aber nicht mit Richtlinien herstellen. Vielmehr braucht es Beratung und Betreuung der Betriebe. Die gesamte ökologische Landwirtschaft ist kein fertiger Zustand, sondern ein lernendes System.
Die Skandale nehmen zu. Ist die Biobranche zu groß geworden, um ehrlich zu sein?
Meine Wahrnehmung ist nicht, dass Skandale zunehmen. Aber die Herausforderungen steigen, je größer der Markt wird. Ich bin zuversichtlich, dass wir sie meistern. Das müssen wir auch, denn wir brauchen den Ökolandbau als Alternative.
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