Mit einer Mischung aus Heilpraktik und Spiritualität verdient auch Doris Fölster, 50, ihren Lebensunterhalt. Sie ist zertifizierte Kräuterpädagogin und steckte rund 1000 Euro in die einjährige Ausbildung. Das Restaurant, in dem sie 27 Jahre lang gearbeitet hatte, war gerade geschlossen worden - "ich wusste nicht, wie es weiter geht. Ich hatte noch nie eine Bewerbung geschrieben."
Sie lernte, wie man Pflanzen erkennt und verarbeitet. Weil sie schon immer gern singt und auf der Bühne steht, mixte sie die Kräuter kurzerhand mit Gesang und Schauspiel; heraus kam ein neuer Beruf: Kräuterfee.
Sie erzählt und singt, über Löwenzahn und Petersilie. Sie erklärt und reimt, im Samtkleid mit enger Korsage. Die gefalle vor allem den Männern, sagt Fölster. Sie lässt sich für Firmenevents buchen, auch vor Schulkindern ist sie schon aufgetreten und im Seniorenheim. In ihrem Programm geht es darum, wo Kräuter wachsen, wie sie schmecken und wirken, wen sie inspiriert haben. "Kräuter können glücklich machen", so Fölster. Ihren Gästen reiche sie gern Gänseblümchen-Tee. Für die gute Laune.
Mindestens 125 Euro verlangt sie pro Stunde, plus Fahrtkosten. 5 bis 15 Auftritte habe sie pro Monat, finanziell sei es "ein Auf und Ab". Ihre Freunde fragen sie manchmal, was sie denn vorhat, wenn es nicht klappt - "aber so weit denke ich gar nicht. Ich habe keinen Plan B. Es wird sich schon ergeben."
90 Euro für eine Einzelstunde beim Schamanen
Wenn Benjamin Maier, 29, nach seinem Beruf gefragt wird, dann sagt er "Lebensberater". Klingt nicht ganz so verrückt wie Schamane. In der Schule war er mit seinem Hang zur Esoterik ein Einzelgänger. "Nur die Mädchen fanden mich toll. Ich war mysteriös, so anders als die anderen", sagt Maier. Schon als Kind habe er gespürt, wenn es anderen schlecht ging.
Nach einem Philosophie- und Religionsstudium besuchte er eine Heilpraktikerschule; nichts brachte die gewünschte Erfüllung. Schließlich suchte er online nach jemandem, der ihm Aura-Chakra-Lesen beibringt. Dabei geht es um eine Ausstrahlung, die angeblich jeden Menschen umgibt, um Energiefelder, die Stärken und Schwächen, die Blockaden, Gefühle und Gedanken - so ungefähr. Mit präzisen Erklärungen tun sich Anhänger der Eso-Szene notorisch schwer, Rationalität ist nicht ihre Welt.
Im Web fand Maier seinen spirituellen Lehrer: "Ich hatte beim persönlichen Treffen sofort das Gefühl, dass wir befreundet sein könnten. Er begeistert mich und bringt mich weiter." In die Ausbildung investierte er die erstaunliche Summe von 50.000 Euro. "Das klingt viel, aber es lohnt sich", glaubt Maier. "Und ich habe das Geld wieder drin, sobald ich selbst Ausbildungen anbiete." Auch so entstehen Esoterik-Berufe - jemand, der schon ein paar Erfahrungen hat, gibt sie an zahlende Neulinge weiter, die dann später selber Seminaranbieter werden.
Seit 2010 hat Maier seine eigene Praxis, dort berät er Menschen mit Partnerschafts- oder Jobsorgen. Drei bis vier Beratungstermine hat er pro Woche, 90 Euro kostet die Einzelstunde. Er gehe den Problemen mit Hilfe von Lichtwesen auf den Grund, so Benjamin Maier. Lichtwesen? "Es gibt sie auf der ganzen Welt, in jeder Kultur - Engel, Krafttiere, Elfen. Die feinstofflichen Wesen sind überall, sie kümmern sich um uns", sagt er. "Ich bin ständig in Kontakt mit ihnen." Auf "Astralreisen", in denen sein Geist den Körper verlasse, könne er sich mit ihnen unterhalten, sie sprächen dann durch ihn hindurch.
Bei einem Paar habe er so etwa herausgefunden, dass sich die Frau verhielt wie ihre Mutter, der Mann wie sein Vater: "Eigentlich streiten sich also die Verhaltensmuster der Eltern, nicht sie selbst." Seinen Kunden empfiehlt er gern den Kauf von Karnevals-Verkleidung. "Sobald es zum Streit kommt, müssen rote Nasen aufgesetzt werden - man kommt sich bescheuert vor, muss lachen und merkt, dass der Streit ebenso bescheuert ist."