«Man behauptet, ein Wolfriss sei wahnsinnig brutal»

Hannes Jaenicke: Im Einsatz für den Wolf

«Tiere haben mich noch nie gelangweilt, was ich von Menschen leider nicht behaupten kann»: Hannes Jaenicke, Schauspieler, Dokumentarfilmer und Tieraktivist.

Bild: Andre Becker/ZDF

Hannes Jaenicke (rechts) mit dem Wissenschaftler Kurt Kotrschal im Wolf Science Center in Ernstbrunn, Österreich. Kotrschal und seine Kolleginnen haben alle «wissenschaftlichen» Wolfs-Mitarbeiter per Hand aufgezogen.

Bild: Markus Strobel/ZDF

Hannes Jaenicke im Gespräch mit Förster Peter Wohlleben während der Dreharbeiten in «Wohllebens Waldakademie» in Wershofen, Deutschland.

Bild: Andre Becker/ZDF

Schäfer Constantin Danula und Hannes Jaenicke in Rumänien.

Bild: Markus Strobel/ZDF

Christoph Promberger von der Stiftung Foundation Conservation Carpathia und Hannes Jaenicke in Rumänien.

Bild: Markus Strobel/ZDF

«Wenn wir in einem gesunden ökologischen Gleichgewicht leben wollen, müssen wir dem Wolf genug Platz geben, damit er in Ruhe leben kann»: Hannes Jaenicke zusammen mit Verhaltensforscher Kurt Kotrschal,

Bild: Markus Strobel/ZDF

Hannes Jaenicke: Im Einsatz für den Wolf

«Tiere haben mich noch nie gelangweilt, was ich von Menschen leider nicht behaupten kann»: Hannes Jaenicke, Schauspieler, Dokumentarfilmer und Tieraktivist.

Bild: Andre Becker/ZDF

Hannes Jaenicke (rechts) mit dem Wissenschaftler Kurt Kotrschal im Wolf Science Center in Ernstbrunn, Österreich. Kotrschal und seine Kolleginnen haben alle «wissenschaftlichen» Wolfs-Mitarbeiter per Hand aufgezogen.

Bild: Markus Strobel/ZDF

Hannes Jaenicke im Gespräch mit Förster Peter Wohlleben während der Dreharbeiten in «Wohllebens Waldakademie» in Wershofen, Deutschland.

Bild: Andre Becker/ZDF

Schäfer Constantin Danula und Hannes Jaenicke in Rumänien.

Bild: Markus Strobel/ZDF

Christoph Promberger von der Stiftung Foundation Conservation Carpathia und Hannes Jaenicke in Rumänien.

Bild: Markus Strobel/ZDF

«Wenn wir in einem gesunden ökologischen Gleichgewicht leben wollen, müssen wir dem Wolf genug Platz geben, damit er in Ruhe leben kann»: Hannes Jaenicke zusammen mit Verhaltensforscher Kurt Kotrschal,

Bild: Markus Strobel/ZDF

Schauspieler Hannes Jaenicke hat den Wolf gejagt – mit Stativ und Kamera. In seiner Doku kam er dem scheuen Raubtier sehr nahe. Heute weiss er, wie das Zusammenleben mit Wölfen geht – und weshalb die Angst vor ihnen immer noch gross ist.

Von Bruno Bötschi

22.5.2021

Der Wolf galt in der Schweiz seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als ausgerottet. Vor drei Jahrzehnten ist er zurückgekehrt. Seither erobert sich das scheue Raubtier seine ursprüngliche Heimat zurück; Ähnliches passiert auch in Deutschland, unserem nördlichen Nachbarland.

Die Rückkehr des Wolfs ist ein Erfolg für den Artenschutz, bedeutet aber auch eine Herausforderung, nicht zuletzt für die Bauern. Die Menschen in der Schweiz genauso wie in Deutschland müssen wieder lernen, mit dem Wolf zu leben.

Schauspieler und Tieraktivist Hannes Jaenicke, 61, hat sich dem Wolf angenommen und einen Dokumentarfilm über das polarisierende Thema gedreht. «Es gibt Probleme mit dem Wolf», sagt er. «Aber gibt es auch Lösungen? Wie viel Wolf vertragen die Menschen in Mitteleuropa?»

In seiner neuesten Tier-Doku «Auf den Spuren des Wolfes» sucht Jaenicke nach Antworten auf diese und andere Fragen.

Hannes Jaenicke, warum setzen Sie sich für Tiere ein?

Was wäre denn die Alternative? Golf spielen? Porsche fahren?

Sagen Sie es mir.

Ich bin seit Kindheit ein Tier- und Naturfreund. Als ich grösser wurde, musste ich mit Staunen feststellen, dass wir Menschen in der Natur und Tierwelt unglaublich viel Schaden anrichten. Irgendwann habe ich überlegt, wie ich das Medium Fernsehen nutzen kann, um auf diese Problematik aufmerksam zu machen. Die Schauspielerei ist mein Beruf, das mache ich mit grossem Vergnügen und verdiene mein Geld damit. Mit meinen Tier-Dokumentationen bin ich Überzeugungstäter und versuche etwas zu bewegen.

Haben Sie ein Lieblingstier?

Nein, das habe ich nicht. Aber als wir 2006 unsere erste Tier-Doku über Orang-Utans drehten, war ich total verliebt in diese Menschenaffen. Als wir den Film über Löwen produzierten, waren die Raubkatzen das Schönste für mich. Genauso faszinierend war es, für unsere Delphin-Doku mit den Meeressäugern tauchen zu dürfen.

Sie finden Tiere grundsätzlich spannend.

«Man behauptet, ein Wolfriss sei wahnsinnig brutal»

Ja. Und wissen Sie was? Tiere haben mich noch nie gelangweilt, was ich von Menschen leider nicht behaupten kann.

Nach zuletzt Nashörnern und Lachsen widmen Sie sich in Ihrer Doku-Reihe ‹Im Einsatz für ...› nun dem Wolf.

Am Wolf scheiden sich in Deutschland schon seit einigen Jahren die Geister...

... in der Schweiz auch.

Einerseits sind wir Deutschen ein Volk von Hundenarren und geben Milliarden von Euro für Hundenahrung und -zubehör aus. Andererseits brechen wir eiskalt die EU-Gesetzgebung und lassen den Wolf, den direkten Vorfahren des Hundes, abschiessen. Woher kommt diese Ignoranz und Arroganz? Das wollten wir herausfinden.

In der Schweiz wanderten ab 1995 immer wieder einzelne Wölfe ein, in Deutschland ist er seit 20 Jahren wieder heimisch. Die Rückkehr erfolgte also natürlich – und polarisiert trotzdem. Warum?

Der Rest der Welt lebt mit Raubkatzen, mit Nilpferden und giftigen Spinnen, aber wir in Mitteleuropa haben verlernt, wie man mit Beutegreifern umgeht. Viele Menschen meinen leider immer noch, wir könnten die Natur managen. Passt ihnen eine Tiergattung nicht, wollen sie diese einfach umbringen. Das ist erbärmlich.

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Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf, als Sie in der Lausitz, einer Region im Süden von Brandenburg, durch das Fernrohr zum ersten Mal einen Wolf in freier Natur sahen?

Ein grossartiger Moment. Wölfe sind extrem scheue Tiere und deshalb der Albtraum eines jeden Tierfilmers.

Im Wolf Sience Center in Niederösterreich kamen Sie im Freigehege dem Wolf noch näher. Was war es für ein Gefühl, als Sie zum ersten Mal ein Tier streicheln konnten?

Ich dachte nur, wie eng Wolf und Hund verwandt und wie ähnlich sie sich sind. Der zweite Gedanke war: Warum haben Menschen solche Angst vor einem wilden Tier, das so scheu ist?

Haben Sie eine Antwort auf Ihre Frage gefunden?

Ich denke schon. Wir alle kennen das Märchen ‹Rotkäppchen und der böse Wolf›. Ich wäre als Kind niemals in einen dunklen Wald gegangen, weil ich davon überzeugt war, dass mich sofort der böse Wolf fressen würde. Natürlich ist diese Geschichte nur ein Märchen, aber von vielen Menschen wird der Wolf deshalb bis heute als böse betrachtet. Film, Fernsehen aber auch Märchen und Romane bedienen sich gern menschlicher Urängste.

Was hat Sie bei Ihren Recherchen für Ihren Dok-Film ‹Im Einsatz für den Wolf› besonders fasziniert?

Ich sprach mit Schäfern in den italienischen Abruzzen und den Karpatenregionen Rumäniens. Wissen Sie, was diese Männer sagen, wenn ein Wolf eines ihrer Schafe reisst? Sie geben sich selber die Schuld, sagen, dass sie ihre Herde hätten besser schützen müssen.

Was sagen die Schäfer in Deutschland nach einem Wolfsriss?

Die machen auf Panik und schreien: Abschiessen! Sofort! Da frage ich mich: Darf der Wolf nichts essen? Wir Menschen essen lustvoll Lammbraten, aber wehe, ein Wolf reisst ein Schaf, dann wird sofort ‹Skandal!› skandiert. Und wissen Sie, was die schlimmste Doppelmoral überhaupt ist?

Nein.

Weidetierhalter argumentieren gern, ein Wolfsriss sei etwas wahnsinnig Brutales. Da frage ich mich: Was ist denn mit den grausamen Tiertransporten und den Schlachtfabriken, die wir Menschen zu verantworten haben?

Tierschützer behaupten, der Wolf reguliere in der freien Natur seinen Bestand selber. Ist die Angst vor ihm demnach unbegründet?

So ist es. Wir haben für die Wolf-Doku mit dem bekannten deutschen Förster Peter Wohlleben gesprochen. Er sagt, Wölfe gehören in ein gesundes Ökosystem, und dass Umweltschutz letztendlich auch Menschenschutz bedeutet. Fakt ist: Tierpopulationen haben kein Problem, sobald wir sie in Ruhe lassen, vorausgesetzt, wir rotten sie nicht aus. In unserer Dokumentation zeigen wir das am Beispiel Yellowstone-Nationalpark in den Vereinigten Staaten.

Was ist dort passiert?

Dort hatte man im 19. Jahrhundert systematisch damit begonnen, die Wölfe auszurotten und so das ökologische Gleichgewicht zerstört. 1995 wurden Wölfe in Kanada gefangen und im Yellowstone-Park ausgesetzt, um dieses wiederherzustellen. Seither haben sich die Abläufe in der Natur wieder ausbalanciert.

Nachdem Sie sich intensiv mit dem Wolf befasst haben: Was denken Sie, wird sich die Diskussion irgendwann entspannen?

Sobald die Menschen verstehen, dass Ökosysteme in der Balance bleiben müssen, wird sich die Diskussion beruhigen. Glauben wir jedoch weiterhin, dass wir schlauer sind als die Natur, und sie managen sollten, dann ist das nicht nur dumm, sondern wird uns immer grössere Probleme bescheren. Ich verweise da nur auf die Wildschwein-Plage oder die Schäden durch Rot- und Damwild. Jedes Lebewesen hat eine biologische Funktion. Egal, ob es eine Mücke ist, eine Biene oder eben ein Wolf.

Schiessen oder schützen: Für Sie ist die Antwort auf diese Frage demnach klar?

Ja. Wenn wir in einem gesunden ökologischen Gleichgewicht leben wollen, müssen wir dem Wolf wieder genug Platz geben, damit er in Ruhe leben kann.

Wie kann das erreicht werden?

Mein grösster Wunsch wäre, dass die Politik endlich Ernst macht und dafür sorgt, dass mehr Naturschutzgebiete, mehr Nationalparks und mehr Biosphärenreservat entstehen können. Zurzeit benehmen sich aber leider immer noch zu viele Menschen so, als hätten sie im Kofferraum ihres Geländewagens einen Ersatzplaneten versteckt.

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Nach der Ausstrahlung Ihrer Lachs-Dokumentation im vergangenen Jahr bekamen Sie Morddrohungen.

Das stimmt.

Was denken Sie, wie werden die Reaktionen auf Ihren Wolf-Film ausfallen?

Unsere Hoffnung ist es, die Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Auch wenn die Positionen emotional aufgeladen sind, sollten Wolfsgegner und -befürworter zur Sachlichkeit zurückfinden. Ich denke, viele Menschen, die Angst vor dem Wolf haben, kennen und verstehen das Tier einfach nicht.

Sie sind einer der wenigen Prominenten, die sich so nachhaltig für den Tierschutz einsetzen. Wünschen Sie sich, dass noch mehr Prominente ihre Popularität dafür nutzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen?

Es stimmt, in Deutschland bin ich mit meiner Arbeit ziemlich einsam. In den USA und Kanada ist es anders – dort setzen sich viele Schauspieler und Musiker massiv für den Umweltschutz ein, zum Beispiel Leonardo DiCaprio, Robert Redford, Arnold Schwarzenegger und Bryan Adams.

Welchem Tier wollen Sie sich nach dem Wolf widmen?

Dem Schwein und der Massentierhaltung.

Die Dokumentation «Hannes Jaenicke: Im Einsatz für den Wolf» ist in der ZDF Mediathek verfügbar und am Dienstag, 25. Mai, 22:15 Uhr, auf dem Kanal ZDF zu sehen.