14. Jänner 2021, 02:00
Das Krächzen einer Krähe oder eines Raben sorgt wahrscheinlich nicht dafür, dass man sie als die Maria Callas unter den Vögeln bezeichnen würde. Dennoch gehören Rabenvögel zur Gattung der Singvögel.Die Nachfahren der Dinosaurier begleiten die Menschheit seit jeher, wenngleich subtiler als Haustiere wie Hunde und Katzen, oder Nutztiere wie Kühe, Schafe oder Hühner. Weltweit gibt es 120 verschiedene Rabenvögel Arten, zu denen auch Elstern, Häher, Dohlen und natürlich Krähen und Raben zählen. Besonders in Mythologie und Symbolik, man denke nur an den Ausdruck „rabenschwarz“, „Rabeneltern“, oder „diebische Elster“, haben sie sich schon lange manifestiert.
Das Ausbleiben von Menschen, die sich in Straßen und Parks tummelten zog, insbesondere für Krähen, auch den Lockdown einer praktischen Nahrungsquelle nach sich: Essensreste am Boden, auf Parkbänken und in Mülleimern. „Wenn dein Essen nicht zu dir kommt, musst du eben zum Essen kommen“, ist zumindest meine Interpretation, weshalb ich fortan eine Krähe als Stammgast haben sollte. Mein Balkon mit einem Futterhäuschen für Grünfinken, Amseln und Kohlmeisen schien, aus Sicht der Krähe, vielversprechend. Jeden Morgen klopfte er fortan an meine Balkontüre, um sein Frühstück einzufordern.
Paradigmenwechsel: anderes Gehirn, ähnliche Leistung
Die Forschung hinkte den Mythen vergleichsweise hinterher. Erst ab den 1990er-Jahren begann sich die Wissenschaft stärker für die außergewöhnliche Intelligenz und die Fähigkeiten von Rabenvögeln zu interessieren. In Österreich stellt die Konrad-Lorenz-Forschungsstelle, die seit 2011 zur Universität Wien gehört, eine der wissenschaftlichen Forschungs-Hochburgen dar. Thomas Bugnyar, Professor für kognitive Ethologie an der Universität Wien leitet dort das „Corvid Lab“. Er erforscht die soziale Intelligenz von Raben seit den 1990er-Jahren und zählt zu den Vorreitern.„Als ich Mitte der 90er Jahre angefangen habe an Raben zu arbeiten bin ich bei einem Vortrag kritisiert worden, ob ich eigentlich weiß, dass ich nicht mehr mit Primaten, sondern mit Vögeln arbeite und ein Vogelhirn anders aussieht, als ein Säuger-Gehirn. Der Cortex, die Großhirnrinde, die wir brauchen um quasi ‚irgendwelche höheren kognitiven Leistungen zu vollführen‘, fehlt bei Vögeln. Überspitzt formuliert würden sie nichts anderes darstellen als instinktgetriebene Reflexmaschinen. Ich habe damals geantwortet, dass die Tiere laut vorherrschender Lehrmeinung die Leistungen nicht vollbringen können, auf der anderen Seite gibt es bereits einige, zugegeben wenige, Studien. Es kann natürlich sein, dass die ein kompletter Fake sind, in dem Fall täuschen uns die wenigen Leute, die bis jetzt mit Vögeln gearbeitet haben sehr gut. Auf der anderen Seite bevorzuge ich die Annahme, dass es stimmt, was sie sagen und wir einfach noch nicht das Vogelgehirn verstehen.“
Es sollte noch einige Jahre dauern, bis in der Neurobiologie mit der Erkenntnis, dass man das Gehirn von Vögeln falsch eingeschätzt hatte, ein Paradigmenwechsel eingeleitet wurde. Der Aufbau eines Vogelhirns ist im Vergleich zu einem Säugetier zwar anders, aber keineswegs leistungsschwächer.Als Analogie könne man die unterschiedlichen Betriebssysteme von Computern heranziehen, so Kaeli Swift, Forscherin an der Universität von Washington: „Denken Sie an Apple und Windows. Beide Betriebssysteme sind in der Lage, wirklich komplexe und sehr ähnliche Operationen auszuführen. Aber die Art und Weise, wie sie das tun, ist ein wenig anders. So verhält es sich auch mit dem Gehirn von Vögeln. Diese Erkenntnis öffnete die Tür für legitime Forschung, um mehr über die Komplexität von Vögeln und ihre Fähigkeiten herauszufinden. Bevor wir das herausgefunden hatten, wären derartige Forschungen als Zeit- und Geldverschwendung, und nicht als erstzunehmende akademische Arbeit erachtet worden.“