Nach Containern-Urteil: Ist ein Wegwerf-Verbot in Sicht?
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Containern kann strafbar sein. Wird man dem Handel nun das Wegwerfen von Lebensmitteln verbieten, wie in Frankreich? Wie läuft es in anderen Ländern? Die RUNDSCHAU hat recherchiert.
Donnerstag, 20. August 2020
Containern kann strafbar sein, entschied das Bundesverfassungsgericht. In Frankreich gibt es ein Gesetz, das das Wegwerfen von essbaren Lebensmitteln verbietet.
Von Martina Kausch | Fotos: Unternehmen
Weggeworfene Lebensmittel aus der Tonne holen, um Foodwaste zu vermeiden? Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Dienstag (18. August 2020) entschieden, dass Containern strafrechtlich als Diebstahl geahndet werden kann. Zwei Studentinnen aus Oberbayern hatten sich an Lebensmitteln aus einem verschlossenen Abfallcontainer eines Supermarktes bedient. „Der Gesetzgeber darf das zivilrechtliche Eigentum grundsätzlich auch an wirtschaftlich wertlosen Sachen strafrechtlich schützen, heißt es in der Begründung des Gerichts – mit anderen Worten: auch Eigentum, das wertlos ist, ist Eigentum. Es sei denn, Gesetze regeln, was der Handel mit unverkäuflichen Lebensmitteln tun muss. In vielen Nachbarländern gibt es solche Gesetze bereits.
Vorreiter Frankreich – mit Steuervorteil
Das Land der hohen Esskultur hat es vorgemacht: In Frankreich verpflichtet seit Februar 2016 ein Gesetz Supermärkte mit einer Ladenfläche von mehr als 400 Quadratmetern dazu, genießbare Lebensmittel entweder selbst weiterzuverwenden oder sie zu spenden, am besten an gemeinnützige Organisationen, die sie dann kostenlos an bedürftige Personen abgeben. Der Markt selber muss mit einem oder mehreren karitativen Verbänden diese Vereinbarung treffen und die Bedingungen für die unentgeltliche Abgabe von Lebensmitteln festlegen. Sonst sind Supermärkte aufgefordert, die Reste für die Produktion von Tierfutter, als Kompost für die Landwirtschaft oder zur Energiegewinnung zur Verfügung zu stellen. Tun sie es nicht, drohen Geldstrafen - bis zu 3.750 Euro pro Vergehen. Als Anreiz ist in Frankreich festgesetzt, dass Supermärkte 60 Prozent des Einkaufspreises der gespendeten Lebensmittel von der Steuer absetzen können. Ergebnis laut Medienberichten: Die Spenden stiegen in den ersten zwei Jahren um 22 Prozent an. Und die Supermärkte bewerben viel gezielter Lebensmittel, die kurz vor dem Ablauf des Haltbarkeitsdatums stehe.
Problem Haftbarkeit gelöst: Was machen Italien, Finnland und die Schweiz?
Dem Beispiel Frankreichs sind seit dem Sommer 2016 weitere Länder wie Italien, Peru und Finnland gefolgt. In Tschechien gibt es seit 2019 ein Gesetz, das größere Geschäfte dazu verpflichtet, unverkäufliche Lebensmittel kostenlos an Hilfsorganisationen abzugeben, die Strafen sind höher als in Frankreich. In Italien sieht das Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung keine Strafen vor, sondern bietet unter anderem Steuererleichterungen. Ein wichtiges Problem wurde ich Italien gelöst: Sozialorganisationen sind für Mängel an Lebensmitteln, die nach bestem Wissen weitergegeben wurden, nicht haftbar.
In Österreich hat die Regierung im „Regierungsprogramm 2020 – 2024“ einen „Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung über die gesamte Wertschöpfungskette“ erarbeitet, nach dem nach französischem Vorbild das „Entsorgen von genusstauglichen Lebensmitteln“ verboten werden soll. Mehr ist bislang nicht passiert.
Auch in der Schweiz ist die Vermeidung von Foodwaste im LEH ein aktuelles Thema. Gerade hat der Ständerat, die Vertretung der Kantone im Parlament, dem Vorschlag für ein Gesetz zugestimmt, das die Abgabe von geniessbaren Lebensmitteln nach Ladenschluss an zertifizierte Organisationen oder Personen regelt. Der Nationalrat, also die zweite Parlamentskammer, hat den Entwurf bereits angenommen, nun ist der Bundesrat, also die Regierung, gefragt.