In der DRK-Sammelstelle in Neuwied kamen schon am Freitag jede Menge Hilfsgüter für die Krisenregion an, die sortiert wurden.
Foto: Jörg Niebergall
Allein von Bildern und Nachrichten über die unfassbare Lage im Nachbarkreis motiviert, formiert sich derweil privat, bei Vereinen und auf kommunaler Ebene organisierte Hilfe für die Flutopfer an der Ahr – eine breite Bürgerbewegung, die auch Landrat Achim Hallerbach froh und stolz macht: „Es ist der Wahnsinn, was gerade alles passiert. Wir werden im Kreishaus geradezu überrollt von Angeboten und Anfragen, auch von Firmen.“
Die Kreisverwaltung versucht, die verschiedenen Initiativen zu sammeln und zu koordinieren. Und bittet bei den Engagierten gleichzeitig auch noch um ein wenig Geduld, denn angesichts der nach wie vor akuten Katastrophenlage steht drüben im Nachbarkreis die Infrastruktur noch gar nicht überall, um die Hilfsangebote und Sachspenden überhaupt anzunehmen. „Die kurzfristig eingerichteten Sammellager für Sachspenden sind aktuell voll. Hilfsorganisationen bitten darum, nicht in gut gemeinten Aktionismus zu verfallen“, heißt es dazu in einer Pressemitteilung der Kreisverwaltung, die eine zentrale E-Mail-Adresse eingerichtet hat für alle Hilfsangebote. Sie lautet: flutopferhilfe@kreis-neuwied.de
Der Kreis bittet darum, schon im Betreff die Art des Angebots zu kennzeichnen (Unterkunftsmöglichkeit, Sachspende, praktische Hilfe vor Ort, Sonstiges) und Namen und Telefonnummer zu hinterlassen. „Und bitte seien Sie nicht frustriert, wenn Sie nicht sofort eine individuelle Rückmeldung bekommen“, schreibt der Kreis.
Auch die Sitzung des Windhagener Ortsgemeinderates stand am Donnerstagabend im Zeichen der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal. Angesichts der aktuellen Lage ließ Ortsbürgermeister Martin Buchholz die Sitzung unterbrechen, um sich mit dem Rat über Hilfsmöglichkeiten für die betroffenen Kreise zu beratschlagen. Ein Konsens war schnell erreicht: Einstimmig beschloss das Gremium – vorbehaltlich einer haushaltsrechtlichen Prüfung – sich solidarisch mit dem Nachbarkreis zu zeigen und Ortschef Buchholz und die Mitglieder des Ältestenrates zu ermächtigen, bis zu 100.000 Euro Soforthilfe zugunsten der Menschen in Bad Neuenahr-Ahrweiler und zur Unterstützung der Hilfskräfte bereitzustellen.
Das Geld soll laut Buchholz für Anschaffungen genutzt werden, die zur Überbrückung der Notsituation erforderlich sind, wie beispielsweise Notstromaggregate oder Feldbetten. In der Gemeindeleitung war man sich auch darüber einig, dass bei entsprechendem Bedarf das Forum und die Sporthalle für die Unterbringung von Hochwasseropfern unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden sollen.
Spenden werden gesammelt
Der Kreis Neuwied hat ein Spendenkonto für die Hochwasseropfer eingerichtet. „Wir müssen den Menschen in ihrer Notlage helfen“, teilt der Kreis mit. „Helfen Sie mit! Jeder Euro zählt und kommt eins-zu-eins bei den betroffenen Menschen an“, appelliert Landrat Achim Hallerbach: Spendenkonto Hochwasserhilfe, Kreisverwaltung Neuwied; IBAN: DE33 5745.0120.0000 1160 04, Betreff: „Hochwasser“. Auch die HELFT UNS LEBEN, die Hilfsaktion unserer Zeitung, sammelt Spenden für die Opfer der Flutkatastrophe. Spenden können Sie unter dem Stichwort „Fluthilfe“ an HELFT UNS LEBEN e.V., IBAN DE72 5705.0120 0000.0013 13 bei der Sparkasse Koblenz.
Die Neuwiederin Michaela Laux ist immer ganz schnell dabei, wenn es darum geht, für irgendetwas Hilfe zu organisieren. „Ich weiß auch nicht warum“, meint sie. „Aber mich kennt jeder, ich habe eine große Reichweite.“ Direkt am Mittwochmorgen sei ihr in den Sinn gekommen, eine Spendensammlung auf die Beine zu stellen. „Ich habe gedacht, das wird eine kleine Aktion, aber jetzt kommen von überall Anhänger“, erzählt die zweite Vorsitzende des Neuwieder Eishockeyclub Die Bären, die zum Beispiel auch den Zoo in der Corona-Krise unterstützt hat.
Jetzt hilft der Zoo und stellt für die Sammelaktion am Samstag Helfer zur Verfügung, um die Spenden anzunehmen und vorzusortieren. „Ich stehe mit dem Nürburgring in Kontakt, die nehmen auf jeden Fall bis Sonntag Spenden entgegen“, sagt Laux. Dort wurde eine Sammelstelle für die Opfer der Katastrophe im Kreis Ahrweiler eingerichtet. „Wir können uns nur bedanken“, sagt sie. „In Feldkirchen zum Beispiel sammelt der ganze Ort.“ Eine Lebenshilfeeinrichtung will Rollatoren zur Verfügung stellen. „Wir werden gucken, was kommt“, meint Laux. „Wenn es zwei Lastwagen voll werden, werden wir es auf zwei Hilfsorganisationen aufteilen“, kündigt sie an.
Und sie will auf jeden Fall Fotos bei der Übergabe machen und im sozialen Netzwerk Facebook online stellen, damit auch alle Spender sehen, dass ihre Sachen ankommen. „Bargeld zu kassieren, mache ich sehr ungern“, sagt Laux. Auch Kleidung wird nicht mehr benötigt. Stattdessen stehen Geschirr/Besteck, Getränke, Konserven, vollgeladene Powerbanks, Hygieneartikel des täglichen Bedarfs, Babynahrung und Tiernahrung auf der Bedarfsliste ganz weit oben. Und wenn der eine oder andere noch Zeit hat, um beim Sortieren der Sachen zu helfen, würde die Organisatorin auch nicht nein sagen. Spenden nehmen die Bären am heutigen Samstag in der Zeit von 11 bis 15 Uhr am Neuwieder Icehouse entgegen.
„Wir sind binnen weniger Stunden mit Spenden überrannt worden“, sagt Ingo Lehmann, Krisenmanager des DRK-Kreisverbandes Neuwied. Die Ortsverbände Neuwied, Engers und Bad Hönningen haben keine Lagermöglichkeiten mehr. Und das größere Problem: Auch das Zentrallager, das bei Haribo auf der anderen Rheinseite errichtet wurde, ist voll. „Die Anteilnahme ist überwältigend“, sagt Lehmann. Deswegen nimmt das DRK derzeit keine Sachspenden mehr an und bittet per E-Mail mitzuteilen, was an Sachspenden zur Verfügung gestellt werden könnte.
Das Angebot wird in eine digitale Liste eingepflegt, und wenn dann von der anderen Rheinseite die Nachfrage etwa nach Damenkleidung in Größe 42 kommt, dann kann das hiesige DRK direkt nachgucken, ob es etwas beisteuern kann, erläutert Lehmann. In der Nacht auf Donnerstag wurden zum Beispiel Babyfläschchen gesucht: „Nahrung war da, aber keine Fläschchen.“
Das Problem bei den anderen Sachspenden ist auch, dass sie eigentlich von Helfern zunächst sortiert und in die Liste eingepflegt werden müssen. Aber so viele Helfer stehen gar nicht zur Verfügung, bedauert der Krisenmanager, der auch dazu aufruft, Geld zu spenden. „Da muss so Vieles wieder aufgebaut werden“, sagt er mit Blick auf den Nachbarkreis. Ob der Plan aufgeht, Sachspenden zentral über E-Mails zu koordinieren, kann Lehmann allerdings auch noch nicht sagen: „Aber es bringt nichts, wenn wir hier tonnenweise Sachen stehen haben und diese nicht dort ankommen, wo die Hilfe dringend benötigt wird.“ Wer dem Kreisverband Neuwied des DRK eine Sachspende anbieten will, schickt eine E-Mail mit dem genauen Angebot (bei Kleidung etwa Geschlecht und Größe angeben) an die Adresse info@kv-nr.drk.de.
Davon abgesehen gibt es etliche weitere Initiativen zugunsten der Flutopfer im Ahrtal. In Engers ist es beispielsweise der Förderverein des TV Engers, Abteilung Handball, der um Spenden bittet. Ebenfalls an diesem Samstag will der Verein laut einer Ankündigung auf Facebook in der Zeit von 10 bis 14 Uhr eine Sammelstelle an der Sporthalle in Engers einrichten. Die Hilfsgüter sollen dann mit Unterstützung des THW sofort in die Krisengebiete gebracht werden.
Eine weitere Sammelstelle gibt es noch bis Samstag, 12 Uhr, beim Unternehmen Anko-Trends in Heimbach-Weis, Hauptstraße 84. Wie das Unternehmen bei Facebook ankündigt, wird es selbst einen Teil seiner Lagerbestände spenden und die Hilfsgüter selbst in die Eifel fahren. Und: Die Initiative hat im sowieso engagierten Stadtteil Heimbach-Weis regelrecht gezündet – etliche Gruppen und Personen helfen inzwischen dort mit.
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