Milli mit ihren Eltern Natalie und Alex. Fotos: @nataliefela
Milli weiss nicht, wie Schweine schmecken. Sie weiss nur, wie sie riechen und wie es sich anfühlt, sie zu streicheln und mit ihnen zu spielen. «Friends, not food» («Freunde, kein Essen»), schrieb ihre Mutter unter das Bild, das sie von ihrer Tochter und den beiden Hängebauchschweinen postete. Milli ist zwei Jahre alt und hat noch nie Fleisch gegessen. Auch keinen Fisch, keine Eier oder Milchprodukte, denn Milli isst seit ihrer Geburt vegan.
Millis Eltern, Natalie (29) und Alex (33) aus Zürich, verzichten ebenfalls auf alle tierischen Produkte. «Wir befassen uns seit Jahren intensiv mit dem Thema Gesundheit im Zusammenhang mit Ernährung», sagt Alex. Dies vor allem, weil Krankheiten wie Krebs und Kreislauferkrankungen in beiden Familien vorkommen und die Eltern genetisch vorbelastet sind. «Wir haben viele Studien renommierter Universitäten − wie der Cornell-University im Bundesstaat New York − gelesen, auch Literatur von Ärzten und haben selber mit Experten geredet. Vegane Ernährung war für uns die logische Konsequenz unserer Nachforschungen.»
Das Thema Tierrecht, Ethik und Umweltschutz kam zwangsläufig auf und hat sie in ihrem Vorhaben bestärkt. «Wir sind Tierfreunde, haben auch einen Hund. Als wir uns mit der Lebensmittelindustrie auseinandergesetzt haben und uns entschieden, hin- anstatt wegzuschauen, konnten wir es nicht mehr verantworten, Teil dieses Konstrukts zu sein», sagt Natalie. «Es ist uns wichtig, dass Milli Tiere liebt und sie als Lebewesen respektiert, anstatt als Nutztiere zu sehen.»
Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen
Milli mit ihrem Lieblingsgemüse.
Wer sein Kind vegan erzieht, muss sich Kritik anhören, da sind auch Alex und Natalie keine Ausnahme. «Wir hören oft, dass wir unserem Kind auf Kosten seiner Gesundheit unsere Werte aufdrängen», sagt Natalie. Verschiedene Berichte in der internationalen Presse über Mangelernährung bei Kleinkindern durch vegane Ernährung, die gar zum Tod führte, bestärken die Kritiker. «Man muss sich fundiert mit Ernährung auskennen, um Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen zu können», sagt Natalie. Sie ist es gewohnt, sich rechtfertigen zu müssen. «Wenn man sich aber gut genug auskennt, muss man sich nicht in Erklärungen verrennen, sondern kann gelassen aufklären.»
Milli isst viel Gemüse, viele Hülsenfrüchte und gesunde Fette. Sie wurde ein Jahr lang exklusiv gestillt und auch heute noch sporadisch. Sie ist ein gut gelauntes, neugieriges Kind mit viel Energie. Ihre Eltern erzählen, dass sie seit ihrer Geburt erst einmal krank war. Markant weniger als andere Kinder. Um sicherzustellen, dass auch hinter der gesunden Fassade alles mit ihr stimmt, lassen Alex und Natalie sie regelmässig von ihrem Kinderarzt checken. Würde der Arzt Kritik an Millis Ernährungsform äussern – so versichern es die beiden Eltern – stellten sie die vegane Ernährung zum Wohle ihres Kindes sofort ein. «Ausgewogene Ernährung ist nicht nur eine Herausforderung für Veganer, sondern für alle», sagt Alex. «Wir sehen viele Kinder, die viel zu viel Fast Food essen und sich zu wenig bewegen. Da gehen Kritiker unverständlicherweise nicht so offensiv auf Konfrontationskurs.»
Lieber Broccoli anstatt Schokolade
Die jungen Eltern handeln bei ihrer Erziehung nach bestem Wissen und Gewissen. «Uns war es wichtig, Milli den bestmöglichen Start ins Leben zu geben», sagt Natalie. «Wir wollen ihr Veganismus nicht aufdrängen. Sie kann, sobald sie älter ist, natürlich selbst entscheiden, was sie essen will. Aber wir machen das, was alle Eltern tun: unser Bestes.» Und Millis gute Entwicklung sei ein Spiegelbild ihrer Entscheidung.
Millis Lieblingsessen ist übrigens Broccoli. Wenn sie das gesunde Grün auf dem Tisch sieht, klettert sie hoch, wie andere Kinder es für Schokolade tun würden. Im Gegensatz zu anderen 2-Jährigen würde Milli ihren Broccoli jedoch nie für Schokolade hergeben. Nur bei einer Sache wird auch sie schwach: Glace, vegan natürlich. Und davon bekommt sie zur Sommerzeit genug.
Wie riskant ist die vegane Ernährung für Milli? Lesen Sie dazu das Interview mit Kinderarzt Michael Seefried.