Nicht ausgeschlossen, dass dieser Artikel für Enttäuschungen sorgt, vor allem bei Hunden. Schließlich ist es unfair, einem in diesem Beitrag mit dem Foto eines Apfeltrüffels die Lefzen wässrig zu machen und gleichzeitig zu schreiben: Dieses Produkt ist derzeit nur begrenzt lieferbar. Sommerpause. Aber was für die Freunde der "Mon Chéri"-Praline schon seit Jahrzehnten die Regel ist, sollten auch qualitätsbewusste Tiere akzeptieren. Bei sommerlichen Temperaturen kann eben der gewohnte Standard nicht garantiert werden. Und deshalb fährt DilliDog-Chefin Sandra Reich ihre Hundepralinen-Produktion für ein paar Wochen deutlich zurück. Weniger Lammtrüffel, Kaninchentrüffel, Ententrüffel, Karottentrüffel, Minztrüffel. Weniger von all jenen als Pralinés bekannten Spezialitäten, die seit ihrer Geburtsstunde am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. als höchste Schöpfung aus der Küche der Maîtres Chocolatiers gelten.
Und die Konditorin Reich auch für Hunde konfektioniert. Im Jahr 2010 hat sie DilliDog gegründet, eine Online-Konfiserie für den vierbeinigen Connaisseur. Und nach sechs Jahren fühlt sie sich voll bestätigt. „Ich bekomme viele Rückmeldungen, dass der Hund die Pralinen besonders verteidigt“, sagt die Chefin. „Er merkt, dass es etwas ganz Besonderes ist.“ Insgesamt 13 verschiedene Pralinenvariationen hat die 38-Jährige für ihre Kundschaft kreiert und dafür immer wieder in ihrer kleinen, mit Küchenzeile und Edelstahltisch ausgestatteten Backstube mit Zutaten und Formen experimentiert. Sie hat mal Lachsöl, mal Geflügelleber ausprobiert oder Schokoladendrops geschmolzen und über Creme aus Kuvertüre und Rahm gegossen. Hat geformt, verworfen und wieder geformt. Ins Pralinen-Portfolio schaffte es letztlich nur, was vor der obersten Geschmacksinstanz bestehen konnte, vor Sandra Reichs Dogge. Endergebnis waren ein gutes Dutzend nicht nur fressbare, sondern auch äußerst delikate Kunstwerke wie der Apfeltrüffel in Diamantenform. Für den eher bodenständigen Hund umfasst das Sortiment aber auch Gebäck wie Mini-Pansen-Muffins oder Käse-Möhren-Kuchen. Verkaufshit: der Leberwurst-Marmorguglhupf.
Gourmetnahrung für Tiere ist ein Trend in einem Markt, der rasanter wächst als ein Dobermannwelpe. Allein 1,3 Milliarden Euro gaben die Deutschen im Jahr 2015 nur für Hundefutter aus – ein Zuwachs von fast fünf Prozent. Den größten Anteil am Boom haben Snacks. Pralinen oder Hirschohren zum Knabbern, Straußen-Cookies, Lachscreme. Oder zahnpflegender Pfefferminz-Kauspaß für frischen Dackelatem. Natürlich könnten Katzenfreunde berechtigt einwenden, dass ihre Futterkäufe dem deutschen Heimtiermarkt 2015 sogar 1,6 Milliarden Euro Umsatz einbrachten. Der Anteil der Snacks daran ist mit 239 Millionen Euro aber nicht einmal halb so groß wie der Anteil der Snacks beim Hundefutter. Von der exotischen Bandbreite ganz zu schweigen. „Denn letztlich hegt der Deutsche zu keinem Tier eine so enge Beziehung wie zu seinem Hund“, sagt Dieter Meyer vom Branchenriesen Vitakraft. „Der Mensch ist ja ein irrationales Tier.“ Ohne dessen ewigen Appetit auf Neues wäre der Markt um einen Großteil seiner Produkte ärmer. „Gerade der Snack soll ja nicht nur die Ernährung des Haustiers unterstützen, sondern vor allem die emotionale Beziehung zum Halter unterstreichen“, sagt Meyer. Bis zu 100 Neuheiten entwickelt das Unternehmen jährlich für Hunde, Katzen, Reptilien, Frettchen, Igel, Vögel. Produkte für einen tierischen Heißhunger. Denn in fast jedem zweiten Haushalt zwischen Flensburg und München wird gebellt, gekratzt, genagt oder geschwommen. Deutschland ist wie eine XXL-Arche-Noah mit über 30 Millionen Tieren an Bord.
Dieser Inhalt stammt aus GEO 07/2016. Entdecke das ganze Heft
GEO Nr. 07/16
Die Heilkraft der Sonne
01.10.2020
Sechs bis zwölf Monate vergehen bei Vitakraft in der Regel, bis es ein Produkt von der Idee zur Marktreife geschafft hat. Nicht selten handelt es sich dabei inzwischen jedoch um Abwandlungen bereits vorhandener Rezepturen. Verkaufsschlager im Sortiment ist der Salamisnack „Beefstick“ aus Muskelfleisch, der bereits in den 1990ern eingeführt wurde und inzwischen in verschiedenen Geschmacksrichtungen verkauft wird – über 70 Millionen Mal jährlich. Manchmal gibt es auch Veränderungen, weil sich zwar nicht der Geschmack, aber der Zeitgeist gewandelt hat. Im „Bereich Kauartikel“ beispielsweise, erzählt Meyer, hadert der kritische deutsche Hundehalter mittlerweile mit dem klassischen Kauknochen aus echter Rinderhaut, weil diese vorwiegend aus China stammt. Also experimentierte die Firma mit Alternativen. Rasch war der Knochenjob erledigt: In Zukunft beißen Vitakraft-Hunde auf einer mit Hühnchenfilet angereicherten Gemüsebasis herum – woran sich weder Tier noch Besitzer stören.
Ohnehin richtet sich ein Produkt für Tiere ja zugleich an den Menschen, bemerkt Meyer. Immer gehe es neben dem Ernährungsbedürfnis von Hund, Katze oder Maus auch um das Wesen des Besitzers – weil dieser oft seine eigenen Vorlieben auf sein Haustier übertrage. Ist er ein eher rationaler Mensch und stellt besondere Ansprüche an Rohstoffe und Nachhaltigkeit? Will er Bioprodukte für seinen Hund, weil er auch für sich beim Einkauf darauf achtet? Legt er Wert auf Äußeres und sucht deshalb nach kalorienreduzierter Nahrung auch für sein Tier? Oder ist er eher luxusorientiert und möchte seinem Tier etwas Ausgefallenes bieten? Eine Portion Popcorn mit Lebergeschmack zum Beispiel oder ein paar knusprige („bringen Spaß in den Napf“) Crunch-Cubes mit Gemüsefüllung. Oder Lamm-Sushi („mit viel Fleisch und raffiniert zubereitet“). „Je höher die emotionale Bindung zwischen Mensch und Tier ist, desto irrationaler wird die Produktentwicklung“, sagt Dieter Meyer. Das Sushi für Tiere sei letztlich aber doch eher ein Exotenprodukt. Für einen Anbieter wie Vitakraft nicht umsatzentscheidend. Dennoch nimmt die Zahl der besonders ausgefallenen Produkte für die acht Millionen Hunde im Land zu. Weil diese eben Deutschlands wahre Herzensbrecher waren, sind und bleiben.
Sogar Denkern von Weltformat verstellten die Hunde bereits schwanzwedelnd den sachlichen Blick. Der Philosoph Arthur Schopenhauer beispielsweise sah in ihnen den einzigen Hoffnungsschimmer in einer Welt der Trostlosigkeit. „Wenn es keine Hunde gäbe, wollte ich nicht leben“, behauptete er. Und ein gestandener Bundespräsident adelte das liebste Haustier seiner Untertanen gar vom Vier- zum Zweibeiner. „Mein Hund ist als Hund eine Katastrophe“, sagte einst Johannes Rau, „aber als Mensch unersetzlich.“ Ob das Staatsoberhaupt und sein Riesenschnauzer-Mischling Scooter es sich damals im Schloss Bellevue eher mit Lamm-Sushi oder doch lieber mit Leber-Popcorn auf dem Sofa gemütlich gemacht haben, ist jedoch unbekannt.
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