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Recycling: Wie der Handel gegen die Müllflut ankämpft
Recycling
02.08.2021
Wie der Handel gegen die Müllflut ankämpft
Die Recyclingquoten von Verpackungsmüll sind zu niedrig.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa (Archivbild)
Deutschland ist Europameister im Verbrauch von Verpackungen. Obwohl die Verwertung gut organisiert ist, wird zu wenig Plastik recycelt. Jetzt geht die Wirtschaft das Problem selbst an.
Von
Matthias Zimmermann
Keine Krise ohne Gewinner. Während der stationäre Handel abgesehen von Supermärkten, Discountern und Drogerien im vergangenen Jahr über Wochen und Monate teils völlig darniederlag, erlebten Versandhändler einen extremen Aufschwung. Die Folgen blieben keinem verborgen: Paketzusteller begegnete man quasi bei jedem Gang vor die Haustür. Die Tonnen für Papier und Plastik quollen vielerorts über. Verpackungsmüll ist schon lange ein wachsendes Problem in Deutschland. Doch der Onlineboom hat die Lage verschärft.
Die Recyclingquoten von Verpackungsmüll sind zu niedrig
Nach den jüngsten verfügbaren Zahlen gab es im Jahr 2018 einen neuen Rekord beim Verpackungsmüll in Deutschland: Pro Kopf fielen 227,5 Kilogramm an – in der Summe 18,9 Millionen Tonnen. Immerhin ist Verpackungsmüll in Deutschland weniger ein Entsorgungs- als ein Ressourcenproblem. Kunststoffverpackungen werden zum Beispiel laut Umweltbundesamt zu über 99,9 Prozent verwertet. Bei Papier und Karton liegt der Wert bei 99,8 Prozent, bei Aluminium bei 97,8 Prozent. Das heißt, was an Verpackungen anfällt, verschmutzt in der Regel nicht die Umwelt. Doch die Recyclingquoten sind längst nicht so hoch.
Nur etwas weniger als die Hälfte der Kunststoffverpackungen wurde recycelt. Der Rest wurde größtenteils verbrannt. Auch der Anteil recycelter Kunststoffe liegt bei den meisten neuen Kunststoffverpackungen bei knapp über zehn Prozent. Das heißt, es muss laufend neuer Kunststoff aus Mineralölprodukten hergestellt werden. Die bisher eher laschen gesetzlichen Recyclingquoten steigen aber. Auch Konsumentinnen und Konsumenten achten mehr auf umweltfreundliche Verpackungen. Das heißt: Der Handel muss etwas tun, denn rund die Hälfte aller Verpackungsabfälle fällt im privaten Endverbrauch an. Die Branche ist längst auf dem Weg.
Im Herbst vergangenen Jahres haben unter anderem der Otto-Versand und Tchibo im Rahmen eines Pilotprojekts zwei Monate lang zufällig ausgewählten Kunden ihre Online-Bestellungen in einer wiederverwendbaren Versandtasche der finnischen Firma RePack verschickt. Die Ergebnisse sind auf der Seite praxpack.de des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts nachzulesen. Demnach fanden die Kundinnen und Kunden das Projekt mit großer Mehrheit gut und haben die Taschen zu 70 bis 80 Prozent zurückgeschickt. Nachteil laut Otto: „Die aufwendigen Anpassungen in der Logistik, die hohen Kosten der Rückführung und die Anpassungen im Bestellprozess stellen eine mögliche Implementierung vor große Herausforderungen.“
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Diese Systemprobleme kennt auch Wolfgang Lammers. Er erforscht am Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in
Dortmund
, wie Verpackungen und Logistikprozesse optimiert werden können. Er erklärt, warum eine Umstellung auf wiederverwendbare Versandverpackungen nicht so einfach ist: „Das Problem ist vor allem den Rückweg vernünftig zu gestalten. Wenn Sie eine einzelne Verpackung leer wieder zurückschicken, kommt das beinahe genauso teuer wie der Versand der Ware. Da sind Wellkartonverpackungen einfach viel wirtschaftlicher.“
Unmöglich wäre eine Umstellung aus seiner Sicht nicht. Doch um das System zu ändern bräuchte es nach seiner Einschätzung entweder gesetzliche Vorgaben oder einen großen Player wie
Amazon
oder DHL, die Logistiktochter der Deutschen Post, der die Umstellung forciert. Lammers sagt aber auch: „Ob eine Umstellung ökologisch besser ist, lässt sich pauschal nicht sagen.“ Der Rückweg der Verpackung verursacht auch einen ökologischen Fußabdruck, sie muss gereinigt werden und es muss sicher sein, dass die Ware in einem standardisierten Versandbehälter auch unbeschadet ihr Ziel erreicht. „Die Ware hat in der Regel einen größeren ökologischen Fußabdruck als die Verpackung“, so Lammers. Wenn die Ware beim Versand kaputt geht, kann auch die beste Verpackung die Umweltbilanz nicht mehr retten.
So reduziert Amazon Verpackungsmüll
Beim Versandriesen Amazon sind wiederverwendbare Verpackungen kein Thema. Aber auf die Frage, was das Unternehmen tut, um Verpackungsmüll zu vermeiden, zählt Unternehmenssprecher Thorsten Schwindhammer mehrere Maßnahmen auf: Amazon versuche die Paketgrößen so gering wie möglich zu halten. Dazu wird sogar eine Art Künstlicher Intelligenz eingesetzt, die für jede Kombination aus den hunderten Millionen lieferbarer Artikel die optimale Verpackungsgröße errechnet. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass außer den Artikeln noch ziemlich viel Luft in dem Paket versandt wird. Das liegt laut Schwindhammer daran, dass die Pflege der Stammdaten mühsam ist und sogar einem Internetriesen wie Amazon nicht immer gelingt.
Ein weiterer Weg, den Amazon verfolgt, ist, Produkte öfter in ihrer Originalverpackung zu verschicken. Eine Bohrmaschine sei etwa meist so gut verpackt, dass ein zusätzlicher Karton nicht mehr Schutz bringe, gibt Schwindhammer ein Beispiel. Schließlich hat der Konzern in einigen Logistikzentren, die auf große Artikel spezialisiert sind, noch spezielle Maschinen, die Kartonagen passgenau zurechtschneiden. So werden etwa ein Sonnenschirm oder ein Kettcar versandfertig, für die es keine Standardkartons gibt. Genaue Zahlen über die Menge an Versandverpackungen, die Amazon verbraucht, gibt das Unternehmen nicht bekannt. Aber Schwindhammer betont, dass der Konzern weltweit seit 2015 das Gewicht der Außenverpackung um 36 Prozent verringert und mehr als eine Million Tonnen Verpackungsmaterial eingespart habe.
Lebensmittelverpackungen sorgen für viel Plastikmüll
Doch Verpackungsmüll fällt nicht nur im Versandhandel an. Bei jedem Wocheneinkauf im Supermarkt trägt man eine Menge künftigen Verpackungsmüll nach Hause. Laut Umweltbundesamt verursachten Nahrungsmittel, Getränke und Heimtierfutter im Jahr 2017 fast zwei Drittel unseres privaten Verpackungsverbrauchs. Die Zahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte steigt und es gibt mehr Senioren. Das heißt: Es werden mehr kleinere Portionen gekauft und öfter Fertiggerichte. Beides erhöht den Verpackungsverbrauch. Große Mengen Müll fallen zudem beim Außer-Haus-Verzehr an, also bei Coffee-to-go und Co. Aber Verpackungen sind mittlerweile oft auch sehr aufwendig, weil sie nicht nur den Inhalt schützen und gut aussehen sollen, sondern noch andere Funktionen wie Dosierung und Portionierung übernehmen. „Die Industrie hat da längst richtige Hightech-Lösungen geschaffen“, sagt Verpackungsexperte Lammers. Mit der Folge, dass Verpackungen Lebensmittel oft optimal schützen, aber kaum zu recyceln sind, weil sie aus verschiedenen Stoffen bestehen.
Die Schwarz Grupp, Europas größtes Handelsunternehmen mit den beiden Vertriebskanälen Kaufland und Lidl, hat einen großen Hebel bei der Verpackungsvermeidung. Das Unternehmen ist nicht nur Händler, mit dem Teilbereich Schwarz Produktion stellt es viele Eigenmarken selbst her. Seit 2009 ist die Gruppe auch im lukrativen Entsorgungsgeschäft tätig. PreZero heißt das aktuell kräftig expandierende Tochterunternehmen, mit dem die Schwarz Gruppe die gesamte Wertschöpfungskette im eigenen Unternehmen abdeckt. So aufgestellt kann man die Verpackungsabfälle wieder zu Wertstoffen machen und damit Geld verdienen.
Auf Anfrage erklärt eine Unternehmenssprecherin, wie das geschieht. Durch Verpackungsverzicht einerseits. Andererseits wird bei den Eigenmarken schon bei der Verpackungsentwicklung auf die Recyclingfähigkeit geachtet. Zu vermeiden sind etwa schwarze Kunststoffe, dunkle Farben bei der Bedruckung oder große Etiketten aus einem anderen Material. Zudem soll der Anteil von Recyclingplastik in den Verpackungen auf durchschnittlich 20 Prozent gesteigert werden. Lieferanten gibt der Handelsriese Hilfestellung, damit auch sie ihre Verpackungen anpassen. Das abzulehnen dürfte vielen angesichts der Marktmacht der Schwarz Gruppe schwerfallen.
Weniger Verpackungsmüll: ein wachsendes Geschäft
Auch hinter den Kulissen wird an der Verpackungsreduzierung gearbeitet. „Pooling“ heißt eines der Zauberwörter, das inzwischen auch Finanzinvestoren in das wachsende Geschäft mit weniger Verpackungen lockt. Im Mai 2019 haben die Beteiligungsgesellschaft Triton und der Staatsfond von Abu Dhabi einen bayerischen Anbieter von Mehrwegverpackungen für Frischprodukte übernommen. Ifco heißt die Firma mit Sitz in Pullach bei München, die nun kräftig wachsen soll.
Ifco hat einen Pool von gut 290 Millionen Mehrwegbehältern, die in über 50 Ländern zwischen Produzenten von Obst, Gemüse, Fleisch oder Fisch und dem Lebensmitteleinzelhandel zirkulieren. Die Kisten aus Plastik sind einfach zu handhaben, schützen die verderbliche Ware gut und sind so gebaut, dass sie den Platz beim Transport optimal ausnutzen. Fraunhofer-Experte Lammers erklärt, warum hier Nachhaltigkeit und Effizienz zusammengehen: „Der Automatisierungsgrad in den großen Lagern des Handels nimmt ständig zu. Das geht nur mit standardisierten Ladungsträgern.“ Der Spiegel bezeichnete Ifco-Chef Michael Pooley vor kurzem „Kistenkönig von Pullach“. Das ist nicht ganz falsch, will der Brite doch das Geschäft innerhalb der nächsten fünf Jahre verdoppeln, wie er dem Magazin verriet. Aber die Konkurrenz ist hart. Auch Lidl ist in dem Bereich aktiv, entwickelt über die Gesellschaft PreTurn sogar eigene Paletten. Das Rennen ist offen. Aber es ist definitiv etwas in Bewegung geraten.
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Von
Peter G.
02.08.2021
Das Müllproblem, insbesondere Plastik ist ein größeres Problem für die Umwelt als CO 2.Kauf ich 100 Gr SB Wurst, sind 20 Gramm Plastik rum. Da muß man anfangen zu vermeiden, nicht bei den Trinkhalmen oder Tüten, wobei das auch wichtig ist.
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