von Thomas Domjahn
In den letzten Jahren wurden Fertigprodukte wie Suppen oder Soßen bei der Maggi-Mutter Nestlé eher stiefmütterlich behandelt. Der Schweizer Weltkonzern setzte vor allem auf Produkte, mit denen man richtig Geld verdienen konnte, wie Café, abgefülltes Wasser sowie Baby- und Tiernahrung. Fertigpizzen, Fleischwaren oder Süßigkeiten standen auf dem Abstellgleis, denn die Mehrzahl der zahlungskräftigen Kunden wünschte sich gesündere Produkte.
Die Menschen setzen in der Corona-Krise auf Vorräte
Der Umsatz mit klassischen Maggi-Produkten ging spürbar zurück und dementsprechend verringerten sich im Maggi-Werk in Singen die Produktionsmengen. Die Mitarbeiterzahl in der Stadt am Hohentwiel sank zuletzt auf gut 700 Mitarbeiter – zu Hochzeiten waren es einmal 2200.
Nur von außen ruhig: Das Maggi-Werk meldet Hochbetrieb.| Bild: Bittlingmaier, Albert
Jetzt scheint sich dieser Trend umzukehren – zumindest vorübergehend. In Zeiten der Corona-Krise setzen die Menschen auf größere Vorräte und länger haltbare Lebensmittel. Vor allem ein Produkt ist derzeit gefragt wie schon lange nicht mehr: die Dosenravioli. Denn diese kann man problemlos in den Vorratsschrank stellen, wenn der Kühlschrank und das Eisfach schon voll sind.
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„Wir verzeichnen eine steigende Nachfrage nach der Maggi-Dosenravioli – sowohl in Tomatensoße als auch mit pikanter Soße“, bestätigt ein Nestlé-Sprecher dem SÜDKURIER. Deshalb verstärke der Konzern seine Produktionsanstrengungen bei Produkten, die wie die Dosenravioli jetzt besonders stark nachgefragt werden. Die Produktion ins Singen laufe auf Hochtouren. 2019 stellte das Werk in Singen über 29 Millionen Raviolidosen her. Dieses Jahr dürften es deutlich mehr sein.
Zusätzlich Nacht- und Samstagsschichten statt Kurzarbeit
Wie der Maggi-Betriebsrat dem SÜDKURIER bestätigte, wurden zusätzliche Nacht- und Samstagsschichten eingeführt. In einigen Bereichen werde sogar im Drei-Schicht-Betrieb produziert. Während andere Firmen derzeit auf Kurzarbeit setzen, kann die Maggi-Belegschaft gerade nicht die Hände in den Schoß legen, zumal bisher laut Auskunft des Betriebsrats die Lieferketten für Rohstoffe und Verpackungsmaterial noch intakt seien. „Wir haben gerade richtig viel zu tun“, sagt Maggi-Betriebsratschef Alfred Gruber. Es seien sogar nach Jahren des Personalabbaus wieder eine Handvoll Mitarbeiter zusätzlich – wenn auch nur befristet – eingestellt worden, um die Produktion zu unterstützen.
Alfred Gruber, Betriebsratsvorsitzender von Maggi in Singen.| Bild: Domjahn, Thomas
Das Maggi-Werk in Singen ist dabei kein Einzelfall in der Lebensmittelbranche im südlichen Baden-Württemberg. „Überstunden und Extra-Schichten sind in der Lebensmittelindustrie schon seit Wochen an der Tagesordnung. Die Menschen arbeiten am Limit, damit Aldi, Lidl, Rewe, Edeka und Co. die Ware nicht ausgeht“, sagt Claus-Peter Wolf von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Baden-Württemberg-Süd. Die Gewerkschaft appelliert an die Arbeitgeber der Branche auch auf den laufenden Hochbetrieb den richtigen Arbeitsschutz „extrem ernst“ zu nehmen.
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Strenge Hygiene-Vorschriften
Dies ist in Singen der Fall, wie Maggi-Werksleiter Pascal Moser versichert. Die Beschäftigten seien dazu angehalten, sehr sorgsam mit dem Thema Corona umzugehen. „Die ohnehin strengen Hygiene-Vorschriften haben wir nochmals verschärft, wie beispielsweise, indem der Mindestabstand zwischen den Mitarbeitern vergrößert wurde. Auch der Verzicht von der Teilnahme an Seminaren und Meetings gehört dazu“, betont Moser.
Veröffentlicht im Ressort Wirtschaft