Ein lebensgroßes Modell von Ötzi, dem Gletschermann
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Robert Clark, National Geographic
Ein Bericht, demzufolge Ötzi 19 genetische Verwandte in Österreich hat, ist die aktuellste einer Reihe von überraschenden Entdeckungen im Zusammenhang mit der berühmten Mumie. Sein 5.300 alter Leichnam wurde 1991 an der Berggrenze zwischen Österreich und Italien freigelegt. In diesem Artikel sind bemerkenswerte Fakten zum ältesten alpinen Prominenten der Welt zusammengefasst.
1. Ötzi hat lebende Verwandte.
Im Rahmen einer DNA-Studie wurden lebende Verwandte des Gletschermanns gefunden. Genforscher haben besondere Merkmale im männlichen Geschlechtschromosom Ötzis unter die Lupe genommen und mindestens 19 genetische Verwandte in der österreichischen Region Tirol gefunden.
Die Treffer stammen aus den Proben von 3.700 anonymen Blutspendern aus einer Studie unter der Leitung von Walther Parson von der medizinischen Universität Innsbruck. Sie teilen eine seltene Mutation namens G‐L91, was zeigt, dass „der Gletschermann und die 19 Männer einen gemeinsamen Vorfahren haben, der vor vielleicht 10.000 oder 12.000 Jahren gelebt hat“, erklärt Parson.
Die Ergebnisse bestätigen bisherige Forschungen, die darauf hindeuten, dass Ötzi und seine Vorfahren Viehzucht betrieben haben. Bei der Studie wurden Y-Chromosom-Marker verwendet, die von Vätern an ihre Söhne weitergegeben werden und sich bis zu den Migrationen in der Jungsteinzeit zurückverfolgen lassen, als der Ackerbau über die Alpen nach Europa kam. Ötzi gehört einer Y-Chromosom-Gruppe namens Haplogruppe G an, die ihre Wurzeln ebenso wie der Ackerbau im Nahen Osten hat.
Die Gesamtergebnisse decken sich mit der Theorie, dass die Veränderungen der neolithischen Revolution die Menschheit Richtung Westen trieb.
Dennoch zeigt er sich zurückhaltend gegenüber Andeutungen, dass entfernte Verwandte von Ötzi diesem in irgendeiner Art ähneln – sei es physisch oder in ihrer Vorliebe für simplen Getreidebrei.
2. Er hatte mehrere gesundheitliche Probleme.
Seit der Entdeckung Ötzis in einem Alpengletscher vor mehr als 20 Jahren haben Wissenschaftler seinen Leichnam einer umfassenden Ganzkörperuntersuchung unterzogen. Die Ergebnisse hören sich nicht sehr gut an. Zu den mehr als 40 Leiden gehören abgenutzte Gelenke, Arterienverkalkung, Gallensteine und ein hässliches Geschwulst am kleinen Zeh, das möglicherweise durch Erfrierungen verursacht wurde.
Außerdem wurden in seinem Darm die Eier parasitärer Würmer gefunden, er litt wahrscheinlich an der Lyme-Krankheit und hatte alarmierende Mengen Arsen im Körper, die vermutlich durch Arbeiten mit Metallerzen und Kupfergewinnung verursacht wurden. Und Ötzi benötigte einen Zahnarzt: Bei einer umfassenden Zahnuntersuchung wurden starke Zahnfleischprobleme und Karies festgestellt.
Trotz all diesen Beschwerden und einer frischen Pfeilwunde an der Schulter war es jedoch ein plötzlicher Schlag auf den Kopf, der Ötzis Schicksal besiegelte.
3. Er wies anatomische Anomalien auf.
Neben seinen körperlichen Beschwerden wies der Mann aus dem Eis mehrere anatomische Anomalien auf. Ihm fehlten beide Weisheitszähne und das zwölfte Rippenpaar. Auffallend ist außerdem eine Zahnlücke zwischen den beiden Schneidezähnen, ein sogenanntes Diastema. Ob das die Frauen beeindruckte, ist strittig – einige Forscher vermuten, dass Ötzi möglicherweise unfruchtbar war.
4. Er war tätowiert.
Die gefrorene Mumie weist eine beeindruckende Sammlung von Tätowierungen aus der Kupferzeit auf. Insgesamt mehr als 50 Zeichen bedecken Ötzis Körper von Kopf bis Fuß. Sie wurden nicht mit einer Nadel gestochen, sondern entstanden durch feine Schnitte in die Haut, in die anschließend Kohle gerieben wurde. Das Ergebnis sind eine Reihe von Linien und Kreuzen, die sich größtenteils an Körperstellen befinden, die anfällig für Verletzungen und Schmerzen sind, beispielsweise an den Gelenken sowie entlang des Rückens. Deshalb glauben einige Forscher, dass die Tattoos Akupunkturpunkte kennzeichnen könnten.
Wenn dies stimmt, hatte Ötzi wohl großen Behandlungsbedarf – was angesichts seines Alters und seiner Beschwerden nicht überraschend ist. Als älteste Hinweise auf den Einsatz von Akupunktur deuten seine Tätowierungen darauf hin, dass das Verfahren mindestens 2.000 Jahre früher angewendet wurde als bisher angenommen.
5. Er aß Pollen und Ziegen.
Ötzis letzte Mahlzeiten geben Wissenschaftlern eine Fülle an Informationen. In seinem Magen wurden 30 verschiedene Pollenarten gefunden. Eine Analyse des Blütenstaubs zeigte, dass Ötzi im Frühling oder Frühsommer starb, und half Forschern sogar, seine Bewegungen in verschiedenen Berglagen vor seinem Tod nachzuvollziehen. Sein teilweise verdautes letztes Mahl deutet darauf hin, dass er zwei Stunden vor seinem grausamen Ende gegessen hatte. Es enthielt Körner und das Fleisch eines Alpensteinbocks, einer leichtfüßigen, wilden Steinbockart.
Artikel in englischer Sprache veröffentlicht am 18. Oktober 2013
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