Alle Anstrengungen gelten jetzt natürlich zunächst dem Kampf gegen die weitere Ausbreitung der Pandemie und der Bewältigung der unmittelbaren Folgen. Welche Lehren mit Blick auf Umwelt und Biodiversität gilt es aber auf längere Sicht aus der Krise zu ziehen?
Derzeit liegt der Fokus auf der akuten Krisenbekämpfung, und es ist noch nicht die Zeit für fertige Schlussfolgerungen. Aber schon jetzt sollten wir uns ausführlich mit den Ursachen dieser Krise beschäftigen, um das Risiko künftiger Pandemien zu verringern. Drei Ansatzpunkte wird das Bundesumweltministerium in den nächsten Monaten weiter verfolgen: Wissenschaft, Handel mit Wildtieren und ein internationaler Rahmen für den Naturschutz,
Können Sie das genauer erklären?
Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) hat durch die Zusammenarbeit hunderter Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und der Auswertung tausender wissenschaftlicher Studien im letzten Jahr den Globalen Bericht zur Natur und Ökosystemleistungen vorgelegt, der weltweit beachtet wurde. Die überragende wissenschaftliche Expertise, die in dieser zwischenstaatlichen Institution steckt, sollten wir auch jetzt wieder nutzen. Daher möchte ich anregen, dass der Weltbiodiversitätsrat sich auch dieser aktuellen Fragestellung widmet und politische Handlungsmöglichkeiten aufzeigt. Mein Ministerium steht bereit, den Rat bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Wir wissen genug, um zum Schutz der Ökosysteme zu handeln. Aber trotzdem ist es wichtig, den weltweiten Wissensstand zum Zusammenhang zwischen Naturschutz und Gesundheit, zu den Zusammenhängen zwischen Naturzerstörung, illegalem Artenhandel und der Zunahme von neuen Infektionskrankheiten zu sammeln und zu erweitern.
Was kann man gegen den oft illegalen Handel mit Wildtieren tun ?
Es ist gut, dass etwa China bereits Maßnahmen ergriffen hat, Wildtiermärkte zu schließen, wie sie es auch schon für Elfenbein in der Vergangenheit getan haben. Das brauchen wir auch in weiteren Ländern. Daher wollen wir im Rahmen des Washingtoner Artenschutzübereinkommens eine Initiative starten, um nationale Märkte für solche Tiere zu schließen, die international nicht mehr gehandelt werden dürfen, wie das Schuppentier. Aber Wildtiermärkte sind nur ein kleiner Ausschnitt des größeren Problems. Der illegale Handel mit wildlebenden Tieren und Pflanzen und daraus gewonnenen Produkten gehört inzwischen zu den größten und lukrativsten Formen der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität. Wir müssen den illegalen Artenhandel mit allen, auch polizeilichen Mitteln bekämpfen. Mein Ministerium wird daher die konsequente Verfolgung des illegalen Artenhandels national und international stärken. Wir prüfen derzeit, welche weiteren Maßnahmen speziell zur Reduzierung der Nachfrage von exotischen Heimtieren ergriffen werden können. Dazu gehören die bessere Kontrolle des Internethandels, die Einführung einer Nachweis- und Kennzeichnungspflicht über die Herkunft von Wildfängen und Nachzuchten, oder auch die verpflichtende Angabe artenschutzrelevanter Informationen beim Verkauf.
Was kann eine bessere internationale Abstimmung im Naturschutz leisten?
Ein neuer tragfähiger internationaler Rahmen für den Naturschutz ist von zentraler Bedeutung. Die Weltgemeinschaft hat verabredet, sich bei der nächsten UN-Konferenz zum Schutz der Biologischen Vielfalt eine neue globale Biodiversitätsstrategie zu geben. Das wird eine Chance sein, zu zeigen, dass wir aus der Coronakrise lernen und die notwendigen Maßnahmen zum globalen Schutz der biologischen Vielfalt beschließen – auch um das Risiko künftiger Pandemien zu verringern.
In welchen Bereichen muss es beim Weltbiodiversitätsgipfel Fortschritte geben?
Zum Beispiel geht es um eine naturverträgliche Art des Wirtschaftens. Es geht um den Erhalt von Ökosystemen. Es geht um Schutzgebiete. Man könnte sagen: Es geht auch darum, den Wildtieren künftig den Platz und die vielfältigen Ökosysteme zu geben, die sie brauchen, damit Mensch und Tier einen gesunden Abstand zueinander halten können. Es geht auch um eine nachhaltige Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. Dazu müssen wir natürlich auch in Deutschland beitragen, etwa über eine nachhaltigere Agrarpolitik. Oder über nachhaltigere globale Lieferketten. Denn wir lernen nicht zuletzt in dieser Krise, dass echte Lösungen global sein müssen. Wenn wir den Erhalt oder den Wiederaufbau von Ökosystemen fördern, hat das übrigens oft einen mehrfachen Nutzen: für die Umwelt, für das Klima, für lokale Jobs – und wie wir uns jetzt bewusst machen – auch für die Gesundheit, nicht nur vor Ort, sondern weltweit. Darum werden wir neben unserem Einsatz für einen starken globalen Rahmen für die Biodiversität auch prüfen, ob und wenn ja wie wir unsere Fördermittel für internationale Naturschutzprojekte in diesem Sinne noch gezielter einsetzen können.