... und unsachliche Schuldzuweisungen bringen die Diskussion nicht weiter.
1. Die vier per Ausnahmegenehmigung in Niedersachsen geschossenen Wölfe waren WELPEN. Die Geschlechtsreife setzt bei Wölfen i. d. R. erst im Alter von 22 Monaten ein. Die Altersklassifizierung unterscheidet zwischen Welpe (im 1. Lebensjahr), Jährling (im 2. Lebensjahr) und danach erst Altwolf. Freigegeben waren Altwolf-Rüden, geschossen haben Jäger vier weibliche Welpen, denen niemals ein Nutztierriss nachgewiesen werden konnte. Die Jäger waren nicht imstande, die Tiere richtig "anzusprechen" und zeigten sich mit der Aufgabe überfordert. Nun fordert das Tierschutzgesetz zum Töten aber einen vernünftigen Grund und die EU allenfalls einen selektiven Abschuss, kein blindes Drauflosballern. Die Sache wird letztlich vor dem EuGH landen, der zuletzt eindeutig zu Gunsten der Wölfe entschieden hat.
2. Der Wolf muss nicht auf ein "erträgliches Maß", wie Sie es nennen (und das entscheiden - SIE?), reduziert werden, da er sich als an der Spitze der Nahrungskette stehender Beutegreifer durch Begrenzung der Ressourcen (Reviere, Nahrung, Krankheiten) selbst limitiert. Wie wenig das Wissen über Beutegreifer-Beute-Beziehungen gewöhnlich in Jagdkreisen bekannt ist, zeigt die Diskussion um den kleinen Bruder des Wolfes, den Fuchs, dem in Deutschland schonungslos mit grausamsten Jagdmethoden nachgestellt wird. Die grüne Regierung in Luxemburg hat dem 2015 durch ein Jagdverbot auf Füchse ein Ende gesetzt und die Auswirkungen wissenschaftlich begleitet. Es kam nie zu der von den Jägern heraufbeschworenenen Massenvermehrung von Füchsen und Ausrottung der Bodenbrüter oder des sogenannten "Niederwilds", sondern zu stabilen Beständen mit festen Familienstrukturen. Borreliose und Fuchsbandwurm gingen zurück. Das Fuchsjagdverbot besteht daher erfolgreich bis heute. Der Kanton Genf in der Schweiz hat gezeigt, dass die Hobbyjagd, wenn sie erst einmal abgeschafft ist, keine Chance auf Umkehr hat, weil die Menschen sehen, dass die von Jägern prophezeiten Katastrophen niemals eingetreten sind, man stattdessen aber sicher vor den vielen zum Teil tödlichen Jagdunfällen ist und auch Haustiere vor Abschüssen, ob versehentlich oder gewollt, durch Jäger geschützt sind.
In Deutschland wird doch nur deshalb so viel künstlicher Druck aufgebaut, weil die Wolfsjagd eingeführt werden soll, BEVOR die Menschen die Praxiserfahrung machen, dass die Jagd unnötig ist und das Land entgegen den Jäger-Prophezeiungen nicht von Wölfen "überschwemmt" wird. Die derzeitigen Zuwachsraten beruhen darauf, dass es noch viele freie geeignete Habitate gibt. Sind diese erst einnmal besetzt, flacht auch die Kurve des Zuwachses ab, bis eine Sättigung eintritt. Da Wölfe feste Reviere von 250-350 km2 bilden, in denen jeweils eine Wolfsfamilie lebt, deren Jungtiere regelmäßig abwandern, spilet es für den Schäfer oder den ängstlichen Spaziergänger in Meck-Pomm keine Rolle, ob die bundesweite Zahl der Wölfe weiter steigt, da eine Zunahme der Wölfe in unbesetzten Revieren in NRW oder Bayern keine Auswirkungen auf den Alltag in Meck-Pomm hat. Vor Ort bleibt die Zahl der Wölfe immer weitestgehend konstant.
Der Irrglaube der angeblichen allgmeinen Notwenigkeit einer Regulierung von Wildtieren (=Abschuss) durch Menschen lässt sich mit einem einzigen Blick in den Garten widerlegen: Wieviele Amseln, Rotkehlchen, Igel, Eichhörnchen, Meisen, Kröten, Molche, Frösche, Gartenschläfer, Greifvögel wie Sperber oder Eulen, Bienen und Schmetterlinge müssen denn "reguliert", sprich getötet und dann feierlich aufgereiht werden und mit Zweigen in Mäulern, Schnäbeln und Mundwerkzeugen versehen ein Halali getrötet bekommen? Merken Sie selber, oder? Das heutige Jagdgesetz beruht nicht auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern atmet inhaltlich immer noch den Geist von 1934.
3. Die Wolfsexperten, so denn sie Wissenschaftler und keine bloßen Hobbyjäger sind, haben nie behauptet, dass man nie einen Wolf zu Gesicht bekäme. Warum halten Wolfsgegner an dieser Lüge fest? Bereits 2006 hieß es im Leitfaden des Bundesamtes für Naturschutz: "Selbst in einem so dünn besiedelten Gebiet wie der Oberlausitz, ist ein fast tägliches Zusammentreffen von Mensch und Wolf nahezu unvermeidbar. Wölfe werden gesehen, wenn sie Straßen oder Felder überqueren. Anfangs sind die Leute überrascht oder auch beunruhigt, wie nahe sich Wölfe an die Siedlungen "trauen". In der Dunkelheit laufen die Tiere häufig an den Dörfern entlang und kürzen den Weg auch schon mal durch nicht eingezäunte Gärten ab. Die Menschen brauchen einige Zeit, um das für sie zunächst ungewöhnlich wirkende Verhalten zu verstehen und in den richtigen Kontext zu stellen. [...] Durch die Vermittlung möglichst detaillierter Kenntnisse über die "eigenen Wölfe", kann es sogar gelingen, eine Art Vertrautheit im Zusammenleben mit dem Neubürger zu erreichen." (Quelle: Bundesamt für Naturschutz, Skript 201 (2007), Seite 80).
Dennoch ist es für eine in einem Wolfsgebiet lebende Person äußerst selten, einen Wolf zu Gesicht zu bekommen, und wenn, dann meist nur flüchtig. Ein in Social Media gepostetes Video, dass überall geteteilt, weiterverbreitet wird und manchmal angebliche Wolfsbegegnungen an völlig verschiedenen Orten dokumentieren soll, erweckt einen GEFÜHLTEN Eindruck von vermeintlich vielen Wölfen. Wer im Wolfsgebiet lebt, weiß genau, dass dem nicht so ist.