Genome Editing ist eine Weiterentwicklung der konventionellen Gentechnik, die wesentlich effizienter und zielgerichteter ist. Wir erklären dir, wie Genome-Editing-Verfahren funktionieren und welche Chancen und Risiken sie beinhalten.
Genome Editing, konventionelle Gentechnik und klassische Zucht
Schon seit hunderten von Jahren verändern Menschen Pflanzen und Tiere durch Züchtung. Zentrale Bestandteile der klassischen Zucht sind die Kreuzung verschiedener Arten und die Selektion von Exemplaren mit gewünschten Eigenschaften.
Schon länger ist es jedoch auch möglich, das Erbgut von Pflanzen (und Tieren) zu verändern. Solche Eingriffe gibt es sowohl in der klassischen Zucht, als auch in der konventionellen Gentechnik und im Genome Editing:
In der klassischen Pflanzenzucht können Züchter*innen Chemikalien oder Strahlung einsetzen, um das Erbgut von Pflanzen zu verändern. Wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schreibt, ist dies eine recht ungenaue Methode – man kann nicht steuern, an welcher Stelle im Genom die Chemikalie oder die Strahlung angreift. Deshalb müssen die Züchter*innen anschließend die Pflanzen selektieren, bei denen tatsächlich die gewünschte Veränderung eingetreten ist.
In der konventionellen Gentechnik entnehmen Züchter*innen eine Stammzelle, zum Beispiel eine Eizelle. In diese schleusen sie das Gen ein, das später in der Pflanze enthalten sein soll. Zuletzt setzen sie die Stammzelle wieder ein. Idealerweise enthält am Ende jede Zelle das neue Gen. Laut dem Fraunhofer Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen (INT) arbeitet die konventionelle Gentechnik mit artfremden Genen. Deshalb lassen sich konventionelle gentechnische Eingriffe gut nachweisen.
Beim Genome Editing dagegen verändern Forscher*innen das Erbgut direkt im Organismus. Dafür schleusen sie spezielle „Genscheren“ ein, die das Genom an der gewünschten Stelle durchschneiden (man nennt Genome Editing deshalb auch „Genomchirurgie“). Die Zelle beginnt daraufhin, den DNA-Strang an der durchschnittenen Stelle zu reparieren. Während dieses Prozesses können Forscher*innen auch zusätzliche Gensequenzen an der Schnittstelle einbringen. Laut dem INT arbeiten Genome-Editing-Verfahren im Gegensatz zur konventionellen Gentechnik nur mit arteigenen Gensequenzen. Das BfR merkt allerdings an, dass theoretisch auch artfremde DNA eingeschleust werden kann.
Wie funktioniert Genome Editing?
Beim Genome Editing nehmen spezielle Moleküle zielgerichtete Schnitte an der DNA vor. (Foto: CC0 / Pixabay / LaCasadeGoethe)
Es gibt verschiedene Genome-Editing-Verfahren, die jedoch nach dem gleichen Grundprinzip funktionieren:
Um die DNA an einer ausgewählten Stelle durchschneiden zu können, konstruieren Forscher*innen sogenannte „Sonden„. Je nach Verfahren können das zum Beispiel RNA-Abschnitte sein. Diese Sonden passen genau an die Stelle in der DNA, die geschnitten werden soll.
Neben der Sonde braucht es nun noch ein spezielles Protein, das die DNA an der von der Sonde angesteuerten Stelle durchschneidet – die „Schere„. Sonde und Schere werden nun in eine Zelle eingeführt. Die Sonde leitet die Schere zu der gewünschten Stelle und die Schere schneidet die DNA dort durch.
Die Zelle will den Schnitt reparieren. Das funktioniert meistens nicht fehlerfrei: Manchmal verliert die Zelle einzelne DNA-Bestandteile oder sie setzt sie falsch zusamen. In der Folge kann das „kaputte“ Gen nicht mehr erkannt werden und wird dadurch deaktiviert. Forscher*innen können Veränderungen allerdings auch bewusst steuern, indem sie an der Schnittstelle andere DNA-Abschnitte einsetzen oder dort Abschnitte austauschen.
Genome-Editing-Verfahren: Von Zinkfinger und TALEN zu CRISPR/Cas
Die Grundsteine für das Genome Editing legten Forscher*innen bereits in den 1960er und 70er Jahren: Damals schleusten sie erstmals erfolgreich Nukleinsäuren in Zellen ein und nahmen gezielte Schnitte im Genom vor. In den nächsten Jahrzehnten entwickelte sich laut einer Publikation des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vor allem die konventionelle Gentechnik. Diese hat jedoch den Nachteil, dass die artfremden Gene an zufälligen Stellen im Genom eingefügt werden. Dementsprechend ist die konventionelle Gentechnik fehleranfällig und ineffizient.
In den 1990er Jahren entstanden die ersten Genome-Editing-Verfahren, die wesentlich zielgerichtetere Eingriffe ermöglichten. Zwei der ältesten Techniken arbeiten mit Zinkfinger-Nukleasen (ZFN) und Transcription-Activator-like-Effector-Nukleasen (TALEN):
ZFN sind künstlich hergestellte zusammengesetzte Proteine, die aus einem „Zinkfinger“ (der Sonde) und einer Nuklease (der Schere) bestehen. Nukleasen sind spezielle Enzyme, die Nukleinsäuren wie die DNA durchschneiden können.
Die TALEN ähneln den ZFN stark. Sie bestehen ebenfalls aus einer Sonde und einer Nuklease als Schere. Der Unterschied besteht darin, dass sich die Sonde sehr unterschiedlich aufbauen lässt und dementsprechend verschiedene DNA-Abschnitte ansteuern kann.
Laut dem LGL kam der Durchbruch des Genome Editing jedoch erst 2011 mit der Entdeckung von CRISPR/Cas. Bei diesem Verfahren nimmt ein RNA-Abschnitt die Rolle der Sonde ein und das Enzym Cas9 die der Schere. RNA-Moleküle sind wie DNA-Moleküle aufgebaut, sie enthalten jedoch im Gegensatz zur DNA nur Teile der Erbinformation. Je nach Zusammensetzung können sie in der DNA unterschiedlichste Aufgaben bewerkstelligen. Die RNA im CRISPR/Cas-System passt genau zu dem DNA-Abschnitt, den das Cas9-Enzym schneiden soll.
Der Vorteil von CRISPR/Cas gegenüber anderen Genome-Editing-Verfahren ist, dass sich das CRISPR/Cas-System vergleichsweise schnell, einfach und kostengünstig herstellen lässt. Zudem macht es seltener falsche Schnitte als andere Systeme. Wie das LGL berichtet, gibt es inzwischen auch CRISPR/Cas-Verfahren, die die DNA verändern können, ohne sie vorher durchzuschneiden. Dadurch wird das Risiko ungewünschter Reparaturen im Erbgut noch geringer.
Mögliche Anwendungsgebiete des Genome Editings
Durch Genome Editing Malaria ausrotten? (Foto: CC0 / Pixabay / 41330)
Genome Editing lässt sich vielfältig einsetzen – nicht nur bei Pflanzen, sondern (zumindest theoretisch) auch bei Tieren und Menschen. Das LGL nennt einige Beispiele, die aktuell erforscht werden:
Pflanzen
Resistenz von Pflanzen gegenüber Pestiziden, Schädlingen und Krankheiten
Ertragssteigerung
bessere Angepasstheit an klimatische Veränderungen wie höhere Temperaturen, längere Dürreperioden, salzigere oder nährstoffärmere Böden
modifizierte Nährwerte wie gesündere Zusammensetzungen der Fettsäuren oder bessere Lagerfähigkeit
Bakterien
Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass Genome-Editing-Verfahren antibiotikaresistente Gene in Bakterien unschädlich machen können.
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Tiere
Beseitigung des „Eber-Geruchs“ bei Ebern ohne Kastration
Genome-Editing-Verfahren, die es ermöglichen, frühzeitig das Geschlecht eines Hühner-Embryos zu erkennen
Rinder ohne Hörner
Menschen
Genome Editing für die Grundlagenforschung: Beispielsweise lassen sich dadurch verbesserte Tier- und Zellkulturmodelle für die Erforschung von Krankheiten herstellen.
Theoretisch lässt sich durch Genome Editing sogar das menschliche Erbgut gezielt verändern, so das Ärzteblatt. Außerdem gibt es bereits klinische Studien zur gezielten Veränderung von Krebszellen.
„Gene Drive“
Gene Drive hat das Ziel, eine bestimmte Veränderung des Genoms sehr schnell in einer ganzen Population zu verbreiten. In Zukunft könnte die Methode beispielsweise bei Malaria-Mücken zum Einsatz kommen. Diese könnten einerseits unfruchtbar gemacht werden, andererseits aber auch resistent gegenüber den Malaria-Erregern.
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Einsatz von Genome Editing und aktuelle Rechtslage
Die meisten der oben genannten Beispiele sind aktuell Thema in der Forschung, finden aber noch keine kommerzielle oder klinische Anwendung. Es gibt jedoch bereits die ersten kommerziell angebauten Pflanzen, die durch Genome Editing verändert wurden. Ein Beispiel sind Sojapflanzen mit einem gesünderen Fettsäuremuster, die laut dem LGL seit 2018 in den USA kommerziell angebaut und geerntet werden. Insgesamt existieren der Leopoldina zufolge weltweit bereits mehr als 100 genomeditierte Nutzpflanzen. In der EU gibt es dem LGL zufolge aktuell keine (bekannte) Nutzung genomeditierter Pflanzen oder Tiere.
Seit Anfang der 2000er müssen in der EU alle Lebens- und Futtermittel, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten, gekennzeichnet sein. Außerdem dürfen solche Erzeugnisse nur auf den Markt kommen, wenn sie ausführlich auf Unbedenklichkeit geprüft wurden.
Bei genomeditierten Organismen war der rechtliche Status lange unklar. Der Grund: Im Gegensatz zu konventionell manipulierten Organismen enthalten sie üblicherweise keine artfremden Gene. Von außen lässt sich bei genomeditierten Zellen deshalb nicht feststellen, ob sie sich durch eine natürliche Mutation oder durch Genome Editing verändern haben.
2018 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass durch Genome Editing veränderte Organismen ebenfalls als GVO eingestuft werden sollen und die gleichen Zulassungsvoraussetzungen gelten. In vielen anderen Ländern wie den USA ist die Verwendung von Genome Editing dagegen kaum reguliert (laut der Leopoldina zumindest, solange keine artfremden Gene zum Einsatz kommen).
Warum kritisieren Forscher*innen das EuGH-Urteil zu Genome Editing?
Steckt in der Sojabohne genomeditiertes Erbgut oder ist es auf natürliche Weise entstanden? Schwer zu sagen. (Foto: CC0 / Pixabay / bigfatcat)
Verschiedene wissenschaftliche Vereinigungen wie die Leopoldina kritisieren das EuGH-Urteil, da es die europäische Forschung an Genome Editing ausbremse. Gemeinsam mit der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) plädiert die Leopoldina dafür, zunächst nur genomeditierte Organismen mit artfremden Genen als GVO zu werten. Langfristig müsse das Gentechnikrecht komplett überarbeitet werden.
Die Wissenschaftler*innen begründen ihre Befürwortung des Genome Editing mit mehreren Argumenten:
Für eine nachhaltige und an den Klimawandel angepasste Landwirtschaft sind ertragreichere und robustere Pflanzen vonnöten.
Durch Genome Editing herbeigeführte Veränderungen am Erbgut (ohne Einschleusung artfremder Gensequenzen) lassen sich nicht von spontanen Mutationen oder dem Einsatz konventioneller Züchtungsmethoden unterscheiden.
Da Genome Editing vergleichsweise effizient, einfach und kostengünstig ist, könnte es im Gegensatz zur herkömmlichen Gentechnik auch von kleineren und mittleren Unternehmen genutzt werden.
Übrigens: Diese Bewertung bezieht sich zunächst auf Genome Editing in der Pflanzenforschung. Im Bezug auf die Veränderung des menschlichen Erbguts sprechen sich die Forschungsvereinigungen momentan für ein internationales Verbot aus.
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Risiken des Genome Editing
Das EuGH begründet sein Urteil der Zeit zufolge damit, dass Genome-Editing-Verfahren ähnliche Risiken beinhalten würden wie konventionelle Gentechnik. Dementsprechend müssten sie auch rechtlich gleich beurteilt werden.
Was sind die Risiken von Genome Editing?
Genome Editing ist wesentlich zielgerichteter als herkömmliche Züchtung und konventionelle Gentechnik. Doch auch Genome-Editing-Verfahren können dem LGL zufolge zu ungewollten Veränderungen im Erbgut führen. Man bezeichnet sie als „Off-Target-Effekte“. Häufig lassen sich fehlerhafte Organismen (zumindest im Fall von Pflanzen) im Anschluss durch Selektion beseitigen – aber nicht immer.
Aus Sicht des LGL ist jedoch vor allem das Gene-Drive-Konzept riskant, da sich die Veränderungen im Erbgut dabei unkontrollierbar schnell ausbreiten. Zudem erfolgen sie in freier Natur und können somit zu unvorhersehbaren Störungen in ganzen Ökosystemen führen.
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Genome Editing und Gentechnik: Generelle Kritik
Gentechnik, Monokulturen und Pestizide prägen in vielen Gegenden die industrielle Landwirtschaft. (Foto: CC0 / Pixabay / skeeze)
Viele Umweltverbände wie der BUND stehen Gentechnik (in der Landwirtschaft) im allgemeinen kritisch gegenüber:
Die Auswirkung von artfremden Genen in Nutzpflanzen und -tieren auf die menschliche Gesundheit ist unzureichend erforscht.
Gentechnik ist ein Verfahren der industriellen Landwirtschaft mit ihren Monokulturen und Pestiziden. Dem stehen viele Umweltverbände generell kritisch gegenüber. Monokulturen laugen die Böden aus und reduzieren die Artenvielfalt. Pestizide schaden nützlichen Insekten und Tieren und finden sich am Ende teilweise im Essen wieder.
Gentechnik sollte ursprünglich helfen, den Pestizideinsatz und den Hunger in der Welt zu reduzieren. In den Jahrzehnten seit der Erfindung der Gentechnik ist dies jedoch nicht eingetreten – stattdessen ist der Pestizideinsatz bei GVO sogar angestiegen und die Lebenssituation von Kleinbauern in Entwicklungsländern hat sich insgesamt nicht verbessert.
Die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung bezweifelt auch, dass Genome Editing das Monopol großer Saatgut-Konzerne auf Gentechnik reduzieren kann: Die Patente im Bereich Genome Editing haben sich zu einem großen Teil Agrar-Großkonzerne wie BASF gesichert.
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Die kommerzielle Anwendung von Genome Editing ist noch so jung, dass sich nicht wirklich abschätzen lässt, welche (positiven wie negativen) Veränderungen sie bringen wird. Genome Editing und Gentechnik sollten jedenfalls nicht als alternativlos für die Versorgung der zukünftigen Weltbevölkerung gelten. Die Grünen beispielsweise plädieren stattdessen für eine Agrarwende in Richtung Agrarökologie. Alte Sorten, die robust und optimal an bestimmte Regionen angepasst sind, Mischkulturen und Agroforstsysteme seien wesentlich risikoärmer als Gentechnik. Auch die Verfasser*innen des Weltagrarberichts von 2008 (also vor der Entdeckung von CRISPR/Cas) schreiben, dass die Versprechen der Gentechnik sich bisher nicht bewahrheitet hätten und man nun an einem Punkt sei, an dem eine grundlegende Neuausrichtung der Landwirtschaft nötig werde.
Tipp: Der Film „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ beleuchtet unterschiedliche Strategien für die Ernährung der zukünftigen Weltbevölkerung.
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Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen.
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Schlagwörter: Gesundheit Gewusst wie Lebensmittel
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