Als Kolumbus am 8. Dezember 1493 zum zweiten Mal in der Karibik landete, hatte er die Absicht, dort Siedlungen zu gründen. Auf 17 Schiffen begleiteten ihn 1500 Menschen sowie zahlreiche Schweine und andere Tiere. Nachdem die Schweine am folgenden Tag freigelassen worden waren, wurden die Spanier krank, auch Kolumbus. Viel schlimmer erging es allerdings den Inselbewohnern: Sie starben buchstäblich wie die Fliegen. Vermutlich wurden sie Opfer einer frühen Form der Schweinegrippe.
Massensterben überall
Als sich die Spanier und andere Europäer in den folgenden Jahrzehnten über den amerikanischen Kontinent verbreiteten, erlagen fast alle Ureinwohner den Krankheiten, die die Eindringlinge mitgebracht hatten. Neben der Grippe erwiesen sich die Masern und die Pocken als besonders tödlich. Das lag daran, dass die Bewohner Amerikas seit der Ankunft ihrer Vorfahren gegen Ende der letzten Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren vom Rest der Welt isoliert gewesen waren. Insbesondere waren ihnen die wichtigsten Nutztiere der Alten Welt (Kühe, Schweine, Schafe, Ziegen und Pferde) unbekannt. Weil die Krankheitserreger von diesen auf die Menschen übergegangen waren, hatten die Bewohner der Neuen Welt keine Gelegenheit gehabt, Abwehrkräfte zu entwickeln. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts war die Urbevölkerung Amerikas (50 bis 80 Millionen Menschen vor Kolumbus' Ankunft) um 90 Prozent zurückgegangen.
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Austausch von Pflanzen und Tieren
Neben dieser Katastrophe verblasst eine Entwicklung, für die der Historiker Alfred Crosby den Ausdruck "Kolumbianischer Austausch" (Columbian Exchange) geprägt hat. Damit ist gemeint, dass zahlreiche Nutzpflanzen und Nutztiere in neue Umgebungen gebracht wurden. Man kann sich heute kaum noch vorstellen, dass es vor 1500 in Europa keine Erdäpfel und Paradeiser, in Amerika keinen Weizen und keine Bananen, in Afrika keine Erdnüsse und in Indien keine Chilis gab. Die Landwirtschaft hatte nun weltweit ein ähnliches Gesicht.
Klimawandel
In ihrem kürzlich erschienenen Buch "The Human Planet" vermuten die Geologen Simon Lewis und Mark Maslin, dass die Ereignisse in Amerika sogar einen Einfluss auf das Weltklima hatten. Weil so viele Menschen in so kurzer Zeit starben, wurden zahlreiche verlassene Agrarflächen von Wäldern überwuchert. Diese entzogen der Atmosphäre Kohlendioxid und schwächten so den Treibhauseffekt ab. Die Folge war eine markante Abkühlung, die zwischen 1594 und 1677 ihren Höhepunkt erreichte, wie Eisbohrkerne in der Antarktis zeigen. Spätestens seit dem Beginn der Industrialisierung um 1750 hat sich dieser Trend bekanntlich umgekehrt.
Anthropozän
Vor etwa 200 Millionen Jahren bildete die Landmasse der Erde einen Superkontinent namens Pangäa (Ganzerde), der seither in die Kontinente zerbrochen ist, die wir heute kennen. Damals kam es vermutlich zu einer weltweiten Vermischung der Lebensformen. Lewis und Maslin weisen darauf hin, dass es der Menschheit seit der frühen Neuzeit gelungen ist, eine ähnliche Homogenisierung der Biosphäre herbeizuführen wie zur Zeit von Pangäa. Weil der Mensch das Gesicht des Planeten stärker prägt als jede Spezies vor ihm, plädieren sie wie viele andere Wissenschaftler dafür, das gegenwärtige Erdzeitalter nicht mehr Holozän, sondern Anthropozän, Zeitalter des Menschen, zu nennen.
heute.at
21.10.2018 15:00
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21.10.2018 15:42