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Redaktion
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Florstadt (pm). Hochstamm-Streuobstwiesen bekommen Jahr für Jahr mehr Lücken. Umso mehr freute es die Initiatoren vom Arbeitskreis Streuobst in Florstadt, dass am vergangenen Wochenende rund 50 interessierte Zuhörer die erste Veranstaltung des neuen Arbeitskreises zum Thema »Hochstamm-Streuobstwiesen pflegen und nutzen« besucht haben.
Referent Steffen Kahl informierte über die Geschichte des Apfelanbaus, die biologische Bedeutung gepflegter Hochstamm-Streuobstwiesen und über den Zustand der aktuellen Bestände. Anschließend wurden typische Pflegemängel und Krankheiten vor Ort beschrieben und gezeigt.
Die Streuobstkultur sei seit vielen Jahrhunderten landschaftsprägend in vielen Ländern Europas, erläuterte Kahl. Bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war die intensive Nutzung der Früchte und des Grasbewuchses flächendeckend vorhanden. Seit den 60er Jahren stand die durch Streuobst genutzte Fläche zunehmend mehr in Konkurrenz zur Intensivierung der Landwirtschaft, zu Flurbereinigungsmaßnahmen und zum Erwerbsobstbau. In den 60er Jahren habe es Deutschland sogar eine »Rodungsprämie« für Obstbäume gegeben.
Eine Wende, so Kahl, habe es in den 1980er Jahren mit der Aktion »Rettet die Obstwiese« gegeben; 1988 wurde die »Streuobstwiese« zum Biotop des Jahres erklärt. Danach habe es lokale Aktivitäten mit Baumnachpflanzungen, Apfelmärkten, Seminaren, Runden Tischen und Kartierungen gegeben Seit 2002 werde jährlich eine hessische Lokalsorte prämiert und angepriesen.
Mehr Pflanzen und Tiere als im Wald
Nichtsdestotrotz lasse sich damit die Überalterung der Flächen nicht aufhalten. In den kommenden 20 Jahren werde etwa ein Drittel des Baumbestandes verschwunden sein. Die aktuellen Nachpflanzungen könnten das nicht ersetzen, erklärte der Referent.
Kahl wies darauf hin, dass die traditionellen Streuobstwiesen ein extrem artenreiches Biotop seien. Meist lebten hier mehr Tiere und Pflanzen als im Wald. Zu den 2000 Tier- und Pflanzenarten gehören Grünspecht, Steinkauz, Wendehals, viele Reptilien, Igel, Siebenschläfer, Fledermäuse, Käfer, Schmetterlinge, eine Vielzahl verschiedener Gräser, Blumen und Orchideen. »Streuobstbestände sind vom Menschen geschaffen und ihr Weiterbestand kann nur gesichert werden, wenn sie gepflegt und bewirtschaftet werden«, unterstrich Kahl.
Um die Vielfalt der Wiesen zu erhalten, sollte auf der Streuobstwiese nicht zu oft gemäht werden; am besten erst nach dem Samenfall der Gräser. Positiv sei auch Mähen in einzelnen Abschnitten oder die Beweidung durch Schafe oder Rinder. Nachpflanzungen sollten mit Hochstämmen erfolgen, die ihren ersten Astabzweig auf einer Höhe von 1,80 Meter haben (Halbstämme haben nur eine Höhe von 1,20 Meter).
Nach der Beantwortung vieler Fragen aus dem Publikum gab es Gelegenheit, Florstädter Streuobstwiesen vor Ort zu betrachten. Kahl stellte fest, dass viele der Obstbäume gar nicht geschnitten oder wahrscheinlich nur sehr selten geschnitten werden.
Positiv zu beobachten sei, dass neben Apfelbäumen auf den Ober-Florstädter Obstwiesen auch Birnen-, Walnuss-, Kirschbäume und sogar ein Speierling zu finden sei. Letzterer ist mit der Eberesche verwandt und wird vielerorts in geringen Mengen dem Apfelwein zugesetzt. Auch ohne optimale Pflege seien die Streuobstwiesen in Florstadt ein wichtiges Biotop. Mit ein bisschen mehr Pflege könne die Lebensdauer aber noch deutlich verlängert werden.