Selina Krakowski, Mitarbeiterin im Gesundheitsamt Fürstenfeldbruck im westlichen Oberbayern führte und führt oft lange Telefonate mit Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert sind. Gleichzeitig trägt sie in den ellenlangen Fragenkatalog ihres Datenbankprogramms viele Einzelheiten ein, z.B. Symptome, Haushaltsgröße, Alter. Damit sollen nicht nur alle Corona-Fälle im Landkreis Fürstenfeldbruck erfasst werden, sondern sich später auch Rückschlüsse auf die Krankheit ziehen lassen.
Chaos im Gesundheitsamt ohne Digitalisierung
Also: wie verläuft diese oder jene Covid-Variante? Wie wirken sich Alter und Geschlecht auf den Krankheitsverlauf aus? Ohne Digitalisierung wäre das so nicht möglich. Selina Krakowski, Anfang 20, war frisch von der Uni nur als Aushilfe eingestellt, als Anfang 2020 Corona kam und im Gesundheitsamt Fürstenfeldbruck wie in den meisten der rund 400 deutschen Gesundheitsämtern für chaotische Zustände sorgte. Stapelweise Faxe wurden ausgewertet und über 100 Ordner angelegt: eine Sisyphusarbeit.
Der computeraffinen Selina Krakowski und ihrer älteren, team-erfahrenen Kollegin Andrea Kriegner war bald klar: "Dass wir auf diesem Niveau keine Pandemie bewältigen können." Also holten sich die beiden bei IT-Firmen Rat, stellten irgendwann die Rechner im Amt um, andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden geschult. Einen Masterplan einer übergeordneten Behörde schien es offensichtlich nicht zu geben.
Digitalisierung in Schulen hängt von Einzelnen ab
Ein ähnliches Muster zeigt sich bei der Digitalisierung in Schulen. Etwa in der Mittelschule Simmerstraße in München. Dort gibt es vier sogenanntes Tablet-Klassen. In der Klasse 5b zum Bespiel erarbeitet die junge Lehrerin Meike Fuchs kurz vor Beginn der Sommerferien mit ihren Schülerinnen und Schülern das Thema "altes Ägypten" via Computer. Ein kurzes Video über die damalige Götterwelt wird vom Notebook via Beamer an die Wand projiziert. Danach erstellen die Kinder gruppenweise mit ihren Tablets einen Steckbrief von Horus und Osiris. Meike Fuchs:
Die junge Lehrerin kommt selbst gut mit der Digitalisierung klar und fördert sie. An der Schule gibt es aber nur einen freiwilligen Systemadministrator, der hauptsächlich Lehrer ist und für sein Zusatzengagement kaum eine Entschädigung bekommt.
Warum gibt es keine Technik-Hotline für Schulen?
Die Konrektorin der Mittelschule, Birgit Dittmar-Glaubig, geht bald in Pension. Aber als Funktionärin im Bayerischen Lehrer– und Lehrerinnenverband will sie weitermachen und als solche ist sie gewohnt, Problem direkt anzusprechen. Sie ist enttäuscht, dass die Digitalisierung in den Schulen vom Engagement einzelner Lehrer abhängt. Eine Technik-Hotline, wie sie längst viele Unternehmen haben, wäre ideal auch für Schulen. Birgit Dittmar-Glaubigs:
Endlich ein richtiges Digitalministerium?
Zu Gast in Berlin bei Bitkom, dem "Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien". Bitkom ist eine der einflussreichsten Lobbyorganisationen in Deutschland. Der Verband will Druck auf die Politik ausüben, damit die Digitalisierung schneller vorangeht – denn dann verdienen logischerweise auch die angeschlossenen Firmen mehr.
Der Verband beklagt nicht nur, dass Deutschland im öffentlichen Bereich, also in der Verwaltung, in Schulen und Ämtern hinter anderen Ländern hinterherhinkt, sondern dass auch nicht genügend Wagniskapital für IT-Startups da ist. Außerdem drängt man, dass es nach der Bundestagswahl ein richtiges Digitalministerium gibt. Fabian Zacharias von Bitkom: "...das nicht nur ein Klingelschild bekommt, sondern das echte Koordinierungsrechte hat und eine starke Rolle am Kabinettstisch spielen kann."
Digitalisierung von Joghurt-Produktionen
In Garching bei München wird in der Technischen Universität mittlerweile schon Zukunft simuliert: in einer Halle schicken Förderbänder dutzende kleine Gläser zu Abfüllstationen. Dort wird Joghurt – in Wahrheit ist es nur blubberndes Wasser – in die Gläser gepumpt. Einen halben Meter weiter werden Kügelchen in verschiedenen Geschmacksvarianten per Druckluft in die Gläschen befördert.
Eine großgewachsene Frau schaut sichtlich zufrieden zu. Birgit Vogel-Heuser ist Professorin und Chefin des Lehrstuhls für Automatisierung und Informationssysteme. Sie und ihr Team arbeiten an konkreten Lösungen für Unternehmen, die ihre Fabriken digital steuern oder ihre Produktion mit intelligenter Datenverarbeitung optimieren wollen. Bei dem Werkzeugmaschinenbauer Grob, dem Walzwerk-Hersteller SMS oder dem Chemie-und Pharmakonzern Bayer ist ihnen das schon gelungen. Deshalb ist Prof. Vogel-Heuser auch relativ optimistisch: