«Das Unwetter ist für den grossen Gemüsegarten Schweiz ein Desaster. Im Rheintal haben wir aber keine flächendeckenden Schäden auf den Gemüsefeldern wie in anderen Landesteilen», sagt Stefan Britschgi, Vizepräsident der Schweizer Gemüseproduzenten. «Die Lage im St. Galler Rheintal ist nicht dramatisch», hält der Kantonsrat fest, der bis 2019 in «Tipilzou» einen 30-Hektar-Landwirtschaftsbetrieb am südlichen Ende der Rheininsel unterhielt.
Britschgi rechnet schweizweit mit einem Einbruch bei der Erbsenernte von bis zu 40 Prozent. «Die Ausfälle beim Lagergemüse müssen jetzt mit Importprodukten kompensiert werden.» Wenn Blumenkohl und Broccoli etwas Wasser einlagern, so sei das an sich nicht schlimm, «aber das Gemüse wird dennoch ungeniessbar. Wir können es wegen des Sandes nicht verkaufen, weil wir es nicht waschen können». Britschgi, der derzeit Zucchetti und Kohlgemüse erntet, würde jetzt auch Bohnen für Tiefkühlprodukte säen: «Das kann ich aber wegen der nassen Böden nicht. Das führt zu Verzögerungen bei der Ernte im Herbst.»
«Bei diesem Wetterkönnen wir nicht säen»
Armin Risch, Gemüsebauer am «Eselschwanz» bei St. Margrethen, wo der Alte Rhein eine Schlaufe macht und gleichzeitig die Grenze zu Vorarlberg bildet, hat das gleiche Problem: «Was die Schäden nach dem Sturmtief betrifft, sind wir mit einem blauen Auge davongekommen, auch wenn Salat und Bohnen nicht gerne im Regen stehen.» Das anhaltend schlechte Wetter habe aber die Böden derart durchnässt, dass sie keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen könnten. «Bei diesem schlechten Wetter können wir nicht nachsäen. Bei der Aussaat der Rüebli für das Lagergemüse haben wir bereits eine Woche verloren. Die müssten jetzt aber in den Boden, weil sie eine bestimmte Anzahl Wachstumstage brauchen.» Die Gemüsebranche lebe stark von Angebot und Nachfrage: «Die Schäden nach dem Sturmtief werden daher zu einer Verknappung des Angebots führen.»
Der Pilzdruck auf das Gemüse sei wegen der nassen Witterung gross, sagt Bruno Giger, Projektmitarbeiter und stellvertretender Geschäftsführer beim St. Galler Bauernverband. Es drohten auch Ausfälle bei Gemüse, das im Wasser stehe – «es beginnt von unten zu faulen». Die feuchtwarme Witterung hat auch noch andere Folgen. Laut Giger wäre derzeit gerade in den Sömmerungsgebieten zwar viel Grünfutter vorhanden, aber das Rindvieh drücke es mit seinen Klauen tief in den durchnässten Boden. Auch im Talgebiet würden die Tiere daher nicht ins Freie gelassen, um grössere Schäden auf den Weiden zu verhindern. Das Problem sei derzeit nicht die Menge, sondern die Qualität: «Das Grünlandfutter ist sehr schmutzig. Der aufgeweichte Boden kann keine schweren Maschinen tragen.» Die entscheidende Frage sei: Sind die durchnässten Felder für die bevorstehende Haupternte befahrbar, ohne dass grosser Schaden angerichtet wird?
Im Obst- wie im Weinbau bestehe ebenfalls die Gefahr von Pilzkrankheiten. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sei eine grosse Herausforderung, weil sie laut Giger «entweder abgewaschen oder nicht rechtzeitig eingesetzt werden können».
Bodenseepegelsteigt weiter an
Am Donnerstag stand der Wasserpegel in Romanshorn bei 396,82 Meter über Meer. Aufgrund der Prognosen wurde die Gefahrenstufe am Mittag von 2 auf 3 (erheblich) erhöht. Da-vid Volken, Hochwasserexperte beim Bundesamt für Umwelt (Bafu), sagt: «Wir erwarten, dass die Pegel weiter ansteigen.» Und zwar um 10 bis 20 Zentimeter. Das könne dazu führen, dass der See an gewissen Stellen überschwappen werde. Grossflächige Überschwemmungen seien jedoch keine zu erwarten. «Die Ostschweiz ist am wenigsten betroffen von den starken Regenfällen der letzten Tage», sagt der Experte.
Auch der Rhein als wichtigster Zufluss des Bodensees führt viel Wasser. Die Prognose der Niederschlagsmenge im Einzugsgebiet sei im Moment aber relativ gut, sagt Marlene Engler, Sprecherin der Internationalen Rheinregulierung (IRR). Es gebe zwar einen maximalen Ausreisser in der Abflussmenge von 1000 Kubikmetern pro Sekunde, am Donnerstag seien aber um die 500 Kubikmeter geflossen, was für das Flussbett «problemlos» zu bewältigen sei. So gehe man auch nicht davon aus, dass das Rheinvorland erneut gesperrt werden müsse.
Christoph Zweili undJanina Gehrig