"Systematische Tierquälerei"

Die Amtstierärzte am Landshuter Landratsamt und der Landshuter Landrat Peter Dreier (FW) kämpfen weiter gegen die höchst umstrittenen Rinder-Transporte aus Bayern in Drittstaaten. Das Veterinäramt weigert sich derzeit, die erforderlichen Papiere für den Export von neun Jungkühen aus der Region nach Usbekistan auszustellen. Der Grund: Nach Überzeugung der Tierärzte können auf den Tausende Kilometer weiten Fahrten die Tierschutzvorgaben der EU nicht eingehalten werden. "Bei diesem tagelangen Transport wäre es unvermeidlich, dass den Tieren lang anhaltendes Leid zugefügt wird", sagt Landrat Dreier. "Wir können und werden uns nicht an dieser systematischen Tierquälerei beteiligen." Der Landrat hat deshalb seine Amtstierärzte sogar angewiesen, bis auf Weiteres keine Exportdokumente für Rinder-Transporte nach Usbekistan, Kasachstan und Turkmenistan auszustellen.

Die Auseinandersetzung um die Tiertransporte in ehemalige Sowjetgebiete, aber auch nach Nordafrika und in die Türkei währt seit Jahresanfang und hat bereits bundesweit hohe Wellen geschlagen. Bei den Exporten müssen die Rinder tagelang Hitze oder Kälte erdulden, sie haben kaum Platz auf den Lastwagen, bekommen viel zu wenig zu trinken und zu fressen und werden zu selten oder gar nicht abgeladen. An den Zielorten werden sie früher oder später unter meist grausamen Bedingungen geschlachtet: ohne Betäubung, gefesselt, mit mehreren Entblutungsschnitten und in einem minutenlangen Todeskampf, wie in Dokumentationen zu sehen oder in Fachzeitschriften nachzulesen ist.

In ganz Deutschland haben sich deshalb von Februar an Amtstierärzte geweigert, die für die Transporte notwendigen Papiere auszustellen. Die Landshuter Amtstierärzte und der dortige Landrat Dreier zählten bundesweit zu den ersten, die so gegen die umstrittenen Exporte mobil machten. Auch Umweltminister Thorsten Glauber (FW), der von Amts wegen für das Veterinärwesen in Bayern zuständig ist, schaltete sich schnell ein. "Tierschutz endet nicht an der Landesgrenze", sagte Glauber. "Die Tiertransporte müssen tierschutzgerecht sein." Der Umweltminister versprach, dass es von Bayern aus keine Rinder-Exporte mehr geben werde, auf denen vorhersehbar die Tierschutzvorgaben verletzt werden. Auf der Tabu-Liste, die sein Haus dazu veröffentlichte, standen insgesamt 17 Staaten, darunter Usbekistan, Kasachstan und Turkmenistan.

Die Exporteure wollen freilich nicht auf die Transporte verzichten. Für manchen Rinderzuchtverband sind die Ausfuhren offenbar ein lukratives Geschäft. Ein Beispiel dafür ist der Fleckvieh-Zuchtverband Mühldorf. Bayernweit wurden allein im vergangenen Jahr 14 639 Rinder in Drittstaaten exportiert. Wie in anderen Bundesländen erstritten die Exporteure vor Verwaltungsgerichten, dass die Amtstierärzte die für die Ausfuhren erforderlichen Papiere weiter ausstellen müssen. Ihr Argument: Bei den Dokumenten handele es sich nur um sogenannte Vorzeugnisse. Mit ihnen bestätigen die Veterinäre einzig, dass den Transporten der Rinder aus tiermedizinischer Sicht nichts entgegenstehe. Also etwa, dass sie aus Herden stammen, die frei von Maul- und Klauenseuche oder TBC sind. Um die Einhaltung der Tierschutzvorgaben auf den Fahrten müssten sich die Veterinäre bei der Ausstellung dieser Papiere nicht kümmern.

Die Amtstierärzte wollen sich mit den Urteilen nicht abfinden. Im August reisten die Landestierschutzbeauftragte von Hessen, Madeleine Martin, und drei Amtstierärztinnen auf der Route der Transporte nach Usbekistan. Eine der Amtstierärztinnen leitet ein Veterinäramt in Bayern. Der Bericht der Expertinnen über die Verhältnisse auf den Transporten ist verheerend. Laut EU-Recht müssen Rinder auf Exporten in Drittstaaten spätestens nach 29 Stunden von dem jeweiligen Lkw abgeladen werden und eine 24-stündige Ruhepause bekommen, während der sie ausreichend trinken und fressen können. Erst danach darf der Transport weitergehen.

Auf dem Weg nach Kasachstan und Usbekistan gab es zum Zeitpunkt der Fahrt aber nur zwei von den russischen Behörden zugelassene Entlade- und Versorgungsstationen für Rinder, heißt es in dem 27 Seiten langen Dokument. Diese beiden Stationen hätten nicht den Tierschutzvorgaben der EU entsprochen. Alle anderen Stationen, die immer wieder von den Exporteuren genannt werden, waren verfallen oder nicht existent. Eine entpuppte sich sogar als Bürogebäude der russischen Veterinärbehörde. Damit, so das Fazit der Expertinnen, könne nicht einmal die Minimalvorgabe für solche Langstreckentransporte eingehalten werden. Den Tieren würden "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhebliche Leiden zugefügt", heißt es weiter. Die Landshuter Amtstierärzte sind nicht mehr die einzigen, welche die Exportpapiere verweigern. Die Veterinäre in Deggendorf und Freyung-Grafenau haben sich ihrem Protest bereits angeschlossen.