Seiltanz zwischen Lernen und Demenz

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Alkoholabhängigkeit: Das Verlangen nach dem Suchtmittel wird unstillbar. Hier soll der Glutamat-Modulator Acamprosat helfen.

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Der wichtigste Vertreter unter den nichtkompetitiven GluN2B-Antagonisten ist Ifenprodil (Vadilex

®

, Abbildung 1), für den eine neuroprotektive Wirkung gezeigt werden konnte (27). Der Wirkstoff bindet mit einem Ki-Wert von 13 nM an die ATD der GluN2B-Untereinheit und wirkt dort als partieller Antagonist (28). Da nur circa 90 Prozent der NMDA-Rezeptoren mit GluN1-GluN2-Untereinheiten blockiert werden, sind physiologische Basisfunk­tionen des Gehirns wie die Gedächtnisbildung noch möglich. Der Wirk­mechanismus ist aber noch nicht ­abschließend geklärt (29).

Ifenprodil bindet zwar selektiv an die GluN2B-Untereinheit der NMDA-Rezeptoren, hat aber auch Affinität zu 5HT

2

, σ

1

-, σ

2

- und α

1

-Rezeptoren (30). Daraus resultieren Nebenwirkungen wie Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens oder Blutdruckabfall. Da zudem die Bioverfügbarkeit von Ifenprodil gering ist, entwickelten verschiedene Arbeitsgruppen strukturelle ­Modifikationen, um die Selektivität und Bioverfügbarkeit zu verbessern.

Die Weiterentwicklungen Traxoprodil und Eliprodil sollten eine verbesserte Selektivität und damit ein günstigeres Nebenwirkungsprofil haben. Eliprodil hatte zwar eine höhere Selektivität, zeigte aber keine signifikante Wirkung bei Gabe nach Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma und wurde daher in Phase III der klinischen Prüfung wieder zurückgezogen (31). Das von Pfizer entwickelte Traxoprodil (CP101,606) zeigte im Tierversuch eine vielversprechende neuroprotektive Wirkung. Eine klinische Studie zur Therapie von Schädel-Hirn-Traumen wurde allerdings im Jahr 2001 abgebrochen (32).

Zusätzlich zu Substanzen, die sich von Ifenprodil ableiten, wurden Verbindungen mit anderen Grundstrukturen als GluN2B-Antagonisten entwickelt und untersucht. Dazu gehören unter anderem Benzamidine, Aminopyridin-Derivate und Benzimidazole (33). Bis heute hat es noch keine Substanz in ­klinische Studien geschafft.

Einsatz in der Diagnostik?

Neben dem Einsatz von NMDA-Ant­agonisten in der Therapie neurodegenerativer Erkrankungen wird intensiv an Diagnostik-Möglichkeiten mit bildgebenden Verfahren geforscht. So wurden bereits potente Antagonisten synthetisiert und radiomarkiert. Ziel ist es, neurodegenerative Erkrankungen, bei denen es zu einer Überaktivierung von NMDA-Rezeptoren kommt, mittels Positronen-Emissions-Tomografie (PET) in vivo zu visualisieren und zu untersuchen (34, 35).

Partial-Agonist Acamprosat

Bereits jetzt gibt es zugelassene Wirkstoffe mit Affinität zum NMDA-Rezeptor. Dies ist zum Beispiel der Glutamat-Modulator Acamprosat, der zur Rückfallprophy­laxe bei alkohol­abhängigen Patienten ­eingesetzt wird. Acam­prosat soll einen Anti-Craving-Effekt bewirken, sodass der Patient kein unstillbares Verlangen mehr nach dem Suchtmittel hat (36).

Der chronische Gebrauch großer ­Alkoholmengen über einen längeren Zeitraum führt zur Hochregulation von NMDA-Rezeptoren (37). Fällt die gewohnte Alkoholdosis beim Entzug aus, kommt es zur Übererregung nachgeschalteter Synapsen, verbunden mit dem Verlangen nach Wiederaufnahme von Alkohol. Acamprosat bindet im ­Kanal des NMDA-Rezeptors und wirkt hier als Partial-Co-Agonist. In geringen Konzentrationen bei niedriger NMDA-Rezeptor-Aktivität steigert er diese, in hohen Konzentrationen bei hoher Rezeptor-Aktivität senkt er jedoch die ­Aktivität und wirkt somit der Überer­regung und dem Verlangen entgegen (38). Dadurch werden auch neurotoxische Effekte unterbunden, die durch die NMDA-Rezeptor-Überaktivierung und den damit verbundenen exzessiven Ca

2+

-Einstrom ausgelöst werden.

Dieser Effekt von Acamprosat schützt beim Entzug vor der durch starke glutamaterge Erregung ausgelösten Degeneration von Nervenzellen. Ein neuroprotektiver Effekt wurde im Tiermodell auch nach Schlaganfall gezeigt (39).

Die klinische Datenlage spricht allerdings gegen Acamprosat als Anti-Craving-Substanz. Verschiedene Studien konnten keinen Vorteil gegenüber Placebo belegen. Voraussetzung für den allenfalls marginalen Nutzen, der in ­anderen Studien gezeigt wurde, war eine begleitende Psychotherapie sowie eine hohe Motivation der Entzugspa­tienten (40).

Auch das Antiepileptikum Felbamat (Beispiel Taloxa

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), das beim Lennox-Gastaut-Syndrom eingesetzt wird, interagiert mit dem NMDA-Rezeptor. Diskutiert wird ein dualer Wirkansatz: Abnahme der exzitatorischen Neurotransmission und Verstärkung der ­GABAergen Erregungsübertragung (41). Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht geklärt (42). /

Literatur bei den Verfassern