Viele Umwelteinflüsse gefährden Koalas, etwa der Klimawandel, der Verkehr oder die Naturzerstörung. Die Tiere sind aber auch extrem anfällig für Krebserkrankungen. Ein internationales Forscherteam unter Berliner Leitung klärt nun den Grund dafür.
Ein bestimmtes Virus macht Koalas anfällig für Krebserkrankungen. Das Koala-Retrovirus (KoRV) habe innerhalb der letzten 50.000 Jahre die Keimzellen - also die Spermien oder Eizellen - von Koalas infiziert, berichtet ein internationales Forscherteam unter Leitung des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) im Fachblatt "Nature Communications". Die Nachkommen dieser Tiere trügen die Erbinformationen des Erreger in jeder Zelle ihres Körpers. Das Virus-Genom könne die Aktivität von Genen verändern, die mit der Krebsentstehung in Verbindung gebracht werden und so eine erhöhte Anfälligkeit für Krebs verursachen.
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Retroviren, zu denen etwa auch HIV gehört, bauen ihr eigenes Erbgut in das Erbgut einer infizierten Zelle ein. Infizieren sie Ei- oder Spermienzellen, wird die genetische Information des Virus von einer Generation an die nächste vererbt - Forscher sprechen von endogenen Retroviren. Solche Infektionen kommen praktisch bei allen Wirbeltieren vor, beim Menschen machen Retroviren-Sequenzen etwa acht Prozent des Erbguts aus. Meist liegen solche Infektionen der Keimzellen Millionen Jahre zurück. Im Laufe dieser Zeit mutieren die Viren zu inaktiven Formen und sind schließlich meist für den Wirt nicht mehr schädlich.
Alle Koalas in Queensland und NSW haben Viren-Kopien im Erbgut
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Anders sieht es aus, wenn die Infektion noch nicht so lange her ist. Dann können erhebliche gesundheitliche Schäden auftreten. Das ist bei Koalas (Phascolarctos cinereus) vermutlich der Fall: Forscher gehen davon aus, dass das Retrovirus die Keimzellen der Tiere erst vor maximal 50.000 Jahren infiziert hat - also erst vor relativ kurzer Zeit. Heute trägt die gesamte Koala-Population in Queensland und New South Wales (NSW) Kopien des Retrovirus in ihrem Erbgut. Dass dies mit der bekannten Anfälligkeit der Tiere für Krebserkrankungen - etwa für Lymphome, Leukämien und andere Tumorformen - zusammenhängt, wird bereits seit Längerem vermutet.
Das Team um Alex Greenwood untersuchte die Zusammenhänge nun genauer und sequenzierte dazu das Erbgut von zehn wilden Koalas, die an Krebs erkrankt waren. "Jeder Koala trägt etwa 80 bis 100 vererbte Kopien von KoRV in seinem Genom", berichtet Greenwood laut einer Mitteilung des Forschungsverbundes Berlin. Das Virusgenom fand sich häufig in der Nachbarschaft von Genen, die bekanntermaßen an der Entstehung von Krebs beteiligt sind. Der Einbau des Virus-Erbguts kann die Aktivität dieser Gene verändern und die Bildung von Tumoren begünstigen.
"Jedes Mal, wenn sich ein Retrovirus kopiert und wieder in das Genom einfügt, verursacht es eine Mutation, die möglicherweise die Genexpression stört und für den Wirt schädlich sein könnte", erklärt Greenwood. Obwohl auch andere Faktoren bei Koalas zu Krebs beitragen könnten, erhöhe die Mutationslast endogener Koala-Retroviren wahrscheinlich die Häufigkeit, dass Zellen krebsartig werden und verkürze möglicherweise auch die Entwicklungszeit für Krebs, berichten die Forscher.
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Zwar gehen sie davon aus, dass die Viren mit der Zeit inaktiver und letztlich unschädlich werden, aber dies könne noch Hunderttausende Jahre dauern. "Die unmittelbaren gesundheitlichen Effekte auf eine Art, einschließlich erhöhter Krebsraten, müssen zuerst ausgehalten und überwunden werden", schreiben sie.
Die Weltnaturschutzunion (IUCN) stuft Koalas auf ihrer Roten Liste als gefährdet ein. Dazu tragen neben Krankheiten auch der Klimawandel, die Zerstörung ihres Lebensraums, Verkehrsunfälle und die verheerenden Buschbrände im Sommer 2019/2020 bei.