Weight Cut: Wie gefährlich ist der radikale Gewichtsverlust durch Entwässerung?

Weight Cut: Wie gefährlich ist der radikale Gewichtsverlust durch Entwässerung?Weight Cut: Wie gefährlich ist der radikale Gewichtsverlust durch Entwässerung?

Letzte Änderung:

30.06.2021

Verfasst von

Brit Weirich

• Volontärin

Keine Trenddiät, sondern gang und gäbe im Leistungssport: Durch Entwässern ist es möglich, in nur wenigen Tagen fünf bis zehn Kilogramm Körpergewicht zu verlieren. Aber wie soll das funktionieren? Und wie gefährlich ist der radikale "Weight Cut", der vor allem im Kampfsport und Bodybuilding eingesetzt wird? Ein Profi-Kampfsportler im Interview.

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Inhaltsverzeichnis

Weight Cut: Wie gefährlich ist der radikale Gewichtsverlust durch Entwässerung?

Im Interview: Profi-Kampfsportler Tomas Barrios über seine Erfahrungen mit Weight Cut

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Wie funktioniert ein Weight Cut?

Eines ist klar: Der Gewichtsverlust durch Entwässerung ist immer nur von kurzer Dauer und kein Konzept, das man langfristig anwenden sollte. Beim Weight Cut handelt es sich keinesfalls um eine herkömmliche Diät. Immerhin kann sich in einer so kurzen Zeit am Körperfettanteil kaum etwas ändern. Vielmehr entzieht man dem Körper große Mengen an Wasser.

Dies ist natürlich nur über einen begrenzten Zeitraum möglich, sodass das erreichte Gewicht oder die gewünschte Körperform nie lange anhält – was aber auch gar nicht der Zweck dieser Methode ist. Alles, was zählt, ist dieser kurze Moment auf der Waage. Anschließend wird getrunken und gegessen, was das Zeug hält. So kann es vorkommen, dass Athleten am nächsten Tag schon wieder bis zu drei Kilogramm mehr wiegen.

Aber wie läuft so ein Weight Cut nun konkret ab? Ich durfte dem argentinischen Profi-Kampfsportler Tomas Barrios beim Gewichtmachen (bzw. -verlieren) für einen Wettkampf in China über die Schulter gucken. Von 72 auf 65 Kilogramm in nur sechs Tagen. Das ist durchaus möglich – aber alles andere als gesund.

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Weight Cut: Der Kampf vor dem Kampf

Meist startet der Weight Cut eine Woche vor dem Tag des Wiegens. Die nachfolgende Tabelle gibt die Trinkmenge in den einzelnen Tagen an. Die genaue Trinkmenge richtet sich nach Körpergröße, Gewicht und natürlich nach dem individuellen Ziel. In Tomas‘ Fall sah es folgendermaßen aus:

Trinkmenge pro Tag

Tag 1

8 Liter

Tag 2

6 Liter

Tag 3

4 Liter

Tag 4Weight Cut: Wie gefährlich ist der radikale Gewichtsverlust durch Entwässerung?

1-2 Liter

Tag 5

-

Tag 6

-

Weight Cut: Was steckt dahinter?

Durch das viele Trinken wird die Nierenaktivität angeregt. Der Körper gewöhnt sich also an die extreme Wasserzufuhr und scheidet entsprechend viel Flüssigkeit aus. Viele Athleten konsumieren zusätzlich zu der großen Trinkmenge bis zu 5 Gramm Salz am Tag, da Salz nicht nur Wasser bindet, sondern auch dafür sorgt, dass der Körper trotz der vielen Toilettengänge wichtige Mineralstoffe behält. Auf diese Weise geht mit dem Wasser nicht sämtliche Energie flöten und der Sportler schafft weiterhin sein Trainingspensum.

Dieses besteht in Tomas' Fall aus Cardioeinheiten im Schwitzanzug – mit anschließenden Saunagängen. Schwitzen, Trinken, Toilettengänge, und wieder von vorn. Der ganz normale Alltag eines Kampfsportlers in der Vorbereitungsphase.

Von Tag zu Tag wird nun die Trinkmenge reduziert und am letzten Tag findet dann der eigentliche "Cut" statt. Die Nieren arbeiten weiterhin auf Hochtouren, man kippt aber keine Flüssigkeit mehr nach, wodurch es zum gewünschten Entwässerungseffekt kommt.

Video: So wirkt sich Sport auf das Gewicht aus

Was isst man während des Weight Cuts?

Wie die Ernährung beim Weight Cut aussieht, ist individuell verschieden. Je nachdem, wie viele Kilos purzeln müssen, essen die Athleten während der Entwässerung mal mehr, mal weniger. Insgesamt wird beim Gewichtmachen eine kohlenhydratarme Ernährung empfohlen. Das Gute: Die Kombination aus Protein und Fett sättigt und auch die hohe Trinkmenge füllt den Magen.

Am Tag vor der Waage wartet dann die doppelte Herausforderung: Zum einen hat man den Körper über mehrere Tage an das viele Trinken gewöhnt. Getrunken wird nun nicht mehr, nur die Lippen befeuchtet. Zum anderen darf nun auch kein Salz mehr gegessen werden, was die Lebensmittelauswahl erheblich einschränkt. Beinahe alle verpackten Produkte aus dem Supermarkt enthalten Salz. Möglich wäre zum Beispiel

ein wenig Rind- oder Hühnerfleisch,

ein hartgekochtes Ei,

ein paar Nüsse.

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Für Veganer ungeeignet

Die Ernährung beim Weight Cut ist für

Veganer

beinahe unmöglich: Da Kohlenhydrate verboten sind und in erster Linie Proteine und Fette auf dem Speiseplan stehen, bleibt nicht viel, da Eiweiß aus nicht-tierischen Produkten wie beispielsweise Linsen sehr viele Kohlenhydrate enthalten.

In welchen Sportarten finden Weight Cuts statt?

Kurz: Überall dort, wo es auf das Körpergewicht ankommt und Sportler zu einem Tag X eine ganz bestimmte Kilozahl auf die Waage bringen müssen, um zum Beispiel in der gewünschten Gewichtsklasse antreten zu können oder eine bessere sportliche Leistung abzuliefern. Neben Kampfsportarten wie Boxen, Kickboxen, MMA, Karate, Judo, Taekwondo oder Ringen ist der Weight Cut auch beim Turnen, Ballet, Skispringen, Rudern oder Eiskunstlauf nicht unüblich. Auch beim Bodybuilding und in der Modelwelt ist die Entwässerung beliebt, um kurzzeitig auf der Bühne oder für ein Shooting besonders gut auszusehen.

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Im Interview: Profi-Kampfsportler Tomas Barrios über seine Erfahrungen mit Weight Cut

Onmeda.de: Warum kämpft nicht jeder einfach in seiner Gewichtsklasse? Dann müsste sich niemand dieses Prozedere antun und hätte bestimmt auch mehr Power im Kampf.

Tomas Barrios:

Das ist einfach ein Teufelskreis. Der Start in einer niedrigeren Gewichtsklasse ist natürlich mit größeren Erfolgsaussichten verbunden. Dadurch, dass aber mittlerweile jeder eine Klasse unter seinem Normalgewicht kämpft, geht dieser Plan nicht mehr auf. Trotzdem wäre es gewagt, in einer höheren Gewichtsklasse anzutreten, da man auf diese Weise ja automatisch einen Gegner bekommt, der gute acht bis zehn Kilogramm mehr wiegt. Das Risiko geht niemand ein und solange die Regeln nicht geändert werden, wird sich da nichts tun.Weight Cut: Wie gefährlich ist der radikale Gewichtsverlust durch Entwässerung?

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Wie geht es dir körperlich und mental während des Weight Cuts?

Tomas Barrios:

Gar nicht gut. Das Schlimmste ist für mich der Tag vor der Waage, da der Körper an diese riesige Trinkmenge gewöhnt ist. Trotz Durst nur die Lippen zu befeuchten, ist einfach hart. Dazu kommen natürlich die Saunagänge und Cardio-Einheiten. Der ganze Körper fühlt sich schlapp an und manchmal habe ich das Gefühl, ich kann mich durch den Wassermangel kaum auf meinen bevorstehenden Kampf konzentrieren. Die eigentliche Challenge ist der Weight Cut. Ist der Kampf gegen die Waage erst einmal gewonnen, fühle ich mich immer total erleichtert und eine große Last fällt von mir ab. Immerhin setzt es einen auch unter Druck, innerhalb so kurzer Zeit ein bestimmtes Gewicht erreichen zu müssen.

Hast du das Gefühl, deinem Körper damit zu schaden?

Tomas Barrios:

Kurzfristig auf jeden Fall, denn ich merke, wie schwach ich mich während des Weight Cuts fühle. Mir ist

schwindelig

und

übel, ich fühle mich zittrig und bin außerdem richtig mies gelaunt. Obwohl ich versuche, in den ersten Tagen viel Salz zu mir zu nehmen, verliert man zwangsläufig wichtige Nährstoffe. Was mir auch aufgefallen ist: Ich bin in dieser Phase viel anfälliger für Krankheiten. Letztes Mal habe ich mir zum Beispiel eine Augeninfektion eingefangen. Das

Immunsystem

fährt einfach runter.

Würdest du ohne Weight Cut bessere Leistungen bringen können?

Tomas Barrios:

Ich denke schon. Nach der Waage trinke ich erst einmal drei bis vier Liter und esse anschließend unverhältnismäßig viel. Das überfordert den Körper. Man müsste den Wiegetag auf den Kampftag verlegen, damit das Gewichtmachen in dieser heftigen Form ein Ende hat. Darüber wurde schon häufig diskutiert, vor allem seit dem Tod einer jungen Australierin, die an den Folgen eines Weight Cuts gestorben ist. Leistungssport ist nun mal hart, was viele gar nicht mitbekommen. Hinter jedem sportlichen Erfolg steckt aber eine Menge hartes Training und leider auch fragwürdige Praktiken wie eben das Gewichtmachen.

Tomas, ich danke dir für dieses Gespräch.

Fazit: "Schlank im Schlaf" ist also möglich, aber...

Viele Kilos innerhalb weniger Tage zu verlieren ist mithilfe eines Weight Cuts durchaus machbar. Man sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass immer nur eine kurzfristige Gewichtsabnahme erreicht werden kann, da man nicht an Fett, sondern an Wasser verliert. Deshalb ist diese Methode wirklich nur für Leistungssportler sinnvoll, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Gewicht auf die Waage bringen müssen. Für diejenigen, die eine langfristige Gewichtsabnahme anstreben, kommt der Weight Cut also nicht infrage.

Lesetipp: Wie riskant ist die Nulldiät?

Generell sollten sämtliche Diätmaßnahmen im Leistungssport natürlich individuell auf den Energie- und Nährstoffbedarf des Sportlers abgestimmt sein und im besten Fall vom Verbandsarzt begleitet und kontrolliert werden. Auch regelmäßige

Blutanalysen

können Aufschluss über Mineral- und Nährstoffmängel geben.

Online-Informationen der BZgA: www.bzga.de

(Abrufdatum 1.2.2121)

Online-Informationen des Deutschen Boxsport-Verbands e. V.: www.box-sport-verband.de (Abrufdatum: 1.2.2021)

Interview mit Profi-Kampfsportler Tomas Barrios (30.7.2020)

Letzte inhaltliche Prüfung:

31.07.2020

Letzte Änderung: 30.06.2021