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Ob Covid-19, Influenza, Pest oder Aids: Fast zwei Drittel aller Infektionskrankheiten des Menschen sind Zoonosen – sie stammen ursprünglich aus dem Tierreich. Welche Tiergruppen und Arten dabei besonders viele Viren mit uns teilen, hat nun ein Forscherteam am Beispiel von 142 zoonotischen Viren untersucht. Demnach bergen Nagetiere, Fledermäuse und Primaten mit Abstand die meisten dieser auch den Menschen befallenden Erreger in sich. Betrachtet man jedoch einzelne Tierarten, teilen unsere Haus- und Nutztiere die meisten Viren mit uns, gefolgt von Hausmäusen und Ratten. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass vor allem die Arten zoonotische Viren tragen, die häufig sind, sich an die menschliche Umgebung angepasst haben und – im Fall der Primaten – die eng mit uns verwandt sind.
Die meisten Erreger unserer Infektionskrankheiten – egal ob Viren, Bakterien oder parasitische Einzeller, haben sich zunächst in einem Tier entwickelt und sind dann auf den Menschen übergesprungen. Möglich wird dies, wenn die Krankheitserreger beispielsweise Mutationen ausbilden, die ihnen den Befall dieses neuen Wirtes ermöglichen. Bei neu auftretenden Krankheiten, den sogenannte Emerging Diseases, liegt der Anteil solcher Zoonosen sogar bei 75 Prozent. Sie treten vor allem dort auf, wo Mensch und Tier in engem Kontakt beieinander leben – beispielsweise in der bäuerlichen Nutztierhaltung, beim Handel und Verkauf von Wildtieren oder bei der Jagd. Gefährlich wird es zudem überall dort, wo wir Menschen in zuvor unberührte Gebiete eindringen oder den Lebensraum von wilden Tieren zerstören. Denn dies schafft neue Kontakte zwischen Mensch und Wildtier, die auch Erregern die Chance zum Überspringen bieten.
Nagetiere, Fledermäuse und Primaten
Welche Tiere besonders risikoträchtig sind, weil sie Zoonose-Viren in sich bergen, haben nun Christine Johnson von der University of California in Davis und ihre Kollegen untersucht. Für ihre Studie werteten sie Daten zur Verbreitung von 142 Virenarten aus, die beim Menschen und im Tierreich verbreitet sind und ermittelten, welche Tierarten wie viele dieser Zoonose-Viren tragen. Zusätzlich untersuchten sie, welche Rolle die globale Häufigkeit einer Tiergruppe, ihr Gefährdungsstatus und die Art der Gefährdung für die Mengen der von diesen Tieren verbreiteten Viren spielt. „Die Übertragung von Vieren vom Tier auf uns ist die direkte Folge unserer Handlungen gegenüber Wildtieren und ihrem Habitat“, erklärt Johnson. „Diese Handlungen bedrohen das Überleben der Tierarten und erhöhen gleichzeitig das Risiko für einen Spillover.“ Zusätzlich zu Wildtieren nahmen die Forscher aber auch Haus- und Nutztiere in ihre Analyse auf, denn mit diesen haben wir Menschen den engsten Kontakt.
Die Auswertung ergab, dass nur drei Tiergruppen mehr als 75 Prozent aller bislang beschrieben zoonotischen Viren in sich bergen: Nagetiere, Fledermäuse und Primaten. Ihnen folgen dann Paarhufer sowie zu den Carnivora gehörende Raubtiere. Die Dominanz von Nagern, Fledermäusen und Primaten unter den potenziellen Virenüberträgern ist aus mehreren Gründen kein Zufall, wie die Forscher berichten. Zum einen gehören diese Gruppen zu den arten- und individuenreichsten unter allen Säugetieren: „Diese Ordnungen repräsentieren zusammen 72,7 Prozent aller terrestrischen Säugetierarten“, so Johnson und ihre Kollegen. Zum anderen sind viele Vertreter vor allem der Nagetiere und Fledermäuse Kulturfolger: Sie leben im Umfeld menschlicher Siedlungen, In Städten und auch in landwirtschaftlich geprägten Gebieten. „Dies ermöglicht diesen Tierarten direkten und indirekten Kontakt mit ähnlich angepassten Wildtieren, mit domestizierten Tierarten und auch dem Menschen“, erklären die Wissenschaftler. Fledermäuse gelten zudem als Reservoire besonders virulenter Viren – auch das Coronavirus Sars-CoV-2 entwickelte sich ursprünglich in einer Fledermaus. Primaten wiederum sind eng mit uns Menschen verwandt, was viralen Erregern den Sprung über die Artbarriere erleichtern kann.
Haus- und Nutztiere teilen die meisten Viren mit uns
In einem weiteren Schritt haben Johnson und ihr Team untersucht, welche einzelnen Tierarten die meisten zoonotischen Viren in sich tragen. Dabei zeigte sich, dass die durchschnittliche Virenvielfalt in domestizierten Haus- und Nutztieren im Schnitt bei 19,3 Virenarten lag, bei Wildtieren dagegen nur bei 0,23 Viren. „Die Top zehn Säugetierarten mit der höchsten Zahl an mit dem Menschen geteilten Viren umfasst acht domestizierte Arten: Schweine, Rinder und Pferde mit jeweils 31 zoonotischen Viren, Schafe mit 30 Virenarten, Hunde mit 27, Ziegen mit 22, Katzen mit 16 und Kamele mit 16 zoonotischen Viren“, berichten die Forscher. „Die einzigen Wildtiere unter den Top Ten waren die Hausmaus und die Wanderrate mit 16 beziehungsweise 14 zoonotischen Viren.“ Beide Nagetiere sind jedoch enge Kulturfolger des Menschen und werden zudem weltweit in großem Maße als Labortiere und auch Haustiere gehalten. Die zentrale Rolle der domestizierten Tierarten stützt auch eine Netzwerkanalyse, in der Johnson und ihr Team die Verteilung der verschiedenen Viren über die Tierarten visualisierten. Dies ergab, dass die Haus- und Nutztiere zentrale Position in diesem viralen Übertragungsnetz innehaben. „Viren in domestizierten Spezies werden nicht nur häufiger mit anderen domestizierten Arten geteilt, sondern auch mit Wildtieren“, erklären die Forscher.
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Am anderen Ende des Spektrum potenzieller Virenträger stehen dagegen seltene und akut gefährdete Tierarten. Für sie seien bislang kaum potenziell übertragbare und mit dem Menschen geteilte Viren bekannt, wie die Wissenschaftler berichten. Allerdings betonen sie auch, dass dies in nicht geringem Maße damit zusammenhängen kann, dass man viele seltene Tierarten bisher schlicht nicht daraufhin untersucht hat. Denn auch andere Studien haben schon festgestellt, dass nur ein Bruchteil der in Tieren vorkommenden Viren bislang überhaupt erfasst und beschrieben ist. „Zusammenfassend stützen unsere Ergebnisse die Annahme, dass häufige Säugetierarten mehr Viren mit uns Menschen teilen als weniger häufige Spezies“, sagen Johnson und ihr Team. „Gleichzeitig vermuten wir, dass der Artsprung von Pathogenen oft unbemerkt stattfindet.“ Bemerkt werde nur der Bruchteil dieser Übertragungen, der zu größeren Ausbrüchen in der menschlichen Bevölkerung führe.
Quelle: Christine Johnson (University of California ,Davis) et al., Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, doi: 10.1098/rspb.2019.2736
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© wissenschaft.de - Nadja Podbregar
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