Bernsteinaugen, so treu, so lieb. Und so hungrig. Sagen Sie da mal „Nein, du bekommst jetzt nichts“, wenn der Hund so schaut. Ein Leckerli hier, eine kleine Belohnung da, nur ausnahmsweise selbstverständlich – schon hat der Vierbeiner zu viel auf den Rippen. Aber wie viel ist denn zu viel? Und wie kriegen die Tiere das wieder runter? Das weiß Tierärztin Dr. Cornelia Rückert. Sie arbeitet beim Sächsischen Kontrollverband in Lichtenwalde und hat sich auf Ernährungsberatung und Diätetik spezialisiert.
Frau Dr. Rückert, die Menschen werden immer dicker. Ihre Tiere auch?
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Für sie gilt das fast im ähnlichen Maß. Man sagt, ein Drittel bis sogar die Hälfte aller in menschlicher Obhut gehaltenen Tiere sind übergewichtig, vor allem Hunde und Katzen. Es gibt sogar Tiere, die adipös sind. Sie haben massive gesundheitliche Probleme, können nur schwer laufen. Es kann zu Achsenfehlstellungen der Gliedmaßen kommen, weil die Körperproportionen nicht mehr stimmen.
Abgesehen von solchen offensichtlichen Fällen: Woran stelle ich fest, dass mein Haustier zu dick ist?
Zum einen kann man den Body Condition Score (BCS) anwenden. Der zeigt die Körperform des Hundes oder der Katze als Idealbild, und man kann vergleichen, inwieweit die meines Tieres davon abweicht. Ist zum Beispiel die Bauchlinie des Hundes nicht leicht nach hinten hochgezogen, sondern verläuft waagerecht – oder hängt der Bauch nach unten durch, ist das Tier zu dick. Bei langhaarigen Tieren, bei denen man die Konturen nicht gut sehen kann, legt man die Hand auf die Rippen. Kann man die problemlos fühlen oder bei kurzhaarigen Tieren die letzten beiden Rippen in Bewegung auch sehen, dann ist das Tier idealgewichtig. Je länger ich sie suchen und je mehr ich mich durch eine Speckschicht durchkämpfen muss, desto schlimmer ist es mit dem Übergewicht bestellt.
Ist dieser BCS vergleichbar mit dem Body-Mass-Index beim Menschen?
Nicht direkt, da er beim Menschen nach Gewicht und Körpergröße berechnet wird. Das ist beim Hund oder der Katze durch die verschiedenen Rassen nicht so einfach möglich. Der BCS ist das Optische: Wie sieht der Hund oder die Katze aus, wie erscheint die Körperlinie und wie kann ich gewisse Knochenvorsprünge ertasten. Was das eigene Tier angeht, haben manche eine verzerrte Wahrnehmung. Da ist es gut, sich eine objektive Meinung von außen zu holen. Eine gute Möglichkeit der Überwachung ist, das Körpergewicht des Tieres zu kennen und zu beobachten.
Gibt es eigentlich auch übergewichtige Aquarienfische oder Wellensittiche?
Die gibt es tatsächlich. Vor allem bei den Ziervögeln ist das durchaus ein häufiges Problem. Viele bekommen Sämereimischungen zur freien Verfügung in den Käfig. Die enthalten viele fettreiche Samen, die den Tieren schmecken. Dazu kommt die Haltung in sehr kleinen Käfigen mit vielleicht nur einer Stunde Freiflug pro Tag. Wir sehen vor allem viele dicke Wellensittiche. Sie haben am Brustbein ein deutliches Fettpolster, das gern beim Sitzen über die Holzstange hängt. Es gibt aber auch zu dicke Fische – wenn man ihnen mehr füttert, als sie an Energie umsetzen können. Das Prinzip ist immer das Gleiche.
Was passiert mit meinem Tier, wenn es zu dick bleibt?
Grundsätzlich hat es genauso ein erhöhtes Krankheitsrisiko wie der Mensch. Herz-Kreislauf-Erkrankungen können verstärkt auftreten, die Neigung zu verschiedenen Krebsarten wie Gesäugetumore, Karzinomen oder Tumoren an inneren Organen steigen nachweislich. Ein großes Problem sind die Beschwerden mit dem Bewegungsapparat, die die Lebensqualität stark reduzieren. Studien sagen, dass übergewichtige Hunde zwei Jahre kürzer leben. Das ist vergleichbar mit zehn Menschenjahren.
Wie ist das bei Katzen?
Übergewichtige Katzen bilden zu den eben genanten Problemen häufig einen Diabetes mellitus Typ 2 aus, den auch übergewichtige Menschen haben. Der geht aber in der Regel zurück, wenn die Katze abnimmt.
Wie äußert sich der Diabetes?
Die Katzen sind schlapper, trinken und pinkeln viel. Feststellen lässt sich die Krankheit durch eine einfache Blutzuckermessung oder eine Glukosemessung im Harn.
Nun sind Hunde ja für ihre Verfressenheit bekannt. Gibt es auch welche, die Futter liegen lassen?
Das ist sehr unterschiedlich. Bestimmte Rassen wie der Beagle oder der Labrador Retriever würden fressen, bis sie nicht mehr können, manchmal auch Unfressbares. Es gibt aber auch individuelle Hunde oder Rassen, die ein gewisses Sättigungsgefühl haben. Das wäre zum Beispiel der Irish Setter. Der hört auf, wenn sein Energiebedarf gedeckt ist. Die meisten Hunde würden sich aber wahllos überfressen, wenn sie immer Futter zur Verfügung hätten, inklusive meinem.
Haben Katzen sich besser im Griff?
Ja, einige. Durch ihr ursprüngliches Jagdverhalten sind sie darauf geprägt, mehrere kleine Portionen am Tag zu fressen. Die Besitzer können den gefüllten Napf einfach stehen lassen. Es gibt aber auch die Labradore unter den Katzen, denen man das Futter strikt rationieren muss. Hinzu kommt Bewegungsmangel bei Wohnungskatzen.
Wie viele Leckerlis darf ein Hund oder eine Katze pro Tag denn bekommen?
Das ist schwierig zu beantworten. Aufpassen sollte man bei den Trockenkauartikeln wie Schweine- oder Rinderohren. Die fühlen sich nach nicht viel an und eignen sich scheinbar als praktischer Snack zwischendurch. Aber sie sind Energie- und Proteinbomben. Die sollte man bei täglicher Verfütterung von der Gesamtration abziehen. Bei den Leckerchen stehen meist Fütterungsempfehlungen auf der Packung.
Kann man diesen Angaben trauen? Die Industrie will doch Umsatz machen.
Das stimmt. Wenn die Maximalanzahl von zehn Leckerchen pro 20 Kilo Hund stehen, ist man gut beraten, nur fünf zu füttern. Höhere Mengen sollten unbedingt in die Tagesfutterration einkalkuliert werden.
Was ist beim Futterkauf zu beachten?
Man kann sich an den deklarierten Nährstoffen orientieren: Wie viel Protein und Fett ist enthalten? Dafür gibt es Richtwerte. Es sollte auch nicht zu viel Getreide enthalten sein. Denn Stärke ist ein sehr hochwertiger Energielieferant. Der Energiegehalt muss nicht deklariert werden und steht meist nicht auf der Packung. Man sollte ihn aber kennen und berechnen. Dabei helfen Futtermengenrechner im Internet.
Hundebesitzer diskutieren viel über das Barfen als Fütterungsmethode. Was geben sie ihren Tieren zu fressen?
Sie orientieren sich am natürlichen Nahrungsspektrum des Wolfes. Es werden viel Fleisch, Schlachtabfälle, Innereien, knorpeliges Gewebe gefüttert, in der Regel roh. Der Hund erhält fleischige Knochen, als vegetarische Komponente ein bisschen Obst und Gemüse. Ergänzt wird das je nach Gusto mit einem Ei, Nüssen oder Milchprodukten, Öl. Man geht davon aus, dass der Hund ein Wolf ist und sich entsprechend ernähren muss. Das stimmt so leider nicht mehr.
Warum?
Weil der Hund sich in den letzten 10.000 Jahren sehr stark vom Wolf wegbewegt hat. Für ihn war es ein ganz wichtiges evolutionäres Kriterium, sich an das Nahrungsspektrum des Menschen anzupassen. Noch vor 100 Jahren war Fleisch Mangelware, die mit Sicherheit nicht der Hofhund bekommen hat, sondern der Mensch. Hunde haben Schlachtabfälle bekommen und sonst kohlenhydratreich gelebt. Sie haben sich von ihrer Verdauungskapazität und Enzymausstattung gut darauf angepasst.
Also ist das Barfen gar nicht so empfehlenswert?
Ich würde es nicht generell ablehnen. Aber man muss sich sehr genau belesen, bestenfalls beraten lassen. Denn viele Barfrationen – ich habe viele Hunderte durch meine Arbeit in der Ernährungsberatung überprüft – sind nicht bedarfsdeckend. Vielfach gibt es große Defizite bei den Vitaminen und Spurenelementen. Man sollte auch beachten, dass die Fütterung von rohem Fleisch ein gewisses mikrobielles Risiko birgt, Salmonellen zum Beispiel sind nicht zu vernachlässigen.
Sind Snacks wie Joghurtdrops für Nager, Katzenmilch oder Zahnreinigungsstäbchen für Hunde sinnvoll?
Die drei Beispiele muss man differenzieren. Katzenmilch ist laktosefrei, Katzen vertragen normale Kuhmilch nicht. Die kann man geben, darin sehe ich kein Problem. Die Zahnreinigungssticks für Hunde sind grundsätzlich kein hochqualitatives Futtermittel, richten aber auch keinen Schaden an. Meist sind hohe Fasergehalte drin, die eine mechanische Abriebwirkung am Zahn haben sollen. Die Joghurtdrops für Nager aber sind ein Futtermittel, das in kein Kaninchen oder Meerschweinchen gehört. Sie sind reine Pflanzenfresser, die keine Verdauungskapazität für Milchprodukte haben. Weil die Drops Fett und Zucker enthalten, fressen sie sie trotzdem gern, aber sie sind völlig ungeeignet. Mäuse und Ratten können das aber verkraften.
Wie kommt der verfressene Hund denn von seinen Kilos wieder runter?
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Wichtig ist eine Kombination aus Bewegungsprogramm und angepasster Fütterung. Abrupte Start-Stopp-Spiele sind ungünstig, weil dabei die durch das Gewicht schon vorbelasteten Gelenke kaputtgemacht werden. Besser ist schwimmen, joggen gehen oder ausgedehntere Spaziergänge. Ideal ist es, wenn ein Tierphysiotherapeut das Bewegungsprogramm begleitet. Anfangs neigt der Körper wie beim Menschen dazu, Muskelmasse und nicht Fettgewebe abzubauen. Das Futter sollte daher einen moderat erhöhten Protein- aber einen niedrigeren Energiegehalt haben. Diätfutter haben zudem hohe Fasergehalte, um dem Tier ein Sättigungsgefühl zu vermitteln. Wer einen besonders hungrigen Hund hat, kann Trockenfutter in Wasser einweichen oder Nassfutter verfüttern, um das Volumen zu erhöhen. Als Snacks zwischendurch eignen sich Möhren oder Gurken.
Tipp:
Einen Futtermengenrechner finden Sie hier