Legehennen sind echte Hochleistungsarbeiter. In den Betrieben müssen sie ein Ei pro Tag legen, um nicht aussortiert zu werden. Ihr Leben endet in der Regel nach eineinhalb Jahren beim Schlachter. Auf manche Althennen wartet aber auch ein Hühner-Pate.
Für seine Hühner ist Nic Dilger ein Lebensretter. Der 17-Jährige kümmert sich auf einem kleinen Gut am Bodensee um rund 120 der Tiere. An die grünen Wiesen und die frische Luft dort mussten sich die Tiere erst gewöhnen. Denn viele seiner Legehennen kommen aus landwirtschaftlichen Betrieben, in denen Enge und Hochleistung angesagt waren. Dort hätte ihr Leben schon längst geendet.
Denn die Hennen sind im fortgeschrittenen Alter nicht mehr so produktiv, wie die Landwirtschaft das gerne hätte. Etwa nach eineinhalb Jahren lässt ihre Legeleistung nach. Sprich: Sie legen dann nicht mehr ein Ei pro Tag. Dann werden sie in der Regel geschlachtet und zu Suppenhühnern, Brühwürfeln oder auch zu Tierfutter verarbeitet.
Dilgers Hühner dagegen dürfen auf seinem „Gütle“ bei Tettnang toben, picken und gackern. Zwei bis drei Stunden täglich ist der Auszubildende mit der Pflege der Tiere beschäftigt. Hilfe gibt es dabei von der Familie. Für ihn sei die Hühnerhaltung ein Hobby, das sich auch gut mit dem Teenie-Leben vereinbaren lasse, sagt er. „Das mache ich schon so lange, dass ich es gar nicht anders gewohnt bin.“
Vermittelt werden die Tiere durch den Verein «Rettet das Huhn». Dessen Mitglieder kümmern sich seit 2007 bundesweit um ausrangierte Legehennen, sammeln sie bei kooperierenden Landwirten ein und geben sie an Hühner-Paten weiter. „Die müssen sich bewerben und zeigen, dass sie die Hühner artgerecht halten können“, sagt Ellen Maria Ernst, die im Vorstand des Vereins sitzt und selbst ein paar Hühner hält.
„In der Regel sind das Leute, die ein Herz für Hühner haben“, so Ernst. Es gebe nur wenige schwarze Schafe unter den Bewerbern. Der Verein habe bisher mehr als 86 000 Hühner vor dem Schlachter bewahrt. Jährlich würden rund 12 000 dazu kommen.
Die Lebenserwartung nach der Rettung liege bei ein bis drei Jahren. Doch jeder Tag in Freiheit zähle. Die Massentierhaltung hinterlasse Spuren bei den Tieren. Oft seien sie ausgezehrt oder ihnen fehlten an vielen Stellen die Federn. „Eines meiner Hühner musste eine Art Pullover tragen, weil es fast nackt war“, sagt Dilger. Das Tier sei im Sommer gestorben.
Hühner seien eigentlich Waldrandbewohner und hätten einen enormen Bewegungsdrang, sagt Jutta van der Linde von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Die 58-Jährige ist Geflügel-Expertin und berät in Sachen artgerechter Tierhaltung.
„Steinchen umdrehen, Würmchen finden und ihre Umgebung erkunden: Wenn die Tiere das nicht machen können, stellt sich ein Frustrationsverhalten ein“, sagt sie. Die meisten Legehennen in Deutschland würden in Bodenhaltung leben. „Kommen Althennen aus einer Bodenhaltung in einen Freilandstall, sollten sie langsam an die grüne Wiese gewöhnt werden“, rät van der Linde.
In Deutschland werden zwischen 40 und 50 Millionen Hühner zum Zweck der Eierproduktion gehalten. Rund 30 Millionen werden laut dem Deutschen Bauernverband jedes Jahr geschlachtet. Legehennen wurden hauptsächlich für die Eierproduktion gezüchtet. Masthühner dagegen sollen Fleisch liefern.
Seit 2010 dürfen die Tiere nicht mehr in Legebatterien gehalten werden. Pro Quadratmeter sind neun Hennen in der Bodenhaltung zugelassen. Bei der Freilandhaltung sieht es ähnlich aus, nur dass die Tiere tagsüber auch mal raus dürfen. In der Bio-Haltung haben die Tiere auch Auslauf, zudem sind hier nur sechs statt neun Hennen pro Quadratmeter zugelassen.
Für Nic Dilger und „Rettet das Huhn“ ist keine Form der Eierproduktion tiergerecht und damit hinnehmbar. „Sogar ein Bio-Ei bedeutet Leid“, sagt Ernst. Stattdessen solle man bei Höfen die Eier kaufen, bei denen man die Hühner auf dem Feld sieht oder eben einfach weniger Eier essen.
Laut Deutschem Bauernverband werden im Jahr pro Kopf 236 Eier verzehrt. Beim Einkauf im Supermarkt greife der Verbraucher dabei zu 50 Prozent zu den günstigen Bodenhaltungseiern, zu 34 Prozent zu Freiland und nur zu 16 Prozent zu Bio-Eiern, erklärte Generalsekretär Bernhard Krüsken. Die deutsche Landwirtschaft habe ihre Standards zum Wohl der Tiere kontinuierlich verbessert.
Das Wort Massentierhaltung hört der Bauernverband nicht gerne. Es sei ein Kampfbegriff aus der Tierrechtsszene, sagt Krüsken. „Tiergesundheit und Tierwohl haben nichts mit der Größe eines Stalles, sondern mit dessen Ausstattung und vor allem dessen Management zu tun.“ Die heutige Nutztierhaltung biete wesentlich mehr Tierkomfort - gerade in der Legehennenhaltung sei Deutschland EU-weiter Vorreiter beim Ausstieg aus der Käfighaltung gewesen.
Dilger und seine Familie haben ihr Konsumverhalten seit der Hühnerhaltung komplett geändert, wie der 17-Jährige erzählt. „Wir essen nur unsere eignen Eier, Hühnchenfleisch kann ich gar nicht mehr essen.“ Ein paar Eier verkauft der angehende Landwirt auch vor der eigenen Haustür. Seit mehr als einem Jahr hat er einen eigenen Eierstempel. Künftig will er sich auch bei „Rettet das Huhn“ engagieren. (dpa)