Hunde retten Koalas in Australien: Universität bildet Spürhunde aus

16.03.2020, 05:00 Uhr

Ein australisches Universitätsteam bildet Artenspürhunde aus, um verletzte Koalas aus den Buschfeuern zu retten. Die Hunde können Tiere aufspüren, die Menschen alleine nie finden würden. Mehr als zehn Koalas konnten schon gerettet werden.

Von Dr. Bianca Klement

Der Qualm ist so dicht, dass er die Sonne vernebelt, die nur noch als milchige Scheibe am Himmel erkennbar ist. In schnellen Schritten eilt ein Koala über die Straße. Der schwarze Asphalt ist heiß. Auf der anderen Seite angelangt, marschiert der Beutelsäuger auf einen Baum zu. Sein Fell ist angesengt. Der Stamm, nach dem er greift, ist verkohlt ­genau wie der Boden unter den Pfoten des Tieres. Rundherum züngeln grellorange Flammen zwischen dunklen Zweigen hindurch und beißen sich durch den Rauch.

Tausende Bilder wie dieses gingen in den vergangenen Monaten um die Welt. Bilder von Tieren auf der Flucht, verbrannt im Aschefeld oder gierig aus den Wasserflaschen von Feuerwehrmännern trinkend. Herzzerreißende Szenen, die einem die Brust zuschnüren. Australien, die Heimat der Koalas, wurde zum Schauplatz einer ökologischen Katastrophe, deren Folgen noch nicht absehbar sind. Seit Beginn der sogenannten Buschbrandsaison im September sind mehr als 8,4 Millionen Hektar Land verbrannt, zusammengenommen eine Fläche, die größer ist als Österreich. Der Ökologie-Professor Christopher Dickman von der Universität in Sydney schätzt, das bislang mehr als eine Milliarde Tiere in den Flammen gestorben sind, darunter Tausende Koalas. Doch es gibt Lichtblicke, die Hoffnung machen. Bear ist so ein Hoffnungsträger.

Alle Hunde des Rettungsteams kommen aus dem Tierheim

Der etwa sechs Jahre alte Australian-Koolie-Mix ist ein ausgebildeter Koalaspürhund und darauf trainiert, lebende Koalas zu finden. Der grau-weiß-schwarz gescheckte Mischling mit den eisblauen Augen hat eine Leidenschaft, die ihn zum idealen Artenspürhund macht: Er ist verrückt nach Tennisbällen. "Bear hat eine regelrechte Zwangsstörung", erzählt Josey Sharrad vom International Fund for Animal Welfare, IFAW, in Sydney. Die Tierschutzorganisa­tion unterstützt das Artenspürhundprojekt der Universität der Sunshine Coast, USC, und sponsert Bear. "Er ist total besessen davon zu spielen. Dieser wirklich extreme Spieldrang macht ihn nicht unbedingt zu dem besten Haustier, aber zum idealen Spürhund. Alles, was er will, ist spielen, arbeiten und gefallen. Seine Belohnung ist sein Ball, für den er einfach alles tun würde."

Bear gehört zu den fünf Hunden des Detection Dogs for Conservation Projects, also Spürhunde für den Umweltschutz, der USC, etwa neunzig Kilometer nördlich von Brisbane. Das Projekt wurde 2015 unter anderem von Dr. Romane Cristescu gegründet. Jeder einzelne Artenspürhund der Universität kommt aus dem Tierheim. "Es gibt so viele Hunde, die ein Zuhause suchen. Ich finde, wenn man einen Hund retten kann, dann sollte man das auch tun. Außerdem brauchen wir für unsere Arbeit Tiere mit sehr viel Energie und einem ausgeprägten Spieltrieb. Allerdings dürfen sie keinen Beutetrieb haben. Einen Hund, der jagen und erlegen will, können wir nicht brauchen. So traurig es ist: In Tierheimen gibt es eine große Auswahl und wir haben dort gute Chancen, den passenden Hund zu finden."

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"Wir können es uns nicht leisten, die Tiere nicht zu finden."

Romane Cristescu ist studierte Tierärztin und Ökologin. Die gebürtige Französin entwickelt in ihrer Wahlheimat Australien neue Naturschutzmethoden unter Einbeziehung von Hunden. Einer ihrer Schwerpunkte liegt auf dem Schutz und der Erforschung von Koalas. Die fünf Hunde des Instituts helfen dabei, die wilden Baumbewohner aufzuspüren und wichtige Daten zu sammeln. Die Wissenschaftlerin hat in diversen Untersuchungen festgestellt, dass ihre Tierheimhelden Menschen haushoch überlegen sind, wenn es darum geht, bestimmte Wildtiere zu finden.

"Unsere Hunde werden dafür ausgebildet, sehr scheue Tiere aufzuspüren, die sich gut im Busch verstecken können. Wir Menschen sind nicht gut darin. Wir erforschen bedrohte Arten, um mehr über sie zu erfahren und sie zu schützen. Wir können es uns nicht leisten, die Tiere nicht zu finden. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, um sie zu retten", sagt die Ökologin. Zwar helfen die Hunde der USC alle bei der Koala-Forschung, doch jeder hat ein anderes Spezialgebiet. Romane erklärt, dass es manchmal wichtig sei, alte Koala­exkremente zu suchen, weil sie Aufschluss über die Dichte der Population geben. Anhand frischer Hinterlassenschaften wiederum lässt sich erkennen, ob sich noch vor Kurzem Koalas in einem Gebiet aufgehalten haben, zudem eignet sich der frische Kot für Genanalysen. So können die Wissenschaftler erkennen, ob es sich um ein Weibchen oder ein Männchen handelt oder ob Krankheiten vorliegen. Das Symboltier von Down Under leidet häufig unter Chlamydien.

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Die aufgespürten Tiere werden mit einem Sender versehen

Während also fast alle Hunde im Team Koalakot aufstöbern können, ist jedoch nur Bear in der Lage, auch lebende Koalas zu erschnüffeln. Seit drei Jahren ist der quirlige Kooliemix jetzt als Artenspürhund im Einsatz. "Bear hilft, die Tiere aufzustöbern, die dann mit einem Sender ver­sehen werden können. Er wird aber auch eingesetzt, um verletzte Koalas zu finden", erklärt Romane. Neben Koalas ist Bear auch in der Lage, Beutelmarder zu finden. Die etwa katzengroßen, getüpfelten Raubtiere ähneln hochbeinigen Wieseln und gelten als gefährdete Art. Vor den Buschbränden patrouillierte Spürnase Bear auf einer Windfarm, um die Beuteltiere zu finden. Als auf dem Gelände gebaut wurde, konnten dank ihm die seltenen Bewohner rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden.

Die Arbeit in den Brandgebieten ist Bears jüngste und wohl bislang wichtigste Aufgabe. Die Feuer haben nicht nur Tausende Koalas getötet, sie haben die Spezies in manchen Gebieten an den Rand der Ausrottung gebracht. Die Uhr tickt. Denn selbst wenn Koalas mit Brandverletzungen und Rauchvergiftungen wochenlang überleben können, finden sie in den schwarzen Aschewüsten kaum Futter und Wasser. "Die Tiere hat es schlimm erwischt, also haben wir uns gedacht: Warum nehmen wir nicht Bear und schauen, ob wir Überlebende finden?", so Josey Sharrad. "Was Bear macht, ist ein Lichtblick in dieser dunklen Zeit. Ein Tier, das versucht, ein anderes Tier zu retten, das gibt Hoffnung."

Hunde können riechen, was der Mensch nicht sehen kann

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Die IFAW-Aktivistin lebt in den Blue Mountains, knapp zwei Stunden von Sydney entfernt. Die Region ist bekannt für ihre üppige Natur, duftende Eukalyptuswälder und eine außergewöhnliche Artenvielfalt. Doch die Flammen sind auch bis in dieses Naturparadies vorgedrungen. Von ihrem Fenster aus konnte Josey über Wochen den schwarzen Rauch beobachten, der unheilvoll am Horizont waberte. Für den Notfall hat sie noch immer eine Tasche gepackt. "Es ist einfach schrecklich. Dies sind die Feuer, vor denen wir uns lange gefürchtet haben. Die Brände haben so viele Tierleben, vor allem das der Koalas gefordert", sagt sie und holt tief Luft. Für einen Moment hält sie inne. "Wir befürchten, dass wir Tausende für immer verloren haben." Josey ist stolz, dass er zum Team gehört, und ist immer wieder beeindruckt von Bears Fähigkeiten. "Er ist ein Natur­talent. Er wurde dazu geboren, Koalas aufzuspüren."

Selbst unter idealen Bedingungen ist es für Wissenschaftler und Tierschützer schwierig, Koalas zu finden. "Sie verstecken sich hoch oben in den Bäumen und sind durch ihr Fell extrem gut getarnt. Selbst Profi-Koala-Spotter verfehlen bis zu achtzig Prozent. Also kamen wir auf die Idee, einen Hund dafür auszubilden. Hunde haben einen unschätzbaren Vorzug: Sie riechen, was wir nicht sehen können. Ihr Geruchssinn ist zehntausendmal besser als der von Menschen", erklärt Josey. "Die meisten Artenspürhunde sind darauf trainiert, Exkremente zu finden. Koalafell aufzuspüren ist sehr viel schwieriger. Es gibt vielleicht eine Handvoll Hunde im ganzen Land, die das können."

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Damit dem Spürhund nichts passiert, trägt er Schutzstiefelchen an den Pfoten

Bear ist zwar ein Ausnahmetalent, doch auch für ihn ist die Suche in den verkohlten Wäldern eine anspruchs­volle Aufgabe. "Der Geruch der Asche ist sehr stark, dazu kommen der Wind und die Hitze. All das macht es unglaublich schwer für Bear und den Rest des Teams", sagt Josey. Bear wird ausschließlich in Gegenden eingesetzt, die als ­sicher erklärt wurden. In ein aktives Brandgebiet zu gehen, wäre viel zu gefährlich. Damit er sich auch garantiert nicht die Pfoten verbrennt, trägt der Mischling Schutzstiefelchen. Im Einsatz leitet er die Suche, die Menschen folgen ihm. Doch über Wochen fanden die Wildtierretter kaum Überlebende. "Viele Landstriche waren komplett zerstört. Dort gab es nichts mehr", sagt Josey traurig. "Es ist, als würde man ein Kre­matorium betreten: Alles ist verbrannt und tot. Es herrscht eine absolute Stille", erzählt die Tierschützerin. "So etwas lässt einen nicht mehr los."

Bear schenkt Hoffnung: Eine Woche vor Weihnachten findet er inmitten verbrannter Bäume einen überlebenden Koala. "Wir ­waren in einem Gebiet, in dem es seit Oktober über drei Monate lang gebrannt hat", erzählt Hundeführerin Riana Gardiner, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Detection Dogs for Conservation Project. Ihre Aufgabe ist es, die Außeneinsätze und Feldstudien zu leiten. Seit vergangenem Jahr lebt Bear bei ihr. Zusammen sind sie fast täglich im Busch unterwegs. "Sobald wir im Einsatzwagen sitzen, weiß er, dass es gleich losgeht. Wenn er dann noch seine Warnweste und den GPS-Sender umbekommt, muss man ihm gar kein Signal mehr geben." Sobald Bear einen Koala gefunden hat, lässt er sich flach auf den Boden fallen und wartet. Als Lohn spielt Riana mit ihm. Um ihn bei Laune zu halten und ihn mit Erfolgserlebnissen zu motivieren, hat die Hundeführerin stets ein Stück Koalafell dabei. "Sein Belohnungsduft. Wir halten es gut verschlossen. Wenn Bear nichts findet, platzieren wir es irgendwo und schicken ihn dann in die Richtung. Sobald er fündig ist, belohnen wir ihn mit einem Spiel. Bear macht einen wirklich wichtigen Job, darum ist es notwendig, dass er Spaß an der Arbeit hat."

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Mit Hilfe des Spürhunds konnten schon mehr als zehn Koalas gerettet werden

Der tierische Umweltschützer ist ein Vollprofi, der seinen Job liebt. Wenn er im Einsatz ist, konzentriert er alle Sinne auf sein Ziel. "Er weiß, wenn wir rausfahren, geht es für ihn zur Arbeit. Er mag es dann nicht, wenn Menschen ihn stören, ihn streicheln wollen und ihn unterbrechen. Er ist wahnsinnig fokussiert. Deshalb ist er so ein fantastischer Spürhund." Einer, der am liebsten jeden Tag rund um die Uhr im Einsatz wäre.

Inzwischen hat der tierische Held schon mehr als zehn traumatisierte Koalas aufgestöbert und ihnen damit das Leben gerettet. Er hat bewiesen, dass er auch unter den schwierigsten Umständen Resultate liefern kann. Riana und Josey hoffen, dass es in Zukunft mehr Artenspürhunde wie ihn geben wird. "Hunde wie Bear leisten einen wichtigen Beitrag für den Naturschutz. Je mehr Hunde wir im Einsatz haben, desto besser."

Möchten Sie die Koala-Retter unterstützen? Die Tierschutzorganisation International Fund for Animal Welfare, IFAW, konzentriert sich auf Tierrettungen und den Schutz von Lebensräumen. Damit Koalas auch in Zukunft eine Heimat haben, pflanzen die Aktivisten Bäume. Weitere Informationen: www.ifaw.org/de.

Mehr über Bear und die anderen Hunde des Detection Dogs for Conservation Projects erfahren Sie auf der Website der University of the Sunshine Coast, USC. Wer mag, kann die Arbeit der Artenschutzhunde mit einer Spende fördern.

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