Fellwechsel in Krefeld

Ein "radikaler Wurf" sei das neue Konzept, sagt Fressnapf-Gründer und Verwaltungsratschef Torsten Toeller. Übertrieben scheint das nicht – allerdings ist der Anspruch auch hoch. Mit dem Markt in Krefeld und weiteren Testfilialen will Toeller in den kommenden Monaten Antworten darauf geben, "wie unsere Märkte im digitalen Zeitalter künftig aussehen sollen". Erlebniseinkauf, Aufenthaltsqualität, Dienstleistungen und digitale Vernetzung lauten einige der Arbeitsfelder, auf denen Fressnapf vorankommen will. Das Ergebnis soll wegweisend sein für das Vertriebsnetz in ganz Europa und muss am Ende auch die zahlreichen Franchisepartner des Händlers in Deutschland überzeugen. Zuletzt hatte Fressnapf seinen stationären Auftritt vor 15 Jahren umgekrempelt – und sich damals von seinem ursprünglichen Konzept des Fach-Discounters entfernt. Nun macht Toeller – rund 30 Jahre nach der Eröffnung des ersten Marktes – noch einen weiteren Schritt hin zur Aufwertung der stationären Märkte. Das charakteristische Grün, das die Fressnapf-Filialen in der Regel an Wänden und Regalen prägt, kommt nur noch punktuell zum Einsatz. Stattdessen dominieren helle Töne – im Kundenleitsystem, bei Möbeln, Beleuchtung und Regalen sowie an Wänden und Wellblech-Elementen.

„Wir haben bisher von unserem klassischen Format aus gedacht – nun wird die Großfläche der Ausgangspunkt. “

Fressnapf-Gründer Torsten Toeller

Mit oberflächlicher Kosmetik gibt sich Fressnapf im Pilotmarkt allerdings nicht zufrieden. Der Wandel geht hinter dem freundlich anmutenden Industrie-Look noch deutlich tiefer. So haben Toeller und seine Mannschaft den typischen Grundaufbau ihrer Märkte in Krefeld mehr oder minder auf den Kopf gestellt. Die umsatzstärkste Warenkategorie – das Hunde- und Katzenfutter sowie entsprechende Streu – verlieren im Pilotmarkt ihre zentrale Rolle auf der Fläche und rücken an das hintere Ende des Marktes. "Dafür haben wir den Zubehör-Bereich stärker in den Mittelpunkt gerückt und inszenieren die Nonfood-Sortimente intensiver", erklärt Toeller den Ansatz.

Nonfood rückt nach vorne

In der Tat wird der Kunde beim Betreten des Marktes erst einmal von den unterschiedlichsten Hartwaren rund um das Haustier empfangen. Das reicht von neueren Sortimenten für Wildtiere und die Nutztierhaltung zu Hause bis hin zu essenziellen Kategorien wie Kratzbäumen und Hundebetten. Für den besseren Überblick ist die Regalhöhe in den ersten beiden Dritteln des Marktes auf 1,50 Meter gesenkt worden, während sie im hinteren Teil bei der Tiernahrung auf 2,20 Meter anwächst. Fressnapf präsentiert einen Teil des Nonfood-Sortiments dabei auf rollbaren Regalen, die bei Bedarf Platz machen können, um Veranstaltungen und Vorträge auf der Fläche zu ermöglichen.

Mit dem Zubehör stellt Fressnapf jene Sortimente stationär in den Fokus, die im Online-Geschäft bislang die kleinere Rolle spielen – und bei denen die Kunden Beratung vor Ort und haptisches Erleben besonders schätzen dürften. Viel Raum gibt Fressnapf in diesem Bereich des Marktes auch dem Verkauf von lebenden Haustieren wie Nagern, Vögeln und Zierfischen. Das nötige Zubehör findet der Kunde dabei, ebenso wie Futter, in den benachbarten Regalen. Passend zur Neuaufteilung der Fläche führt der Händler nun auch die Kunden und ihre Haustiere auf neuen Wegen durch den Markt. Anstatt entlang eines zentralen Hauptgangs, von dem die einzelnen Warengruppen abzweigen, werden die Kunden in Krefeld zunächst nach rechts und dann gegen den Uhrzeigersinn durch die Filiale geführt. Kurz nach dem Eingang geht es dabei vorbei an den beiden konzerneigenen Dienstleistungsformaten Activet und Fellini, die an der Außenwand platziert sind und zusammen rund 300 Quadratmeter zusätzliche Fläche belegen. Vor den Glasfronten der Tierarztpraxis und des Hundefriseurs hat der Händler dabei passende Sortimente platziert, von Diätnahrung bis zu Pflegeprodukten. Insbesondere das Veterinär-Konzept Activet erweist sich dabei als Umsatzbringer: Es hat am Standort zuletzt – zusätzlich zum Warengeschäft auf der Fläche – einen Umsatz von knapp einer Million Euro erzielt. Die Service-Angebote sind ein Baustein, den Fressnapf bereits an einigen Standorten einsetzt. Um das neue Konzept insgesamt auch auf kleinere Vertriebstypen des Händlers herunterbrechen zu können, ist der Pilotmarkt allerdings komplett modular aufgebaut. Die einzelnen Elemente lassen sich in der Größe variieren, damit sie beispielsweise auch für das vorherrschende Fressnapf-Format passen, das mit 500 bis 600 Quadratmetern deutlich kleiner ist. Ein Beispiel ist das Barf-Sortiment, auf das der Händler künftig mehr Augenmerk legen will: Das Angebot für die Rohfütterung präsentiert Fressnapf auf 100 Quadratmetern optisch besonders hochwertig in Holzkisten und hängenden Kühlelementen. In einer kleineren Version komprimiert der Händler die Abteilung auf 60 Quadratmeter. Dem neuen Auftritt gelingt dabei das kleine Kunststück, zugleich großzügig zu wirken und Freiräume zu lassen, zugleich aber deutlich mehr Regalfläche zu schaffen. So bietet das XXL-Konzept nun für 12500 Artikel Platz, 20 bis 25 Prozent mehr als bislang. Dazu tragen auch tiefere Regale und neue Warenträger bei, die es erlauben, mehr Artikel unterzubringen. Im Futtersortiment wächst die Regalfläche um 15 Prozent – bei der Hundenahrung, die mehr Auswahl bietet, dabei mit einem Plus von 35 Prozent stärker als bei Katzenfutter (plus 11 Prozent). Den zusätzlichen Raum nutzt der Händler vor allem für die Einlistung neuer Markenprodukte. "Das wird uns dabei helfen, unsere Marktanteile in den einzelnen Kategorien zu erhöhen und den Umsatz auf bestehender Fläche zu steigern", sagt Toeller. "Und auch für die Franchisepartner, die an der Entwicklung beteiligt sind, ist das ein wichtiges Argument."

30 Prozent mehr Umsatz geplant

Denn gleichzeitig ist das aufgewertete Konzept deutlich teurer als die bisherige Ausstattung. So liegen die Investitionskosten ohne Ware mit 600.000 Euro rund fünfmal höher als sonst bei Fressnapf üblich. Das soll sich allerdings durch den angestrebten Mehrumsatz rechnen: Laut Planung soll der Jahresumsatz von 3 Millionen Euro vor dem Umbau bis 2023 um 30 Prozent auf 3,8 Millionen Euro wachsen. Der Durchschnittsbon, der momentan bei 22,35 Euro liegt, soll in diesem Zeitraum auf 25 Euro steigen. Passenderweise soll auch das Bezahlen im Pilotmarkt angenehmer werden: Seine Laufbandkassen hat der Händler durch drei weiße Schalter ersetzt, an denen die Mitarbeiter einfacher mit den Kunden ins Gespräch kommen können. Ohnehin gilt: Die Beratung der Haustierfreunde soll auf der Fläche künftig noch intensiver werden. So wurde die Zahl der Mitarbeiter am Standort auf 35 erhöht und eigene Verräumkräfte wurden engagiert, um die Verkäufer für die Kundenbetreuung zu entlasten. Für mehr Service soll auch die Digitalisierung sorgen: So hat Fressnapf eine Mitarbeiter-App eingeführt, mit der Wissen über die Ware jederzeit verfügbar ist und Arbeitsprozesse digital werden.

Standortfakten

Adresse:

Hafelsstraße 243, 47809 Krefeld

Eröffnung:

02.08.2021

Verkaufsfläche:

1500 qm (+ 300 qm für Dienstleistungen)

Investition:

600.000 Euro

Sortiment:

12.500 Artikel

Mitarbeiter:

35

Durchschnittsbon:

25 Euro (Ziel)

Jahresumsatz:

3,8 Mio. Euro (Ziel)

Jahresumsatz Tierpraxis:

1 Mio. Euro

Kassen:

3

ÖZ:

Mo-Sa 9-20 Uhr

Die Vernetzung schreibt der Händler auch auf der Fläche groß: So hat der Kunde im Markt die Möglichkeit, an mehreren Touchscreen-Stationen zu interagieren. Auf einem Bildschirm etwa präsentiert Fressnapf ein erweitertes Sortiment an Kratzbäumen für Katzen, die Kunden per QR-Code ohne großen Aufwand online ordern können. Dort, wo Hamster in großen Käfigen spielen, informiert Fressnapf an einer interaktiven Station über die Möglichkeiten, Tiere aus örtlichen Heimen zu adoptieren. Neun Monate Zeit wollen sich Toeller und sein Team nun nehmen, um die Ergebnisse aus Krefeld und weiteren Testmärkten auszuwerten. "Unser Ziel ist, im kommenden Jahr ein ausrollfähiges Modell zu haben, das zunächst in neuen Märkten und Standorten, die überarbeitet werden müssen, zum Einsatz kommt", erklärt der Fressnapf-Gründer. An einigen Stellschrauben werde sicherlich noch gedreht werden müssen, glaubt er. "Wir sind aber schon jetzt überzeugt, dass 80 Prozent unseres Ansatzes passend sind."