Schon letztes Jahr hat sich ein Trend stark abgezeichnet: der zum Haustier. Pandemie, Lockdowns und Home-Office-Lösungen machten es für viele möglich. Knapp vier Millionen Tiere leben in Österreichs Haushalten – davon knapp zwei Millionen Katzen und etwa 900.000 Hunde. Die Wartelisten bei Züchtern sind lang, und auch die Tierheime freuen sich über Zuwachs bei den Adoptionswilligen.
Das Bedürfnis nach einem vierbeinigen Begleiter wuchs jedoch nicht nur bei Singles, auch Paare und Familien haben sich für einen (weiteren) felligen Mitbewohner entschieden. Man kann sich Hund oder Katze aber mittlerweile auch anders ins Haus holen, nämlich via Handybildschirm: "In Zeiten von Lockdowns sind Haustiere für viele Menschen enorm wichtig. Je mehr wir zu anderen auf Distanz gehen mussten, desto bedeutender wurden die tierischen Freunde an unserer Seite. Ob nun mit oder ohne eigenes Haustier: Wir alle haben während der Pandemie weitaus mehr Zeit auf Social Media verbracht. Dort zaubern uns Petfluencer täglich ein Lächeln ins Gesicht – in schwierigen Zeiten ist das Balsam für unsere Seelen", so Julia Karkalis, PR-Profi und Miteigentümerin der 2019 gegründeten Petfluencer-Agentur TONY. "Animal-Pics gehören jedenfalls seit Tag eins des Internets zu den beliebtesten Inhalten.
Sängerin und Schauspielerin Vanessa Hudgens hat Darla immer dabei -meist ist sie auch auf ihren Insta-Posts und -Stories zu sehen.
Sie wirken sympathisch und lösen positive Emotionen aus. Die Wissenschaft hat außerdem nachgewiesen, dass der Kontakt zwischen Hund und Mensch Stress reduziert. Glückshormone werden ausgeschüttet." Süße Fellnasen sind jedenfalls die neuen Stars im Internet, auf diversen Social-Media-Kanälen explodieren ihre Follower-Zahlen. Eine gewisse Form des Eskapismus, könnte man mutmaßen, schließlich tut es gut, leichte Inhalte zu sehen, die harmlos, unpolitisch und im besten Fall noch witzig sind.
Feelgood Content.Im Vergleich zu ihren menschlichen Pendants haben Petfluencer nämlich einen entscheidenden Vorteil: Follower vergleichen sich nicht mit ihnen, und sie vermitteln kein unrealistisches Schönheitsideal. Perfekt gestylten Influencern dabei zuzusehen, wie sie nach Dubai jetten und luxuriöse Geschenke bekommen, kann Neid ins uns auslösen. Die tierischen Social-Media-Promis dagegen sorgen für Unterhaltung und Ablenkung vom Alltag. Authentizität ist hier der Schlüssel zum Erfolg: Ein leichter Silberblick, Segelohren, krumme Zähne oder X- bzw. O-Beine wirken charmant. Je mehr Charakter ein Tier hat, desto begeisterter sind die Fans.
Moderatorin Michelle Hunziker hat gleich drei Hunde: einen grauen Whippet namens Odin und die zwei Zwergpudel Lilly und Leone.
Petfluencer Business.Auch wenn die meisten Tieraccounts von ihren Besitzern als Hobby betrieben werden, mit dem sie hauptsächlich Familie und Freunde unterhalten wollen, gibt es auch hier eine echte Professionalisierung. Der Hype um die Petfluencer ist mittlerweile so groß, dass sie -ebenso wie Blogger oder Influencer -von Marketing-Agenturen und Managements betreut werden. Unternehmen planen Petfluencer-Marketing immer öfter als festen Bestandteil der Strategie mit ein: Vierbeiner dienen dabei nicht nur als Werbegesichter für Tierfutter-Brands, sondern auch für Fashion-,Beauty-, Reise-, Auto-und Fitnessmarken. TONY-Unit Director Julia Karkalis: "Während man in der Werbung über Jahrzehnte irgendwelche Tiere für Spots oder Anzeigen eingesetzt hat, wählt man inzwischen gezielt vierbeinige Internet-Stars, die schon eine eigene Fanbase vorweisen können." Viele Tiere haben bereits eine größere Reichweite als mancher Promi. Das zeigt auch das gerade erschienene Panini-Petfluencer-Sammelalbum: Statt Fußball-Profis finden sich jetzt die Sticker von 200 tierischen Webstars in den kleinen Papier-Paketen.
US- Aktrice Tori Spelling hat neben ihren Hunden auch Schweine, Bartagame und Meerschweinchen.
Die Top-Riege der Branche mit Followerzahlen in Millionenhöhe kann pro Post enorme Gagen verdienen. Der amerikanische Zwergspitz Jiffpom (10,3 Millionen Follower auf Instagram) etwa nimmt nach Schätzungen bis zu 135.000 Euro pro Post ein. Laut Karkalis geht der Hype jedenfalls weiter: "Ein Software-Anbieter hat vergangenes Jahr die Accounts von Influencern und Petfluencern aus aller Welt analysiert. Das Ergebnis: Es gibt deutlich mehr Influencer zu Themen wie Mode, Beauty oder Sport, als es Petfluencer gibt. Vergleicht man aber Influencer und Petfluencer mit ähnlichen Follower-Zahlen, war das Ergebnis durchwegs in allen Größenkategorien identisch: Die Fellnasen erhalten stets mehr Likes und Kommentare als ihre menschlichen Pendants." Dieses Engagement ist die eigentliche harte Währung auf Insta &Co.
Das Rudel wächst: Bei Aktrice Demi Moore und ihren Töchtern ist im Lockdown noch ein Dackelwelpe eingezogen.
Hunde als Verstärker für den Promi-Faktor.Auch die Stars haben mittlerweile verstanden, dass man mit Tieren richtig viele Klicks in den sozialen Medien bekommt. Statt auf Red Carpets zeigen sich VIPs wie Reese Witherspoon oder Demi Moore verstärkt ganz natürlich, privat - und mit ihren vierbeinigen Lieblingen. Schließlich bringt das durchaus einige Sympathiepunkte für den sonst so durchgestylten Celebrity mit Glamour-Leben.
"Solange wir Smartphones und damit auch soziale Medien nutzen, werden starke Inhalte immer von Bedeutung sein. Bei Tieren kommt hinzu, dass ihre Wirkung sich beim Betrachter unbewusst entfaltet. Bei Influencern, aber auch Stars denkt man meistens an die komplett perfekte Welt, bei Petfluencern ist es viel realer", so die Expertin.
chauspielerin Reese Witherspoon bekam im Oktober den French-Bulldog-Welpen Minnie Pearl. Außerdem gibt es noch die Bulldoggen Hank und Lou sowie Labrador Major.
Wirtschaftsfaktor Tier.Laut WKO verzeichnete die Kette Fressnapf als Marktführer bei Tiernahrung und -bedarf übrigens 2020 das größte Umsatzplus seiner Geschichte. Europaweit stiegen die Erlöse um 15,2 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro. In Österreich allein stieg der Umsatz um 18,2 Prozent auf 215 Millionen Euro -davon entfallen knapp 70 Prozent auf Futter. Insgesamt ist der heimische Tierbedarfsmarkt 650 bis 700 Millionen schwer.
Bei ihren vierbeinigen Lieblingen schauen die meisten nämlich nicht aufs Geld, wählen exquisite Leckerlis, edle Accessoires oder sogar das eine oder andere Gadget von Luxuslabels wie Louis Vuitton oder Versace. Denn auch die großen Designermarken haben den riesigen und vor allem stark wachsenden Markt für sich entdeckt. Den Tieren ist es schlicht egal, aber stilbewusste Herrchen oder Frauchen gönnen sich durchaus gerne ein Statussymbol für ihre Fellnasen. Da kann eine Prada-Leine schon einmal knapp 500 Euro kosten oder eine winterliche Daunenjacke von Moncler 350 Euro - ein modisches Highlight quasi für den Quarantäne-Spaziergang!
Doch was, wenn viele aus dem Home Office wieder zurück ins Büro müssen? Es bleibt zu hoffen, dass sich die Tierbesitzer weiterhin verantwortungsvoll zeigen. Das eröffnet wiederum einen neuen Markt: Einen regen Zulauf werden Hundesitter und Betreuungsangebote verzeichnen. Genauso wie Dienstleistungen für die Vierbeiner. Die vor wenigen Wochen gemeinsam von Fressnapf und Rewe Touristik Austria gestartete Plattform Fressnapf Reisen will dagegen mit speziellen Angeboten für hundefreundliche Hotels und Destinationen punkten.
Model Alessandra Ambrosio hat mit ihrer Familie schon mehrere große Hunde, letzten Oktober gab es Welpen-Nachwuchs.
Tiere bleiben Tiere.Bei all der Herzigkeit sollten aber verrückte Inszenierungen oder Social-Media-Challenges auf TikTok oder Instagram auch kritisch gesehen werden. Artgerechte Haltung, viel Liebe und Zuwendung sind es, was die Tiere brauchen - egal ob nun Insta-Promi oder nicht. "Nichts spricht gegen ein lustiges Halsband oder ein kurzes Posing für ein Foto - wenn Tiere allerdings zu sehr vermenschlicht werden, sehen wir das kritisch", so die Agentur-Profis bei TONY. Sofern es ohne Zwang passiert, macht es den Tieren auch Spaß, für ein Bild zu posieren, schließlich beschäftigt sich ihr Besitzer mit ihnen, belohnt und lobt sie. Und das ist, was Bello &Co. wirklich glücklich macht.
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