Jennifer-Lilli, Maria-Lara und ich sind ein beliebtes Ziel für Spott in meiner Familie, denn die beiden Damen mit den Doppelnamen sind ein Roggen- und ein Dinkel-Sauerteig. Sie sind kapriziös, insbesondere bestehen sie auf sehr regelmäßigen Mahlzeiten. Wenn ich zum Beispiel spät aus dem Fotostudio komme, füttere ich erst die Teige und begrüße dann meine Familie. Zwar backe ich seit Jahren regelmäßig Sauerteigbrot (hier ein einfaches Einsteiger-Rezept) – doch bis vor Kurzem galt es als nerdige Außenseiterbeschäftigung, zweimal täglich einen Sauerteig zu füttern, selbst unter Menschen, die viel und gerne kochen.
Plötzlich scheint es jedoch ganz normal zu sein Brot zu backen. Selbst auf meinem unbedeutenden Instagram-Account suchen plötzlich Tausende von Menschen nach Tipps zum Sauerteig. Ähnliches gilt für alles, was mit Gemüsezucht zu tun hat. Dabei braucht es schon einen ordentlichen Gemüsegarten und einige Säcke Getreide im Keller für eine ernsthafte Vorsorge gegen Notsituationen. Wahrscheinlich geht es mehr um das haptische Erlebnis in virtuellen Zeiten: Wer Teig knetet oder Salat pflanzt, fühlt das echte Leben. Tastzellen in der Haut melden dem Gehirn: Der Teig ist feucht. Oder: Die Erde ist trocken. Tu etwas.
Selber wursten ist ein vergleichbar archaisches Erlebnis. Wer seine Bratwurst selber füllt, kann außerdem – wie beim Brot und beim Dünger im Bio-Beet – dafür sorgen, dass wirklich nur gute Zutaten in die Masse kommen. Dabei ist Wursten viel einfacher als Brot backen oder Gemüse züchten. Zwei Hürden gibt es trotzdem: Da ist einmal die Frage, wie ich das Brät, also die Hackfleischmasse, in die Hülle fülle. Dafür braucht es entweder ein Wurst-Füllhorn als Zubehör für einen Fleischwolf oder eine kleine Wurstmaschine. Die sind nicht teuer. Aber wenn Sie noch gar nicht wissen, ob das Gerät später auch wirklich ab und zu zum Einsatz kommt, dann können Sie meine Grundmasse für den ersten Versuch auch einfach mit feuchten Händen zu Würsten rollen, ganz ohne Hülle. So lassen sie sich genauso gut grillen oder braten.
Problem Nummer zwei: Wer hat schon einen Fleischwolf? Der freundliche Metzger hat einen, und meist lässt er Fleisch und Speck gerne für Sie durch das Gerät. Doch Wurst gab es schon, bevor der erste Fleischwolf gebaut wurde. Ich kenne sogar ein Münchner Restaurant, in dem handgeschnittene Salsicce von einem Metzger aus Sizilien auf den Grill kommen.
Mit dem Fleischwolf hatte ich das Rezept schon oft verwendet, jetzt wollte ich die urtümliche Methode ausprobieren. Das Fleisch würfeln geht gut, meine Messer sind schließlich scharf – aber die zwei Sekunden im Video, in denen sich die Wurstmasse scheinbar von selbst hackt, entsprechen zwei Stunden harter Arbeit mit anschließendem Muskelkater und Blasen an den Händen. Das muss ich nicht ständig haben. Trotzdem fand ich die Erfahrung bereichernd – und das Brät war tatsächlich besonders gut gebunden. Wer es probieren will, sollte ein solides Hackbrett benutzen, zwei große, schwere Messer gleichzeitig verwenden und dabei an Lucky Luke denken, den Mann mit den zwei Colts.
Einige meiner besten Bratwurstrezepte für einen langen Grillsommer habe ich schon einmal für das SZ-Magazin aufgeschrieben – die dazugehörigen Fotos sind von Myrzik und Jarisch.
Grobe Griller – Grundrezept
Für 30 bis 40 Stück:
ca. 20 m Bratwurst-Saitling (Naturdarm mit 18-20 mm Durchmesser, den Metzger fragen oder online bestellen)
200 g Zwiebeln
20 g junge Knoblauchzehen
3 EL Olivenöl
2-3 Rosmarinzweige
1 getrocknete Chilischote (oder mehr...)
20 g Fenchelsamen
26 g Salz
100 ml Weißwein
1200 g Schweinefleisch aus der Schulter (eher fett, z.B.: Schwäbisch-Hällisches Schwein)
150 g Schweinebauch (roh)
150 g geräucherter Bauch-Speck
Naturdarm ein paar Minuten in lauwarmes Wasser legen, damit er geschmeidig wird. Zwiebeln klein würfeln, Knoblauch schälen und mit Rosmarinnadeln, Fenchelsamen und Chilischote hacken. Zwiebeln im Olivenöl 3 Min. dünsten. Gewürze und Salz zugeben. Mit Weißwein ablöschen, vollständig einkochen, vom Herd nehmen und vollständig abkühlen – am besten im Gefrierfach anfrieren.
Schweinefleisch und Speck in möglichst dünne Streifen schneiden, quer würfeln und dann mit der Fenchelmischung möglichst fein hacken – das dauert und braucht Muskelschmalz, ein großes, scharfes und vor allem schweres Messer hilft. (Wer einen Fleischwolf hat, kann das Fleisch durch die grobe 8mm-Scheibe und den Speck durch die feine Scheibe drehen – oder einfach das Fleisch vom Metzger wolfen lassen und dann sehr gründlich mit der Gewürzmischung verkneten.) Anschliessend mindestens 30 Min. im Gefrierfach kalt stellen. Kalte Hackfleischmasse noch einmal gründlich durchkneten, bis die Masse bindet – das fühlt man ziemlich deutlich. Gewolftes Hackfleisch etwa 10 Min. in der Küchenmaschine kneten, handgeschnittenes Hackfleisch nur noch kurz durchkneten.
Den Wurststopfer für Bratwurst (kleiner Durchmesser) an Wurstmaschine oder Fleischwolf ansetzen. Jeweils ca. 2-3 m Wursthülle auf die Tülle schieben. Würste stopfen und abdrehen – etwa 10 cm lang. Bis zum Gebrauch kühl stellen, dabei kann die Oberfläche leicht abtrocknen (Bratwürste aber auf jeden Fall am selben Tag noch garen oder einfrieren).
Grobe Griller bei mittlerer Hitze von beiden Seiten je 4-5 Min. grillen.
Tipp: Wer mag, kann zusätzlich 200 g gekochte, abgekühlte Schweineschwarte mit unter die Masse mischen, das macht die Bratwurst noch saftiger.
Für alle Vegetarier:
Nächste Woche verrät Hans Gerlach eins seiner liebsten fleischlosen Grillrezepte.